„Der Regen ist in der letzten Zeit selten gewesen; ich denke, wir werden eine lange Dürre behalten.“
Benjamin war eben mit Aufknüpfen seines Geldbeutels beschäftigt und bemerkte die Annäherung der Magistratsperson nicht, während Natty, ohne zu antworten, sein Gesicht in welchem jede Muskel Abscheu ausdrückte, abwandte. Durch diese Aeußerung des Widerwillens eher ermuthigt als eingeschüchtert fuhr Hiram nach einer kurzen Pause fort —
„Die Wolken sehen aus, als ob sie kein Wasser enthielten, und die Erde klafft in schrecklichen Spalten. So viel ich von der Sache verstehe, wird die Ernte in diesem Sommer schmal ausfallen, wenn wir nicht bald Regen bekommen.“
Die Miene, womit Herr Doolittle diese Prophezeihung gab, war von der Art, wie man sie bei einem solchen Schlag Menschen findet – jesuitisch, kalt, gefühllos, selbstsüchtig,und schien dem Manne, den er so grausam verletzt hatte, zu sagen: „ich habe mich in den Schranken des Gesetzes gehalten.“ Dieß war zu viel für den Zwang, den sich der alte Jäger bisher aufgelegt hatte, denn jetzt brach dieser in einen Glutstrom des Unwillens aus.
„Warum sollte Regen aus den Wolken fallen,“ rief er., „da Ihr Thränen preßt aus den Angen der Alten, Armen und Kranken? Weg mit Dir! — weiche von hinnen! Du magst nach dem Ebenbilde Gottes geschaffen seyn, aber der Satan wohnt in Deinem Herzen. Fort, sage ich, fort! Mein Herz ist voll Leides und Dein Anblick gießt Galle hinein.“
Benjamin hörte jetzt mit Geldzählen auf und erhob in demselben Augenblicke seinen Kopf. Als sich Hiram, der bei den Worten des Jägers seiner Vorsicht vergessen hatte, unglücklicher Weise in den Bereich des Hausmeisters wagte, welcher alsbald mit eherner Faust den Friedensrichter bei einem Beine faßte und denselben in die Höhe wirbelte, noch ehe er Zeit hatte, sich zu besinnen oder von den Kräften, die er wirklich besaß, Gebrauch zu machen. Benjamins Kopf, Schulter und Arme waren gehörig proportionirt, obgleich der übrige Theil seines Körpers ursprünglich für einen andern Mann berechnet zu seyn schien, und er übte seine Leibeskräfte bei dem gegenwärtigen Anlasse mit vieler Umsicht. Da er von vorn herein seinen Gegner bedeutend in Nachtheil gebracht hatte, so endigte der Kampf bald damit, daß sich die Magistratsperson in einer ähnlichen Stellung mit seiner eigenen befand, und die beiden Streiter männlich einander gegenüber saßen.
„Ihr seyd mir ein sauberer Vetter, das kann ich Euch sagen, Meister Thu-nur-wenig,“ brüllte der Hausmeister; „ja Ihr seyd mir ein sauberer Vetter. Ich kenne Euch wohl, Ihr mit Euren Gutwettersprüchen in's Angesicht des Squire Dickens, während Ihr ihm nur den Rücken kehrt, um bei allen alten Weibern des Fleckens über ihn zu raisonniren. Ist es nicht genug für einen Christenmenschen, mag er auch noch so wenig Böses in seinem Herzen tragen, einen ehrlichen alten Kerl in dieser neumodischen Weise an den Fersen zu halten? Müßt Ihr auch noch an dem armen Teufel so hart vorbeischiffen, als ob Ihr ihn vor seinen Ankern in den Grund segeln wolltet? Aber ich habe manche schöne Rechnung gegen Euren Namen in's Logbuch eingetragen, Meister; und nun ist die Zeit gekommen, die Sache auf einmal mit Euch in's Reine zu bringen. Braßt Euch also, Ihr Schlingel, braßt Euch, und wir wollen sehen, wer über den andern Herr wird!“
„Jotham!“ schrie die erschreckte Magistratsperson — „Jotham! ruft die Constabeln herbei. Herr Penguillum, ich gebiete Frieden — ich befehle Euch, den Frieden zu halten.
„Es hat schon längst mehr Frieden als Liebe zwischen uns obgewaltet. Meister,“ rief der Majordomo, indem er etliche sehr unzweideutige, feindselige Demonstrationen machte. „Nehmt Euch zusammen; braßt Euch! Wie schmeckt dieses Bischen von einem Schmiedehammer?“
„Legt Hand an mich, wenn Ihr das Herz habt!“ rief Hiram, so gut es ihm unter dem Griffe, womit der Hausmeister seine Kehle umfaßte, möglich war, — „legt Hand an mich, wenn Ihr das Herz habt!“
„Wenn das kein Handanlegen ist, Meister, so weiß ich nicht was Ihr darunter versteht,“ brüllte Benjamin.
Wir sehen uns in die unangenehme Nothwendigkeit versetzt, zu berichten, daß die Handlungen des Majordomo jetzt sehr gewaltthätig wurden, denn er ließ seinen Schmiedehammer mächtig auf dem Ambose von Herrn Doolittle's Gesicht arbeiten; und der Platz wurde im Augenblick ein Schauspiel des Schreckens und der Verwirrung. Die Menge schloß einen engen Kreis um den Stock, während Einige nach dem Gerichtssaale eilten, um Lärm zu machen, und einige der Jüngern einen Wettlauf begannen, um zu sehen, wer so glücklich seyn würde, der Gattin des unglücklichen Friedensrichters zuerst die kritische Lage ihres Mannes mitzutheilen.
Benjamin arbeitete emsig und mit großer Geschicklichkeit fort, indem er die eine Hand dazu benützte, seinen Gegner aufrecht zu erhalten, während er mit der andern forthämmerte, denn er hätte es für unter seiner Würde gehalten, nach einem gefallenen Feinde einen Schlag zu führen. In Folge dieser bedächtigen Vorkehrung hatte er Mittel gefunden, Hiram's Gesicht ganz aus seiner Form zu klopfen, als es endlich Richard gelang, sich durch das Gedränge einen Weg nachdem Kampfplatz zu bahnen. Der Sheriff erklärte nachher, daß ihm, abgesehen von der Kränkung, welche ihm, als dem Bewahrer des Friedens, durch eine solche Handlung in der Grafschaft widerfahren, in seinem Leben nie Etwas so weh gethan habe, als daß er Zeuge dieses Einigkeitsbruchs zwischen seinen Günstlingen seyn mußte. Hiram war gewissermaßen seiner Eitelkeit nothwendig geworden, und den Hausmeister — so sonderbar es auch scheinen mag — liebte er wirklich. Letzteres sprach sich auch in den Worten aus, welche ihm diese Scene erstmals entlockte:
„Squire Doolittle! Squire Doolittle! muß ich mich nicht schämen, einen Mann von Eurem Amt und Charakter so weit sich vergessen zu sehen, daß er den Frieden bricht, den Gerichtshof beleidigt und den armen Benjamin in dieser Weise mißhandelt!“
Bei dem Tone von Herrn Jones' Stimme hielt der Hausmeister in seinem Geschäft inne, und ließ Hiram Gelegenheit, sein zerwettertes Gesicht dem Vermittler zuzukehren. Durch die Anwesenheit des Sheriffs ermuthigt, nahm Doolittle abermals die Zuflucht zu seinen Lungen.
„Das Gesetz muß ob dieser Verunglimpfung einschreiten!“ rief er verzweifelt; „das Gesetz soll mir Genugthuung dafür verschaffen! Ich fordere Sie auf, Herr Sheriff, diesen Mann zu ergreifen und verlange, daß Sie ihn in's Gefängniß bringen.“
Inzwischen hatte sich Richard über den wahren Thatbestand unterrichtet, weshalb er sich mit vorwurfsvollem Tone an den Hausmeister wandte:
„Benjamin,“ begann er, „wie seyd Ihr in den Stock gekommen? Ich habe immer geglaubt, Ihr wäret so mild und lenksam wie ein Lamm, und aus keinem anderen Grunde standet Ihr so hoch in meiner Achtung. Benjamin! Benjamin! Ihr habt durch dieses schamlose Benehmen nicht nur Euch selbst, sondern auch Euren Freunden Schande gemacht. Gott steh' uns bei, Herr Doolittle, es scheint, er hat Euch Euer Gesicht ganz auf die eine Seite geschlagen.“
Hiram hatte sich unterdeß auf die Beine geholfen, und sobald er sich außer dem Bereiche des Hausmeisters befand, brach er ungestüm los und erklärte, daß er Rache verlange. Die Beleidigung war zu offen vorgegangen, um ohne Beachtung bleiben zu können, und der Sheriff, eingedenk der Unpartheilichkeit, welche sein Vetter in der kürzlichen Verhandlung gegen Lederstrumpf an den Tag gelegt hatte, sah die peinliche Nothwendigkeit ein, seinen Majordomo ins Gefängniß zu stecken. Die zu Natty's öffentlicher Ausstellung im Stocke bestimmte Stunde war inzwischen abgelaufen, und als Benjamin hörte, daß sie, wenigstens für die erste Nacht, in dem gleichen Gelasse eingesperrt werden sollten, so ließ er sich die Maßregel ohne besondere Widerrede gefallen, wie er denn auch nicht einmal Bürgschaft zu leisten sich erbot, obgleich er, als ihn der Sheriff an der Spitze der ihn umgebenden Constabeln nach dem Gefängnisse führte, folgende Vorstellung laut werden ließ: