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„Vertheilt euch, Leute,“ rief er, als er an den Damen vorbei kam und seine schweren Tritte, wie die von einem ganzen Dutzend, durch die Straße hallten. „Vertheilt euch — den Bergen zu! In einer Viertelstunde haben sie das Gebirge erreicht, und dann sind sie nur noch mit der Büchse einzuholen.“

Dieser Ruf wurde von zwanzig Stimmen wiederholt, denn nicht nur das Gefängniß, sondern auch die Wirthshäuser hatten ihre Haufen entsandt, theils um im Ernste an der Verfolgung Theil zu nehmen, theils um sich an dem Vorfalle zu belustigen.

An dem Außenthore vor ihres Vaters Wohnung angelangt, bemerkte Elisabeth, daß der Holzfäller bei dem Karren Halt machte, und sie gab Benjamin verloren. Als jedoch die beiden Mädchen den Kiesweg hinaneilten, wurden sie auf einmal zweier Gestalten ansichtig, die sich vorsichtig, aber rasch unter dem Schatten der Bäume hinschlichen, und in denen sie, sobald letztere ihren Pfad kreuzten, Edwards und den Jäger erkannten.

„Miß Temple,“ rief der Jüngling, „ich werde Sie vielleicht nie wieder sehen. Erlauben Sie mir, Ihnen für alle Ihre Güte zu danken. Ach, Sie wissen nicht — Sie können unmöglich wissen, welche Beweggründe mich leiteten.“

„Flieht! Flieht,“ rief Elisabeth: — „das ganze Dorf ist in Bewegung! Man darf uns in einem solchen Augenblick und auf dieser Stelle nicht beisammen treffen.“

„Nein, ich muß sprechen, und wäre auch die Entdeckung gewiß.“

„Der Rückzug nach der Brücke ist euch bereits abgeschnitten. Noch ehe ihr den Wald erreichen könnt, sind euch die Verfolger auf den Fersen, wenn — wenn —“

„Sprechen Sie aus,“ rief der Jüngling; „Ihr Rath hat mich schon einmal gerettet, ich will ihn befolgen bis zum Tode.“

„Die Straße ist jetzt still und leer,“ fuhr Elisabeth nach einer kurzen Pause fort; „benützt den Weg nach dem See, wo ihr das Boot meines Vaters finden werdet. Von dort aus könnt ihr das Gebirge in jeder Richtung erreichen.“

„Aber Richter Temple könnte die Benützung seines Fahrzeugs übel nehmen.“

„Seine Tochter wird es zu verantworen wissen, Sir.“

Der Jüngling flüsterte noch einiges, was nur von Elisabeth gehört wurde, und wandte sich dann ab, um ihrem Rath Folge zu leisten. Als sie im Begriffe waren, sich zu trennen, näherte sich Natty den Frauenzimmern und sprach:

„Vergeßt mir die Pulverbüchse nicht, Kinder. Ich und die Hunde werden alt, und so bedarf ich der besten Munition für die Biber, welche ich zu schießen habe.“

„Kommt, Natty,“ rief Edwards ungeduldig.

„Ich komme schon, Junge; ich komme schon. Gott segne euch beide, denn ihr meint es gut mit einem alten Mann.“

Die Damen blieben stehen, bis sie die sich entfernenden Gestalten aus dem Gesichte verloren hatten, und begaben sich sodann unmittelbar in das Herrenhaus.

Während diese Scene hatte Kirby den Karren eingeholt; es war sein eigener, der von Edwards ohne die Erlaubnis des Besitzers von dem Platze, wo die geduldigen Ochsen gewöhnlich Abends standen und der Befehle ihres Herren harrten — weggetrieben worden war.

„Ei der tausend — mein Vieh!“ rief er. „Wie kommt ihr von dem Ende der Brücke, wo ich euch gelassen habe, hieher, ihr dummen Bestien?“

„Vorwärts!“ brummte Benjamin, indem er auf's Gerathewohl mit der Geißel ausholte und dabei die Schulter des Anderen traf.

„Wer zum Teufel seyd Ihr?“ rief Billy, indem er sich überrascht umwandte, aber nicht im Stande war, in der Dunkelheit das derbe Gesicht zu erkennen, welches über die Seitenleitern des Karrens heraussah.

„wer ich bin? Ich bin der Steuermann dieses Fahrzeugs, wie Ihr seht, und lasse ein hübsches Kielwasser hinter mir. Ja, ja, komme von der Brücke her und habe die hölzernen Strümpfe umsegelt. Das nenne ich schöne Steuermannsarbeit, Junge. Vorwärts!“

„Laßt Eure Peitsche ruhen, Herr Benny Pump,“ sagte der Holzfäller, „oder ich will Euch die Fläche meiner Hand zeigen und Eure Ohren damit bearbeiten. Wo wollt Ihr hin mit meinem Gespann?“

„Gespann?“

„Ja, mit meinem Karren und mit meinen Ochsen.“

Ei, Ihr müßt wissen, Meister Kirby, daß Lederstrumpf und ich — das heißt Benny Pump — Ihr kennt Benn? — wohl, Benny und ich — nein, ich und Benny; hol' mich der Teufel, wenn ich weiß, wie es ist, aber einer von uns soll nach einer Ladung von Biberhäuten ausfahren, seht Ihr, und so haben wir den Karren gepreßt, um sie heimzuschiffen. Ich sage Euch, Meister Kirby, Ihr führt ein erbärmliches Ruder — Ihr handhabt ein Ruder, Junge, fast wie eine Kuh eine Muskete, oder wie ein Frauenzimmer einen Merlpfriem.“

Billy war über den Zustand des Hausmeisters bald im Klaren, und ging eine Weile nachsinnend neben dem Karren her, worauf er Benjamin, der auf das Heu zurückfiel und bald eingeschlafen war, die Geißel aus der Hand nahm, und sein Vieh die Straße hinab über die Brücke nach einer Lichtung im Gebirge trieb, wo er des nächsten Tages arbeiten sollte, ohne auf seinem Wege durch etwas Anderes als durch einige hastige Fragen von Seiten der hin und herziehenden Constablen unterbrochen zu werden.

Elisabeth stand wohl eine Stunde an dem Fenster ihres Zimmers, wo sie die Fackeln der Nachsetzenden an den Seiten des Gebirges hinziehen sah und das Rufen und den Lärm der Verfolger hörte. Nach Abfluß dieser Zeit kehrte jedoch die letzte Abtheilung, müde und ohne etwas ausgerichtet zu haben, zurück, und das Dorf wurde wieder so ruhig, als es bei ihrem Gang nach dem Gefängnisse gewesen war.

Sechsunddreißigtes Kapitel.

„Ich könnte weinen —“ sang in wildem Ton

Der Häuptling der Oneidas — „doch der Sohn

Des tapfern Vaters darf die Todtenklage

Nicht so entweihn, wie sehr der Schmerz auch nage.“

Gertrude v. Wyoming.

Des andern Morgens in aller Frühe begaben sich Elisabeth und Luise besprochener Maßen nach Monsieur Le Quoi's Laden, um sich der gegen Lederstrumpf eingegangenen Verpflichtung zu entledigen. Die Leute gingen bereits an die Geschäfte des Tages, obschon es noch zu frühe für ein eigentliches Gedränge war, weßhalb die Damen in dem Laden Niemand als den höflichen Franzosen, Billy Kirby, einen weiblichen Kunden und den Jungen vorfanden, welcher das Amt eines Helfers oder Commis versah.

Monsieur Le Quoi's durchlas eben mit augenscheinlichem Entzücken ein Packet Briefe, während der Holzfäller, die eine Hand in seiner Brust, die andere in der Tasche seiner Jacke, mit einer Art unter dem rechten Arme dastand und mit gutmüthiger Theilnahme den freudigen Bewegungen des Franzosen zusah. Das freimüthige Benehmen, welches in den neuen Ansiedelungen herrschte, glich gemeiniglich alle Rangunterschiede, und damit auch häufig die Ansprüche der Erziehung und des überlegenen Wissens aus. Die Damen traten, von dem Eigenthümer des Etablissements unbemerkt, ein, als dieser eben zu Kirby sagte

„Ah, Monsieur Bihl, diese Brief machen mich zu der glücklichste Mensch. A! Ma chère France! Ich werden Dich wiedersehen.“

„Ich nehme Antheil an allem, Monsieur, was zu Ihrem Glücke beiträgt,“ begann Elisabeth, „hoffe übrigens, daß wir Sie nicht ganz verlieren werden.“

Der höfliche Kaufmann erzählte nun Elisabeth schnell in französischer Sprache, daß er Hoffnung habe, in sein Vaterland zurückkehren zu dürfen. Die Gewohnheit hatte jedoch die Manieren dieses schmiegsamen Mannes so weit verändert, daß er fortfuhr, den Holzfäller zu bedienen, welcher etwas Taback begehrte, während er den Frauenzimmern mittheilte, welcher glückliche Wechsel in dem Charakter seiner Landsleute stattgefunden hätte.

Der Inhalt seines Berichtes lief darauf hinaus, daß Herr Le Quoi's, der mehr aus Schrecken, als weil er den Gewalthabern von Frankreich verdächtig geworden, sein Vaterland verlassen, endlich eine Zusicherung erwirkt hatte, daß man von seiner Rückkehr nach Westindien keine Notiz nehmen würde, und der Franzose, welcher sich mit so viel Ergebung in die Rolle eines Landkrämers gefügt hatte, war nun im Begriffe, aus seiner Dunkelheit wieder zu der Höhe, welche er früher in der Gesellschaft eingenommen, aufzutauchen.