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„John! würdiger John! wie geht es Euch?“ begann Elisabeth, als sie näher trat. „Ihr seyd in dem Dorfe recht fremd geworden. Ihr habt mir einen Weidenkorb versprochen, für den ich Euch schon seit langer Zeit ein Kattunhemd bereit halte.“

Der Indianer sah das Mädchen eine Weile starr an, ohne zu antworten, dann schüttelte er den Kopf und erwiederte in tiefen Kehllauten —

„John's Hand kann keine Körbe mehr machen; er braucht kein Hemd.“

„Wenn er's aber braucht, so weiß er, wo eines zu finden is,.“ versetzte Miß Temple. „In der That, alter John, es ist mir, als hättet Ihr ein natürliches Recht, von uns zu fordern, was Ihr nur immer wünscht.“

„Tochter,“ entgegnete der Indianer, „höre mich: — Sechs Mal zehn heiße Sommer sind vorüber gegangen, seit John jung war — schlank wie eine Fichte, gerade wie Hawk-eye's Kugel, stark wie ein Büffel und schnell wie die Pantherkatze. Er war stark und ein Krieger, wie der junge Adler. Wenn sein Stamm mehrere Sonnen die Fährte der Maquas verfolgte, so fand Chingachgook's Auge den Eindruck ihrer Mokassins. Wenn das Volk ein Fest feierte und sich freute bei dem Zählen der Scalpe seiner Feinde, so hingen sie an dem Gürtel der großen Schlange. Wenn die Weiber weinten, weil kein Fleisch da war für ihre Kinder, so war er der Erste auf der Jagd, seine Kugel war schneller, als der Hirsch. — Tochter, damals schlug Chingachgook seinen Tomahawk in die Bäume, um den Trägen anzudeuten, wo sie ihn und die Mingos finden konnten — aber er machte keine Körbe.“

„Jene Zeiten sind vorbei, alter Krieger,“ entgegnete Elisabeth. „Euer Volk ist seitdem verschwunden, und statt Eure Feinde zu jagen, habt Ihr gelernt, Gott zu fürchten und in Frieden zu leben.“

„Tritt hierher, Tochter, wo Du den großen Quell, die Wigwams Deines Vaters und das Land an dem gekrümmten Flusse sehen kannst. John war jung, als sein Stamm die Strecke von dort an, wo der blaue Berg über dem Wasser steht, bis dahin wo sich der Susquehanna unter den Bäumen verbirgt, in der Berathung wegschenkte. Dieses alles — sammt allem, was darauf wächst, was darüber geht und was sich darauf nährt, gaben sie dem Feueresser — denn sie liebten ihn. Er war stark und sie waren Weiber; er half ihnen. Kein Delaware schoß einen Hirsch, der in seinen Wäldern lief, oder fing einen Vogel, der über sein Land flog, denn sie gehörten sein. Hat John im Frieden gelebt? Tochter, seit John jung war, hat er den weißen Mann von Frontenak herab kommen sehen, bis nach Albany, um mit seinen weißen Brüdern zu kämpfen. War das Gottesfurcht? Er hat gesehen, wie seine englischen und amerikanischen Väter um dieses Landes willen die Tomahawks gegenseitig in ihren Gehirnen begruben. Heißt das Gott fürchten und in Frieden leben? Er hat gesehen wie das Land dem Feueresser und seinen Kindern und dem Kinde seines Kindes entrissen und ein neuer Häuptling über das Land gesetzt wurde. Lebten sie, die das thaten, im Frieden? Haben sie gott gefürchtet?“

„das ist so der Brauch der weißen, John. Kämpfen die Delawaren nicht auch, und tauschen sie nicht ihr Land aus für Pulver, Decken und andere Waaren?“

Der Indianer wendete aufs Neue seine dunkeln Augen auf seine Gefährtin und ließ sie so spähend auf ihr haften, daß sie sich etwas beunruhigt fühlte.

„Wo sind die Decken und Waaren, welche das Recht des Feueressers abkauften?“ versetzte er mit wärmerem Tone; „Sind sie bei ihm in seinem Wigwam? Hat man zu ihm gesagt: ,Bruder, verkaufe uns Dein Land und nimm dieses Gold, dieses Silber, diese Decken, diese Büchsen oder etwa diesen Rum‘ Nein! sie entrissen es ihm, wie man einem Feinde den Scalp entreißt; und sie thaten es, ohne hinter sich zu sehen, ob er lebte oder starb. Leben solche Menschen im Frieden und fürchten sie den großen Geist?“

„Ihr versteht die Verhältnisse nicht,“ erwiederte Elisabeth, verlegener, als sie sogar sich selbst zugestehen mochte. „Wenn Ihr unsere Gesetze und Gebräuche besser kenntet, so würdet Ihr ganz anders von unsern Handlungen urtheilen. Glaubt nichts Schlimmes von meinem Vater, Mohegan, denn er ist gerecht und gut.“

„Der Bruder von Miquon ist gut und will das Rechte. Ich habe es dem jungen Adler gesagt, daß der Bruder von Miquon Gerechtigkeit üben wird.“

„Wen nennt Ihr den jungen Adler?“ versetzte Elisabeth, ihr Antlitz von dem Gesichte des Indianers abwendend, als sie diese Frage stellte; „woher kömmt er und worauf gründen sich seine Rechte?

„Hat meine Tochter so lange mit ihm unter einem Dache gelebt, um dieß zu fragen?“ entgegnete der Indianer behutsam. „Das Alter macht das Blut erstarren, wie die Winterfröste die große Quelle bedecken; aber die Jugend erhält die Ströme des Bluts offen, wie die Sonne zur Zeit der Blüthen. Der junge Adler hat Augen; hatte er keine Zunge?“

Die Hindeutung des alten Kriegers auf die Liebenswürdigkeit des Jünglings verlor nichts von ihrem Nachdruck durch diese bildliche Sprache, denn die Jungfrau bedeckte das brennende Roth ihrer Wangen mit den Händen, bis ihre dunklen Augen diese Glut wiederzustrahlen schienen; aber nach einem kurzen Kampfe mit der Scham lächelte sie, als sey sie nicht geneigt, seinen Worten eine ernste Bedeutung zu unterlegen, und erwiederte scherzend —

„Wenigstens nicht, um mich zur Herrin seiner Geheimnisse zu machen. Er ist zu sehr Delaware, um seine innersten Gedanken einem Weibe anzuvertrauen.“

„Tochter, der große Geist machte Deinen Vater mit einer weißen Haut und mich mit einer rothen, aber in unserer beider Herzen hat er Blut gegossen: es floß schnell und warm, als es jung war, aber jetzt, im Alter, ist es träge und kalt. Giebt es außer der Haut noch eine Verschiedenheit? Nein. Einst hatte John ein Weib. Sie war die Mutter von so viel Söhnen“ — er hob dabei drei Finger seiner Hand in die Höhe — „und sie hatte Töchter, welche die jungen Delawaren glücklich gemacht haben würden. Sie war sanft, Tochter, und was ich ihr sagte, das that sie. Ihr habt andere Gebräuche; aber glaubst Du wohl, daß John das Weib seiner Jugend — die Mutter seiner Kinder nicht liebte?“

„Und was ist aus Eurer Familie, Eurem Weibe und Euren Kindern geworden, John?“ fragte Elisabeth, tief ergriffen von den Worten des Indianers.

„Wo ist das Eis hingekommen, das den großen Quell bedeckte? Es ist zerschmolzen und zu Wasser geworden. John hat gelebt, bis sein ganzes Volk hingegangen war in das Land der Geister; seine Zeit ist gekommen und er ist bereit.“

Mohegan ließ den Kopf auf seine Decke sinken und verstummte. Miß Temple wußte nicht, was sie sagen sollte. Sie wünschte die trüben Gedanken des alten Kriegers zu zerstreuen; aber sowohl in seinem Kummer, als in seiner Entschiedenheit lag eine solche Würde, daß sie nicht zu sprechen wagte. Nach einer langen Pause begann sie jedoch das Gespräch auf's Neue, indem sie fragte —

„Wo ist Lederstrumpf, John? Seinem Wunsche gemäß habe ich diese Büchse Pulver hergebracht, aber er läßt sich nirgends blicken. Wollt Ihr sie in Verwahrung nehmen und darauf bedacht sein, daß sie abgeliefert wird?“

Der Indianer erhob langsam seinen Kopf und sah mit ernstem Blicke auf die Gabe, welche sie in seine Hand legte.

„Dieß ist der große Feind meiner Nation. Wann hätten die Weißen ohne ihn je die Delawaren vertreiben können? Tochter, der große Geist hat Eure Väter gelehrt, Gewehre und Pulver zu machen, um die Indianer damit aus ihrem Lande zu vertilgen; und bald wird keine Rothhaut mehr in diesen Bezirken weilen. Wenn John dahin geht, so verläßt die letzte diese Berge, und seine Familie ist ausgestorben.“