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„Verkaufe meinetwegen, was Du willst. Dick,“ unterbrach ihn die frohe Stimme des Richters, „wenn Du mir nur meine Tochter und meine Ländereien lässest. Ah, Fritz, Du alter Freund, ich weiß die Ehre zu schätzen, wenn Du, ein Siebenziger, einem Fünfundvierziger entgegen gehst. Monsieur Le Quoi. Ihr gehorsamster Diener. Herr Grant“ — er lüpfte dabei seine Mütze — „ich fühle mich Ihnen sehr verbunden für Ihre Aufmerksamkeit. Meine Herrn, ich habe die Ehre, Ihnen meine Tochter vorzustellen. Ihre Namen sind ihr bereits hinreichend bekannt.“

„Willkommen, willkommen. Richter,“ sagte der Aeltere von der Gesellschaft mit auffallend deutschem Accent. „Miß Betty wird mir doch einen Kuß erlauben?“

„Mit tausend Freuden, mein guter Sir,“ rief die weiche Stimme des Mädchens, die in der reinen Luft der Berge, trotz Richards lautem Schreien, wie ein Silberglöckchen tönte. „Ich habe immer einen Kuß für meinen alten Freund, Major Hartmann.“

Inzwischen hatte sich der Herr auf dem Vordersitze, der von Marmaduke als Monsieur Le Quoi angeredet worden, nicht ohne Mühe und unter Beihilfe des Bockes, auf den er seine Hand stützte, sammt seiner Masse von Unterkleidern in dem Sleigh aufgerichtet und lüpfte nun mit einer höflichen Verbeugung gegen den Richter und einer tiefen gegen Elisabeth die Mütze.

„Bedecke Deinen Schädel, Franzmann, bedecke Deinen Schädel,“ rief der Rossebändiger, der Niemand anders als Herr Richard Jones war; „bedecke Deinen Schädel, sonst erfrieren Dir die Paar Locken, die noch auf demselben vegetiren. Wäre Absalon's Kopf so dünn mit Haaren besäet gewesen, wie der Deinige, so könnte er heutigen Tages noch leben.“

Richard's Scherze verfehlten nie, ein Gelächter zu veranlassen, denn gewöhnlich erwies er schon in eigener Person seinem Witze diese Ehre, und auch diesmal begleitete er seine Worte mit einem herzlichen Lachen, während Monsieur Le Quoi mit einer höflichen Erwiederung dieses Heiterkeitsausbruches seinen früheren Platz einnahm. Der Geistliche, denn ein solcher war das als Herr Grant bezeichnete Glied der Gesellschaft, begrüßte die Ankömmlinge gleichfalls, zwar bescheiden, aber herzlich, und Richard schickte sich nun an, die Köpfe seiner Pferde der Heimath zuzuwenden.

Nur der Steinbruch setzte ihn in den Stand, diese Bewegung auszuführen, ohne daß er ganz den Berg hinanfahren mußte. Eine sehr beträchtliche Eintiefung, die an jenem Theile des Berges lag, wo Richard die Gespanne hatte Halt machen lassen und von wo aus die Bauten des Dorfes gewöhnlich mit dem nöthigen Gestein versehen wurden, diente zur Ausführung dieses Versuches, welcher jedoch nicht ganz so leicht und des engen Pfades wegen mit einiger Gefahr verbunden war, um so mehr, da Richard mit Vieren umzuwenden hatte. Der Neger bot daher seine Dienste an, um die Vorderpferde auszuspannen — eine Maßregel, die von dem Richter sehr ernstlich unterstützt, von Richard aber mit großer Verachtung abgelehnt wurde.

„Warum und weßwegen, Vetter 'Duke?“ rief er etwas unmuthig. „Die Pferde sind so sanft wie die Lämmer. Du weißt ja, daß ich die Vordern selbst eingefahren habe, und die an der Deichsel sind meiner Peitsche zu nahe, um nicht bewältigt werden zu können, Frage nur den Monsieur Le Quoi, der doch etwas vom Kutschiren verstehen muß, weil er so oft mit mit gefahren ist; er soll sagen, ob auch nur die mindeste Gefahr zu befürchten ist.“

Es lag nicht in der Natur des Franzosen, so zuversichtlich ausgesprochene Erwartungen zu täuschen, obgleich er, als Richard mit den Grauschimmeln nach dem Steinbruch einlenkte, mit ein Paar Augen, welche ihm wie die eines Hummers aus dem Gesichte hervorstanden, in den vor ihm liegenden Abgrund hinunterblickte. Die Gesichtsmuskeln des Deutschen blieben ruhig, aber sein rascher Blick bewachte jede Bewegung. Herr Grant stemmte seine Hände an die Wände des Sleighs, um sich für den Sprung bereit zu halten, aber seine natürliche Schüchternheit hielt ihn ab, diesen Schritt in Ausführung zu bringen, obgleich ihn die Angst stark dazu drängte.

Inzwischen war es Richard durch eine plötzliche Anwendung der Peitsche gelungen, die Vorderpferde nach dem Schneedamm zu drängen, der den Steinbruch bedeckte; sobald aber die ungeduldigen Thiere fühlten, saß sie bei jedem Schritt tiefer einsanken, so weigerten sie sich entschieden, in dieser Richtung auch nur einen Zoll weiter vorwärts zu gehen, indem sie sich im Gegentheil, durch das verdoppelte Rufen und Darauflosschlagen ihres Treibers in Verwirrung gebracht, gegen die Deichselpferde zurückbäumten, welche ihrerseits den Sleigh hinter sich drängten. Nur ein einziger Holzpflock lag gegen das Thal hin als Schranke an dem Wege, und dieser war jetzt im Schnee begraben. Der Sleigh wurde leicht über ein schwaches Hinderniß weggeschoben und noch ehe Richard sich der Gefahr bewußt wurde, ragte bereits die Hälfte des Schlittenkastens über einem Abgrunde, der mehr als hundert Fuß senkrecht abfiel. Der Franzose, der von dem Rücksitze aus die volle Gefahr des drohenden Sturzes vor Augen hatte, schob unwillkührlichseinen Körper so weit vor, als möglich und rief:

„Ah, mon cher Monsieur Dihk! Mon Dieu! Que faites-vous!“

„Donner und Blitz, Richard,“ rief der deutsche Veteran in ungewöhnlicher Bewegung über die Seite des Sleighs hinaussehend; „wollen Sie denn den Schlitten sammt den Pferden in den Abgrund werfen?“

„Lieber Herr Jones,“ sagte der Geistliche, „seyen sie doch klug — nehmen Sie sich in Acht.“

„Vorwärts ihr störrischen Teufel!“ rief Richard, der sich aus einer Vogelperspective von der ganzen Gefahr seiner Lage überzeugte und, in ungeduldiger Hast vorwärts zu kommen, mit den Füßen an den Bock, auf dem er saß, trommelte, „vorwärts, sag' ich — Vetter 'Duke, ich werde die Grauschimmel auch verkaufen müssen; sie sind die am schlechtesten eingefahrenen Pferde, die mir je vorgekommen. Monsieur Le Quaw“ — Richard ear zu aufgeregt, um es mit der Prononciation genau zu nehmen, auf die er sich sonst ein bischen zu gute that — „Monsieur Le Quaw, ich bitte, lassen Sie mein Bein los; wenn Sie es so fest anfassen, so ist es kein Wunder, daß die Pferde zurückgehen.“

„Barmherziger Himmel!“ rief der Richter; „wir sind Alle verloren.“

Elisabeth stieß einen durchdringenden Schrei aus, und der Schwarze, der die Pferde des andern Sleighs lenkte, veränderte seine Farbe zu einem schmutzigen Weiß.

In diesem bedenklichen Augenblicke sprang der Jäger, der während der gegenseitigen Begrüßungen in stummem Schweigen da gesessen, aus Marmadukes Schlitten und eilte zu den widerspenstigen Grauschimmeln. Die Pferde, auf welche Richard noch immer unbarmherzig und unverständig lospeitschte, drängten noch immer zurück und droheten, der Quälerei ein schleuniges und schreckliches Ende zu machen. Der Jüngling versetzte denselben einen kräftigen Schlag vor den Kopf, daß sie zur Seite prallten und wieder in den frühern Weg einbogen. Der Sleigh wurde dadurch zwar seiner gefährlichen Lage entrissen, schlug aber nichts desto weniger um, so daß der Deutsche und der Geistliche ohne viele Umstände, jedoch auch ohne Gefährdung ihrer Knochen, auf die Landstraße geworfen wurden. Richard beschrieb ein Kreissegment durch die Luft, von dem die Zügel die Radien bildeten, und langte in einer Entfernung von ungefähr fünfzig Fußen mit in die Höhe gestreckten Beinen auf demselben Schneedamme an, vor dem die Pferde gescheut hatten. Da er bei dieser Luftfahrt, wie Ertrinkende den Strohhalm, instinktartig die Zügel fest gehalten hatte, so entsprach er auf eine bewunderungswürdige Weise dem Zweck eines Ankers. Der Franzose, der sich in dem Schlitten sprungfertig gemacht hatte, kam fast in der Stellung der Knaben, wenn sie Laubfrosch spielen, gleichfalls zum Fliegen, und fuhr mit seinem Kopfe in den Schneedamm, wo er liegen blieb und seine dünnen Beine wie eine in einem Kornfelde stehende Vogelscheuche

hoch in die Höhe reckte. Major Hartmann, der während des ganzen Vorgangs seine Geistesgegenwart auf eine bewunderungswürdige Weiße bewahrt hatte, war der erste in der Gesellschaft, der wieder auf seine Beine und zum Gebrauch seiner Stimme kam.