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Der alte Krieger streckte seinen Körper vorwärts, legte einen Ellenbogen auf sein Knie und schien Abschied zu nehmen von den Gegenständen des Thales, welche noch durch die dunstige Atmosphäre sichtbar waren, obgleich sich die Luft mit jedem Augenblick um Miß Temple zu verdicken schien, wie sie denn auch fühlte, daß ihr das Athmen immer schwerer wurde. Das Auge Mohegans veränderte allmählig den Ausdruck des Schmerzes zu einem wilden Blicke, den man beinahe für den der Begeisterung eines Sehers hätte halten können, als er fortfuhr —

„Aber er wird gehen zu dem Lande, wo seine Väter weilen. Das Wild wird in eben so großer Menge da sein, wie der Fisch in den Seen. Kein Weib wird um Nahrung weinen und kein Mingo je dahin kommen. Die Kinder werden jagen und alle gerechten rothen Männer wie Brüder zusammen leben.“

“John, das ist nicht der Himmel eines Christen!“ rief Miß Temple. „Ihr sinkt zurück in den Aberglauben Eurer Vorfahren.“

„Väter! Söhne!“ sprach Mohegan mit Festigkeit — „alle dahin! — alle dahin! — Ich habe keinen Sohn als den jungen Adler, und in seinen Adern fließt das Blut eines weißen Mannes.“

„Sagt mir, John,“ entgegnete Elisabeth, die seine Gedanken auf andere Gegenstände zu lenken wünschte, indem sie zugleich der Macht der Neugierde nachgab; „wer ist dieser Herr Edwards? Warum liebt Ihr ihn so, und woher kömmt er?“

Der Indianer fuhr bei dieser Frage, welche augenscheinlich seine Gedanken nach der Erde zurückführte, zusammen. Er ergriff die Hand des Mädchens, zog sie an seiner Seite nieder und deutete auf das Land unter ihnen.

„Sieh, Tochter,“ sagte er, ihre Blicke gen Norden lenkend; „so weit Dein junges Auge sehen kann, war es das Land seines — —“

In diesem Augenblicke rollten ungeheure Rauchmassen über ihren Köpfen weg und verhüllten in kreiselnden Wirbeln die Aussicht nach dem Gebirge.— Erschrocken ob dieser Erscheinung sprang Miß Temple auf ihre Füße, und wandte ihre Augen nach dem Gipfel des Berges, den sie gleichfalls mit einer dichten Rauchwolke bedeckt sah, während sich ein heulender Ton, ähnlich dem Brausen des Windes, in dem Forst über ihr vernehmen ließ.

„Was bedeutet das, John?“ rief sie. „Wir sind von Rauch eingehüllt, und ich fühle eine Hitze, ähnlich der Glut eines Ofens.“

Ehe der Indianer antworten konnte, ließ sich das Rufen einer Stimme durch die Wälder vernehmen.

„John! Wo bist Du, alter Mohegan? Der Wald steht in Feuer, und Du hast nur noch eine Minute Zeit zur Flucht!“

Der Häuptling legte die Hand vor seinen Mund, und brachte mit den Lippen denselben Ton hervor, welcher Elisabeth nach der Stelle gelockt hatte, als plötzlich ein schneller hastiger Schritt durch das Gebüsch und Unterholz rauschte und unmittelbar darauf Edwards mit entsetzten Zügen an ihre Seite trat.

Siebenunddreißigstes Kapitel.

Die Liebe herrscht ob Hof und Feld und Hain.

Lied des letzten Minstrels.

„Es wäre in der That traurig gewesen, Dich auf eine solche Weise zu verlieren, mein alter Freund,“ rief Oliver, so bald er so weit zu Athem gekommen war, um sprechen zu können. „Auf und fort! Vielleicht ist es jetzt schon zu spät. Die Flammen ziehen sich im Kreise um die Felsenspitze, und wenn wir hier nicht durchkönnen, bleibt uns kein anderer Ausweg als über den Absturz hinunter. Auf! Auf! Schüttle Deine Schlaffheit ab, John. Der Augenblick ist drängend.“

Mohegan deutete auf Elisabeth, welche, sobald sie die Töne von Edwards Stimme erkannt, der Gefahr vergessend sich hinter einen Felsenvorsprung zurückgezogen hatte, und sprach mit neu erwachendem Leben —

„Rette sie — laß John sterben.“

„Sie? wen meinst Du? rief der Jüngling, indem er sich rasch nach der von dem Indianer angedeuteten Stelle umwandte; — als er aber Elisabeths Gestalt sah, in deren Haltung sich sowohl der Schreck als auch ein Mißbehagen ausdrückte, mit dem jungen Manne an einem solchen Orte zusammen zu treffen, fühlte er sich vor Entsetzen fast der Sprache beraubt.

„Miß Temple!“ rief er, als er wieder Worte fand; „Sie hier? Ach, daß Ihnen ein solcher Tod vorbehalten seyn mußte!“

„Nein, nein, nein — kein Tod, hoffe ich, für irgend Jemand von uns, Herr Edwards,“ versetzte sie, indem sie sich bemühte, ruhig zu sprechen. „Es ist nur Rauch vorhanden, kein Feuer, das uns beschädigen könnte. Versuchen wir`s, zu fliehen.“

„Nehmen sie meinen Arm,“ entgegnete Edwards; „es muß irgendwo noch eine Lücke seyn, um uns durchzuhelfen. Aber sind Sie auch der Anstrengung gewachsen?“

„Gewiß. Doch ich glaube nicht, daß die Gefahr so groß ist, Herr Edwards. Führen Sie mich nach der Richtung, wo sie herkamen.“

„Ich will — ich will,“ rief der Jüngling mit einer Art verzweifelter Entschlossenheit. „Ja, ja — dort ist keine Gefahr, ich habe Sie unnöthig beunruhigt.“

„Aber sollen wir den Indianer verlassen? — Können wir ihn, wie er sagt, sterben lassen?“

Ein Ausdruck schmerzlicher Erregung flog über das Gesicht des jungen Mannes; er hielt an und warf einen wehmüthigen Blick auf Mohegan zurück, ohne jedoch seine Gefährtin loszulassen, die er mit gewaltigen Schritten vorwärts zog, um in der Richtung, in welcher er hergekommen, einen Weg durch den Flammenkreis zu suchen.

„Nehmen Sie keine Rücksicht auf ihn,“ sprach er mit der Ruhe der Verzweiflung: „er ist an die Wälder und an solche Scenen gewöhnt, und entkömmt vielleicht auf den Berg — über den Felsen — oder bleibt auch wohl, wo er ist, ohne daß seine Sicherheit gefährdet würde.“

„Sie waren eben erst noch anderer Ansicht, Edwards! — Lassen Sie ihn nicht dort, um eines solchen Todes zu sterben,“ rief Elisabeth und heftete dabei auf das Antlitz des Jünglings einen Blick, welcher die Gesundheit der Sinne ihres Führers zu bezweifeln schien.

„Ein Indianer und verbrennen! Wer hat je gehört, daß ein Indianer im Feuer gestorben wäre? Ein Indianer kann nicht verbrennen — der Gedanke ist lächerlich. Eilen Sie, eilen Sie, Miß Temple — der Rauch könnte Ihnen gefährlich werden.“

„Edwards! Ihr Blick — Ihr Auge erschreckt mich! Sagen Sie mir aufrichtig, ist die Gefahr größer, als sie scheint? Und wenn es das Aeußerste wäre — ich bin darauf gefaßt.“

„Wenn wir jene Felsenspitze erreichen können, ehe sich die Feuermasse ihrer bemächtigt, so sind wir geborgen, Miß Temple!“ rief der junge Mann mit einer Stimme, welche alle Schranken seiner erzwungenen Fassung niederbrach. „Fliehen Sie, was Sie können — es gilt Ihr Leben!“

Der Ort, wo Miß Temple den Indianer getroffen, war, wie bereits gesagt, eine jener Felsenplateformen, welche in den Gebirgen dieser Gegend eine Art von Terrassen formiren und nach vorn tief und senkrecht abschießen. Sie bildete nahezu einen natürlichen Kreisbogen, dessen Enden sich in weniger steilen Ansteigungen mit dem Gebirge vereinigten. Ueber eine derselben war Edwards herabgekommen und eben dahin drängte er Elisabeth mit verzweifelter Hast zurück.

Ungeheure Wolken weißen Rauches umlagerten die Spitze des Berges und verbargen das Umsichgreifen des wüthenden Elements; aber ein prasselnder Ton zog die Augen der an Edwards Seite über den Grund hinfliehenden Miß Temple gegen die Grenzen des Raumes, wo sie bereits die wehenden Flammen dem Dunstgewölke voran schießen sah, bald hoch in die Luft auflodernd, bald wieder zur Erde sinkend, wo sie jeden Strunk und jedes Gesträuch, das ihrem glühenden Hauche nahe kam, zu verzehren schienen. Dieser Anblick steigerte die beiden Flüchtlinge zu gedoppelter Kraftanstrengung; aber unglücklicher Weise lag ein Haufen alter dürrer Baumwipfel quer über ihrem Wege, und in demselben Augenblicke, als sie sich schon gerettet glaubten, warfen die warmen Luftströmungen eine doppelte Flammenzunge nach dem Holzstoße, welcher im Augenblicke der Berührung auch Feuer fing, und als sie den Ort erreichten, fanden sie sich den Weg durch eine prasselnde Lohe, ähnlich der in einem hell auflodernden Ofen, versperrt. Sie bebten zurück und flüchteten sich nach einer Felsenspitze, von wo aus sie betäubt in die Flammen blickten, welche rasch weiter griffen und bald die ganze Seite des Berges in ein wogendes Feuermeer verwandelten. Elisabeth's leichter und luftiger Anzug machte es sogar gefährlich, sich nur in die Nähe des wüthenden Elements zu wagen, und dieselben fliegenden Gewänder, welche ihrer Gestalt so viel Weichheit und Anmuth verliehen, schienen nun bestimmt zu seyn, die Werkzeuge ihrer Vernichtung zu werden.