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„Ja, ja, man führt bei dergleichen immer das Gesetz im Munde; aber was soll dabei herauskommen, frage ich? Weh thut's nicht, und das Ganze ist weiter nichts, als daß es einen Mann für die Dauer zweier Gläser an den Fersen fest hält.“

„Wie, es thäte nicht weh, Benny Pumpp?“ versetzte Natty, die Augen mit einem kläglichen Gesicht zu dem Hausmeister aufrichtend — „es thäte nicht weh, einen einundsiebenzigjährigen Mann wie einen Bären den Ansiedlern zur Schau hinzustellen?

Es sollte nicht wehe thun, wenn man einen alten Soldaten, der den Krieg von Sechsundfünfzig mitgemacht und sechsundsiebenzig Male dem Feinde gegenüber gestanden hat, an einen solchen Ort steckt, wo die Jungen mit Fingern auf ihn weisen und sagen können, ich habe es selbst mit angesehen, wie er dem Bezirk zu einen Spectakel diente? Es sollte nicht weh thun, das Ehrgefühl eines Mannes, der sich keines Unrechts bewußt ist, so zu kränken, daß man ihn wie eine Bestie des Waldes behandelt?“

Benjamin stierte wild um sich, und hätte er nur ein einziges Gesicht finden können, in welchem sich Hohn ausgesprochen hätte, so würde er sicher alsbald mit dem Eigenthümer desselben Streit angefangen haben; da er aber überall nur auf nüchterne und hin und wieder sogar auf bedauernde Blicke traf, so setzte er sich ganz bedächtig an der Seite des Jägers nieder, steckte seine Füße in die beiden leeren Löcher des Stocks und sagte:

„Nun, laßt herab, Meister Constable; laßt herab, sag' ich Euch! Wenn es hier herum so eine Art von Mann gibt, der einen Bären zu sehen wünscht, so soll er herkommen: der Teufel hole ihn, er wird deren zwei finden, und darunter vielleicht einen, der eben so gut beißen kann, als brummen.“

„Aber ich habe keinen Befehl, Euch in den Stock zu sperren, Herr Pump,“ rief der Constable. „Geht heraus, und hindert mich nicht an meiner Pflicht.“

„So erhaltet Ihr jetzt meinen Befehl, und was habt Ihr Euch weiter um meine Füße zu bekümmern? Schließt den Deckel zu, sage ich, und laßt mich den Mann sehen, der das Maul darüber verzieht?“

„Nun, es geschiet Niemand ein Leides damit, wenn man einen Menschen einsperrt, der selber in den Pferch will,“ entgegnete der Constable lachend, und schloß den Stock über Beiden.

Es war ein Glück, daß dieß schnell ausgeführt wurde, denn als die Gesammtmasse der Zuschauer Benjamin in seiner neuen Lage erblickte, zeigte sich unter ihr eine Neigung zur Heiterkeit, welche nur wenige zu unterdrücken der Mühe werth achteten. Der Hausmeister kämpfte sich gewaltig ab, seine Freiheit wieder zu erlangen, augenscheinlich in der Absicht, mit den zunächst Stehenden einen Kampf zu beginnen; der Schlüssel war aber bereits umgedreht und daher alle seine Anstrengungen vergeblich.

„Hört, Meister Constable,“ rief er; „thut mir Eure Fußschellen für einen Augenblick auf, damit ich diesen Hallunken zeigen kann, weres ist, über den sie sich lustig machen.“

„Nein, nein, Ihr wollet hinein, und so müßt Ihr ausharren,“ entgegnete der Gerichtsdiener, „bis die Zeit um ist, welche der Richter für den Gefangenen bestimmt hat.“

Als Benjamin fand, daß sein Sträuben und seine Drohungen nichts fruchteten, so bewies er Verstand genug, sich die Ergebung seines Gefährten zum Muster dienen zu lassen, weßhalb er sich an Natty's Seite ganz ruhig verhielt, obgleich er nicht umhin konnte, inseine harten Züge einen Ausdruck von Verachtung zu legen, welcher zeigte, daß sein Zorn einem andern Gefühle gewichen war. Sobald sich die ungestüme Aufregung des Hausmeisters einigermaßen gelegt hatte, wandte er sich an seinen Mitgefangenen, und mit einer Theilnahme, welche recht wohl mit einer schlimmeren Ausführung versöhnen konnte, versuchte er sich in dem menschenfreundlichen Amte des Trösters.

„Im Grund genommen hat die Sache nicht viel auf sich, Meister Bumppo,“ sagte er. „Ich habe an Bord der Boadishey ganz prächtige Leute mit den Fersen fest liegen sehen, und zwar für weiter nichts, als weil sie vielleicht vergessen hatten, daß sie ihre Portion schon getrunken hatten, als ihnen ein Glas Grog in den Weg kam. Die Sache kömmt mir nicht anders vor, als wenn man vor zwei Ankern reitet und in einem stillen Wasser, wo man noch Raum genug hat, die Klüsen zu fegen, auf das Eintreten der Fluth oder auf günstigen Wind warzet. Ich habe, wie gesagt, manchen Mann um einen solchen Rechnungsfehler an Bug und Stern vor Anker liegen sehen, wo er nicht einmal seine Breitseite umdrehen konnte, und vielleicht noch obendrein mit einem Stopfer vor der Zunge in der Form eines quer unter der Nase weggezogenen Pumpstocks, ganz wie eine Backspier längs dem Geländer des Hackebords.“

Der Jäger wußte augenscheinlich seinem Gefährten Dank für die freundliche Absicht, obgleich er dessen Worte nicht verstand; er versuchte daher zu lächeln, erhob sein demüthiges Antlitz und fragte:

„Wie?“

„Ich sage, es ist weiter nichts als eine kleine Bö, die bald ausgeblasen hat,“ fuhr Benjamin fort. „Eurem langen Kiele muß es ohnehin nichts ausmachen, obgleich sie, bei meinem etwas ziemlich kurzen Untergebälk, meine Hielung in einer Weise aufgehohlt haben, daß das Fahrzeug ziemlich schräg steht. Aber was kümmere ich mich darum, Meister Bumppo, ob das Schiff ein bischen am Anker zerrt? Es ist ja nur für eine Hundewache, und hole mich der Teufel, wenn es nicht mit Euch segelt, sobald Ihr nach den besagten Bibern kreuzt. Ich verstehe mich nicht sonderlich auf das kleine Gewehr, da ich etwas zu niedrig aufgetackelt bin, um über die Hängematte wegzusehen, und nur bei der Munitionskammer angestellt war; aber seht, ich kann das Wild tragen und auch vielleicht bei den Schlingen Hand anlegen; und wenn Ihr Euch nur halbwegs so auf Euer Geschäft versteht, wie auf die Führung der Bootshacken, so wird unsere Kreuzfahrt bald vorüber seyn. Ich habe diesen Morgen mit Squire Dickens die Raaen ins Kreuz gebracht und will ihm sagen lassen, daß er meinen Namen aus den Büchern ausstreichen soll, bis unser Kreuzen vorüber ist.“

„Ihr seyd an den Aufenthalt unter Menschen gewöhnt, Benny,“ sagte Lederstrumpf traurig, „und das Leben in den Wäldern würde Euch schwer ankommen, wenn — —“

„Nicht im Geringsten — nicht im Geringsten!“ rief der Hausmeister. „Ich bin keiner von jenen Schönwetter-Kunden, Meister Bumppo, die bloß im glatten Wasser fahren. Wenn ich einen Freund finde, seht Ihr, so bleibe ich bei ihm liegen. So gibt es zum Beispiel keinen besseren Mann, als Squire Dickens, und ich halte eben so viel auf ihn, als auf Frau Hollisters neues Jamaicatönnchen —“

Der Hausmeister hielt inne, wandte sein unschönes Gesicht dem Jäger zu, betrachtete denselben mit einem schmeichelnden Blinzeln und verzog die Muskeln seiner harten Züge zu einem freundlichen Grinsen, bis die weißen Zähne zum Vorschein kamen, worauf er leiser beifügte —

„Ich sage Euch, Meister Lederstrumpf, er ist frischer und lieblicher, als der Holländer, den sie von Guernsey heraufbringen. Aber wir wollen hinüberschicken und bei dem Weibsbild ein Schlücklein holen lassen, denn ich fühle mich in diesen Strümpfen so beengt, daß ich glaube, es ist Etwas nöthig, um in meinem Obergestelle einzuheizen.“

Natty seufzte und sah auf die Menge, welche sich allmählig zu zerstreuen begann und bereits sehr abgenommen hatte, da die Uebrigen ihren Geschäften nachgegangen waren. Er warf Benjamin einen ernsten Blick zu, ohne etwas zu erwiedern; eine tiefwurzelnde Beklommenheit schien jedes andere Gefühl aufzuzehren und ein schwermüthiges Düster über seine Züge zu werfen, in denen sich der innere Kampf des Mannes aussprach.

Der Hausmeister war geneigt, dem alten Grundsatze zufolge Natty's Schweigen als Zustimmung zu betrachten und demgemäß zu handeln, als Hiram Doolittle, von Jotham begleitet, aus dem Haufen auftauchte und quer über den freien Platz ging. Die Magistratsperson näherte sich dem Ende des Stocks, wo Benjamin saß, und pflanzte sich in sicherer Entfernung dem Angesichte Lederstrumpf's gegenüber auf. Die scharfen Blicke, welche Natty nach Hiram schoß, schienen den Ehrenmann für einen Augenblick einzuschüchtern und in eine Berlegenheit zu setzen, die ihm sonst fremd war. Als er sich jedoch einigermaßen gesammelt hatte, sah er nach dem Himmel auf, und dann nach der dunstigen Atmosphäre, worauf er, als sey er nur zufällig mit einem Freunde zusammen getroffen, in seiner förmlichen und zögernden Weise zu sprechen begann —