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„Herr Distriktsanwalt,“ sagte der Richter, „ habt Ihr noch etwas beizufügen?“

Herr Van der School entfernte seine Brille, legte sie zusammen, setzte sie abermals auf seine Nase, betrachtete die andere Klagschrift, die er in Händen hatte, und erwiederte sodann, über die Gläser seines optischen Werkzeugs nach der Schranke sehend:

„Ich stehe, mit dem Wohlnehmen des Gerichtshofs, von einer weiteren Verfolgung der Sache ab.“

Richter Temple stand auf und faßte die Anklage zusammen.

„Meine Herren Geschworenen,“ fuhr er fort, „ihr habt den Zeugen vernommen, und ich will euch nicht lange aufhalten. Wenn einem Diener des Gesetzes in Ausübung eines Befehls Widerstand geleistet wird, so hat er ein unbezweifeltes Recht, jeden Bürger zu seinem Beistand aufzufordern: und der Act einer solchen Beihülfe steht gleichfalls unter dem Schutze des Gesetzes. Ich stelle es daher Eurem Ermessen anheim, meine Herren, in wie weit, dem abgelegten Zeugniß zufolge, der Zeuge in einer solchen Eigenschaft betrachtet werden kann, und überlasse den Fall, trotz seiner mangelhaften Form, um so eher eurer Entscheidung, weil noch ein anderer Punkt klagbar geworden ist, welcher den unglücklichen Gefangenen eines weit schwereren Vergehens beschuldigt.“

Der Ton von Marmaduke's Stimme war sanft und gewinnend, und da seine Ansichten mit so augenscheinlicher Unparteilichkeit ausgesprochen waren, so ermangelten sie nicht, auf die Jury den geeigneten Eindruck zu üben. Die ernst aussehenden Grundbesitzer, welche dieses Tribunal bildeten, steckten, ohne die Loge zu verlassen, auf einige Minuten die Köpfe zusammen, worauf der Obmann aufstand, und nach pflichtlicher Beobachtung der Formen des Gerichtshofs erklärte, daß der Angeklagte „nicht schuldig“ sey.

„Ihr seyd von dieser Anklage entbunden, Nathanael Bumppo,“ sagte der Richter.

„Wie?“ fragte Natty,

„Man hat Euch hinsichtlich des Angriffs auf Herrn Doolittle für nicht schuldig erklärt.“

„Nein, nein, ich will nicht in Abrede ziehen, daß ich ihn etwas rauh an den Schultern anfaßte,“ entgegnete Natty, indem er mit großer Einfalt um sich blickte. „und daß ich— —“

„Ihr seyd frei gesprochen,“ fiel ihm der Richter in's Wort, „und es ist in der Sache nichts mehr zu sagen oder zu thun.“

Ein Lichtblick der Freude zuckte über die Züge des alten Mannes, der nun den Fall begriff; er setzte hastig seine Mütze wieder auf den Kopf, warf die Schranke seines kleinen Gefängnisses auf und sprach nicht ohne Innigkeit:

„Nun, ich muß es Ihnen nachrühmen, Richter Temple, daß das Gesetz nicht so hart gegen mich gewesen ist, als ich fürchtete. Ich hoffe, Gott wird Sie für die Freundlichkeit segnen, die Sie mir heute erwiesen haben.“

Aber der Stab des Constable verhinderte seine Entfernung, und Herr Lippet flüsterte ihm einige Worte ins Ohr, worauf der alle Jäger auf seinen früheren Sitz zurücksank, seine Mütze abnahm, und mit einer Miene, in der sich Schmerz und Ergebung aussprachen, die Reste seiner dünnen grauen Locken niederstrich.

„Herr Distriktsanwalt,“ sagte Richter Temple, indem er that, als sey er mit den Akten beschäftigt, „schreitet zu der zweiten Anklage.“

Herr Van der School gab sich große Mühe, daß ja kein Theil der Vorstellung, welche er jetzt verlas, seinen Zuhörern entgehen möchte. Er beschuldigte den Gefangenen des Widerstandes gegen den Vollzug einer gerichtlichen Hausdurchsuchungs-Vollmacht durch Gewalt der Waffen, unter denen er, nach Maßgabe seines weitschweifigen Gerichtsstyls, nebst vielen andern auch den Gebrauch der Büchse angab. Hier handelte es sich in der That um eine ernstere Anschuldigung, als die einer gewöhnlichen Balgerei, weßhalb denn auch die Zuhörer eine entsprechende Theilnahme an dem Resultate derselben an den Tag legten. Der Gefangene wurde nach der üblichen Form abermals aufgefordert, seine Einreden vorzubringen, und ihm zu diesem Ende von Herrn Lippet die Antworten zugeflüstert. Aber die Gefühle des alten Jägers waren durch einige Ausdrücke der Klagschrift gekränkt worden, und alle Vorsicht vergessend, rief er:

„Das ist eine gottlose Lüge; ich verlange nach keines Menschen Blut. Selbst die spitzbübischen Irokesen würden mir nicht nachsagen, daß ich je nach eines Menschen Blut gedürstet hätte. Ich habe als Soldat, der seinen Schöpfer und seine Vorgesetzten ehrt, gefochten, aber nie meine Büchse auf jemand Anderes abgedrückt, als auf einen Krieger, der wach und auf den Beinen war. Niemand kann mir nachsagen, daß ich auch nur einen Mingo in seinem Schlafe getödtet hätte. Ich glaube,es gibt hier Leute, welche meinen, es gäbe in der Wildniß keinen Gott!“

„Nehmt auf Eure Einrede Bedacht, Bumppo,“ sagte der Richter. „Ihr hört, daß Ihr angeschuldigt seyd, Eure Büchse gegen einen Diener der Gerechtigkeit gebraucht zu haben. Seyd Ihr schuldig, oder nicht schuldig?“

Natty's gereizte Gefühle hatten sich inzwischen vertobt, und er ruhte einen Augenblick nachsinnend auf der Schranke, worauf er mit seinem schweigsamen Lachen das Gesicht erhob, und mit einem Winke nach der Stelle, wo der Holzfäller stand, entgegnete:

„Glaubt Ihr wohl, Billy Kirby würde dort stehen, wenn ich von der Büchse Gebrauch gemacht hätte?“

„Ihr zieht es also in Abrede,“ sagte Herr Lippet; „Ihr erklärt Euch für nicht schuldig?“

„Gewiß,“ entgegnete Natty. „Billy weiß, daß ich gar nicht schoß: Billy, erinnert Ihr Euch noch des Truthahns vom letzten Winter? Ja, das war kein schlechtes Schießen; aber es geht nicht mehr so gut, als es sonst zu gehen pflegte.“

„Tragt die Erklärung nicht schuldig, ein,“ sagte Richter Temple, tief ergriffen von der Einfalt des Gefangenen.

Hiram wurde abermals beeidigt, um in der zweiten Anklage Zeugniß abzulegen. Da er seinen früheren Irrthum eingesehen hatte, so ging er jetzt vorsichtiger zu Werke und berichtete mit großer Bestimmtheit und einer, für einen solchen Mann erstaunlichen Zierlichkeit den Verdacht, der gegen den Jäger vorgelegen, die Anklage, die Erlassung der Vollmacht und Kirby's Beeidigung, was alles, wie er versicherte, in gehöriger Form Rechtens geschehen sey. Er fügte sodann bei, wie der Constable aufgenommen worden, und erklärte ausdrücklich, daß Natty auf ihn angelegt und ihn todt zu schießen gedroht habe, wenn er es versuche, seinen Auftrag zu vollziehen. All dieß wurde durch Jotham bestätigt, der ganz genau dasselbe berichtete, als die Magistratsperson. Herr Lippet leitete ein listiges Kreuz- und Querverhör zwischen diesen beiden Zeugen ein, was er geraume Zeit fortführte, aber endlich aufgeben mußte, weil durchaus kein Vortheil dadurch zu erringen war. Endlich forderte der Distriktsanwalt den Holzfäller vor die Schranken.

Billy erstattete einen ungemein verwirrten Bericht über den ganzen Vorgang, obgleich er augenscheinlich die Wahrheit zu sagen beabsichtigte, bis ihm Herr Van der School durch einige directe Fragen Beihilfe leistete:

„Aus diesen Papieren erhellt, daß Ihr gesetzlich Eingang in die Hütte verlangtet; Ihr habt Euch daher wohl durch Furcht vor seiner Büchse und seinen Drohungen abhalten lassen?“

„Ich habe mich nicht so viel darum bekümmert,“ versetzte Billy, mit den Fingern schnippend. „Ich müßte ein armer Tropf seyn, wenn ich mich von dem alten Lederstrumpf einschüchtern lassen sollte.“

„Aber wie ich Euch verstand, so sagtet Ihr (ich beziehe mich dabei auf Eure frühern Worte [wie sie nämlich vor dem Gerichtshof gesprochen wurden], in dem Beginne Eurer Aussage). Ihr hättet geglaubt, er wolle auf Euch schießen.“

„Freilich glaubte ich das; und Euch wäre es wohl eben so gegangen, Squire, wenn Ihr gesehen hättet, wie der Bursche sein nie fehlendes Büchsenrohr herunterließ und über dem Gewehre weg blinzelte. Ich dachte mir's indeß wohl, daß er mir bloß einen Dunst vormachen wollte, und so war ich im Augenblick im Reinen; aber Lederstrumpf gab mir dann die Haut, womit die Sache abgethan war.“