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Aus der großen Thüre, welche von dem Porticus in's Haus führte, tauchten zwei oder drei weibliche und ein männlicher Diener auf. Letzterer hatte keine Kopfbedeckung, war aber augenscheinlich sorgfältiger als gewöhnlich gekleidet und zeichnete sich durch seine Figur und seinen Anzug auf eine so eigenthümliche Weise aus, daß er wohl eine genauere Beschreibung verdient. Er war ungefähr fünf Fuß hoch, ungemein vierschrötig gebaut, und hatte ein paar Schultern, die einem Grenadier Ehre gemacht haben würden. Seine kleine Gestalt wurde noch augenfälliger durch eine Vorwärtsbeugung seines Körpers, die er wohl aus keinem andern Grunde annehmen mochte, als um seinen Armen mehr Freiheit zu gestatten, die auf eine eigenthümliche Weise hin und her pendelten, wenn ihr Besitzer in Bewegung war. Sein Gesicht war lang, von schöner, feuerroth gebrannter Farbe, mit einer Nase, die, wie bei einem alten Mops, aufgestülpt war, einem ungeheuern Mund voll schöner, weißer Zähne und ein Paar blauer Augen, welche die ganze Umgebung mit gewohnter Verachtung zu betrachten schienen. Sein Kopf betrug ein volles Viertheil seiner ganzen Länge, und der Haarzopf, welcher hinten hinunter fiel, mochte wohl eben so viel ausmachen. Er trug einen Rock von sehr lichtbraunem Tuche mit Knöpfen von der Größe eines Thalers, auf denen ein „unklarer Anker“ abgeprägt war. Die außerordentlich langen Schöße, von entsprechender Breite, reichten bis über die Waden hinunter. Unter diesem Kleidungsstück barg sich eine Weste und Hosen von rothem Plüsche, freilich aber etwas beschmutzt und abgetragen. Auf den Schuhen stacken große Schnallen und in denselben weiß und blau gestreifte Strümpfe.

Diese wunderlich aussehende Figur bezeichnete sich selbst als einen Eingeborenen der Grafschaft Cornwall in der Insel Großbritannien. Seine Knabenzeit hatte er in der Nachbarschaft der Zinnminen und seine Jünglingsjahre als Kajütenjunge auf einem Schmugglerschiff zwischen Falmouth und Guernsey zugebracht. Letzterem Gewerbe eutnahm ihn ein königlicher Preßgang, und in Ermangelung eines Besseren wurde er zuerst als der Bediente und später als der Proviantmeister des Kapitäns in die Kajüte genonnnen. Hier machte er sich die Kunst zu eigen, ein und das andere Seemanns-Gericht zu bereiten, und hatte dabei zugleich, wie er sich selbst rühmte, Gelegenheit die Welt zu sehen, obschon er in Wirklichkeit mit Ausnahme einer Fahrt nach einem oder zwei französischen Häfen, und einem gelegentlichen Besuch von Portsmouth. Plymouth und Deal nicht mehr von den Menschen erblickt hatte, als wenn er auf einem Esel nach einer seiner heimathlichen Minen geritten wäre. Als er jedoch nach dem Frieden von Dreiundachtzig aus dem Seedienst entlassen wurde, so erklärte er, da er nun alle civilisirten Theile der Erde gesehen habe, auch einmal einen Abstecher zu den Wilden in Amerika machen zu wollen. Wir mögen ihm weder auf seinen kurzen Wanderungen folgen, noch untersuchen, was die Auswanderungslust in ihm weckte, sintemal dieselbe bekanntlich im Stande ist, bisweilen ein zartes Stadtkind zu veranlassen, die Heimath mit dem Rücken anzusehen und bei dem Gebrülle des Niagara-Falles anzulangen, ehe noch die Stundenglocke auf dem Bow in London ganz in seinen Ohren ausgeklungen hat, sondern fügen nur noch bei, daß er eines frühen Morgens, noch ehe Elisabeth in die Pension gegeben wurde, seinen Weg in Marmaduke Temple's Familie fand, wo er in Gemäßheit der vielen Fähigkeiten, die im Verlaufe unserer Erzählung an's Licht treten werden, unter Herrn Jones das Amt eines Major-Domo erhielt. Der Name dieses Ehrenmannes war, wie er ihn selbst aussprach, Benjamin Penguillan; in Gemäßheit einer wunderbaren Geschichte jedoch, die er sehr gerne zu erzählen pflegte und welcher zufolge er nach Rodney's Sieg sein Schiff durch unablässiges Pumpen rette, hatte er allgemein den Spitznamen Ben Pump erhalten.

An Benjamins Seite drängte sich, als sey sie eifersüchtig, ihre Stellung zu behalten, eine weibliche Figur von mittlerem Alter vor, deren buntes Kattunkleid mit dem scharfen Schnitte ihrer Züge, ihrer keifenden Physiognomie und ihrem hohen, mageren und formlosen Körper in schroffem Gegensatze stand. Die Zähne waren bis auf einige gelbe Ueberreste dahin, und die Haut ihrer Nase spannte straff über diesem Organ, während die Bedeckung des übrigen Gesichtes in tiefen Furchen um Mund und Wangen hing. Sie schnupfte so fleißig, daß man hätte auf die Vermuthung kommen können, sie habe die Safranfarbe ihrer Lippen und der benachbarten Theile nur der Tabaksdose zu verdanken, wäre nicht das ganze Gesicht von der gleichen Farbe gewesen. Sie war eine Jungfrau, hieß Remarkable Pettibone und stand dem weiblichen Theile des Gesindes in der Eigenschaft einer Haushälterin vor. Elisabeth kannte sie nicht, da die Dame erst nach dem Tode ihrer Mutter ein Mitglied der Familie geworden war.

Außer diesen zeigten sich noch drei oder vier andere untergeordnete dienstbare Geister, meist Schwarze, unter dem Hauptportale, deren einige von dem Ende des Gebäudes, wo der Eingang zu der Souterrainküche war, herzueilten.

Dann ließ sich auch von Richard's Hundezwinger her ein arges Getöse vernehmen, in welchem sich alle Arten Stimmen, von dem Geheul des Wolfshundes an bis zu dem Kläffen des Dachses unterscheiden ließen. Herr Jones erwiederte diese geräuschvolle Begrüßung mit einer wechselnden Nachahmung aus seiner eigenen Kehle, worauf die Hunde, wahrscheinlich aus Scham, übertroffen worden zu seyn, ihren lärm einstellten. Nur ein stattlicher, mächtiger Bullenbeißer, der ein mit den Buchstaben M. T. Versehenes messingenes Halsband trug, hatte sich ruhig verhalten. Er verfügte sich mitten in dem Lärm seiner Brüder majestätisch an die Seite des Richters, von wo er sich, nachdem er einige freundliche Kläpse erhalten, an Elisabeth wandte, welche sich auf ihn niederbeugte, ihn küßte und ihn als ihren lieben „Old Brave“ begrüßte. Das Thier schien sie zu erkennen, als sie auf Monsieur Le Quoi und ihren Vater gestützt, um auf dem Eise nicht auszugleiten, die Stufen hinan stieg. Er sah ihr aufmerksam nach, umd als sich die Thüre hinter der ganzen Gesellschaft geschlossen hatte, legte er sich in einer nahestehenden Hundehütte nieder, als sey er sich bewußt, daß das Haus nunmehr einen neuen Schatz berge, den er zu bewahren habe.

Elisabeth folgte ihrem Vater, der einen Augenblick anhielt, um die flüsternde Botschaft eines Domestiken zu vernehmen, nach einer großen Halle, die durch zwei auf hohen, altmodischen Messingleuchtern steckende Kerzen nur düster erhellt war. Die Thüre schloß sich, und die Gesellschaft sah sich mit einem Male aus einer Atmosphäre, die den Thermometer fast auf Null stellte, in eine Wärme von über sechzig Graden Fahrenheit versetzt. In der Mitte der Halle stand ein ungeheurer Kamin, dessen Seiten von der Hitze beinahe glühten, und von dem aus eine weite gerade Röhre den Rauch durch die Decke abführte. Ein eisernes, mit Wasser gefülltes Becken befand sich in der Nähe dieses Ofens, denn so mußte man ihn wohl nennen — um in dem Raume die gehörige Feuchtigkeit zu erhalten. Die Halle war mit Teppichen belegt und mit bequemen, soliden Möbeln ausgestattet, welche zum Theil aus der Stadt mitgebracht, zum Theil von den Handwerkern Templetons verfertigt worden waren. Da stand ein Seitentisch von Mahagoni, mit Elfenbein eingelegt und mit ungeheueren blanken Messinghandgriffen versehen, der unter der Last des Silbergeschirrs fast zusammenbrach. In der Nähe desselben befand sich eine Reihe ungeheurer Tische aus wildem Kirschbaum als passende Seitenstücke zu dem vorhin erwähnten, aus dem theuren eingeführten Holze gefertigten, aber einfach und ohne Verzierungen. Gerade gegenüber war eine kleinere Tafel von lichtem gefärbtem Holze, durch das sich die Adern des Gebirgs-Ahorn in schönen Wellenlinien hinzogen. Nahe dabei in einer Ecke des Saals stand eine schwere, altmodische Wanduhr mit einem Messngzifferblatt, die in einen hohen, aus dem Wallnußbaume der Seeküste gefertigten Kasten eingeschlossen war. Ein ungeheures Kanapee oder Sopha mit hellbedrucktem, indianischen Kattun ausgeschlagen, nahm fast zwanzig Fuß an der Seitenwand der Halle ein, während gelb bemalte hölzerne Sessel, von nicht sehr sicherer Hand mit schwarzen Linien verziert, nebst anderen Möbelstücken auf der entgegengesetzten Seite aufgestellt waren. Ein Fahrenheit'scher Thermometer nebst beigefügtem Barometer in einem Mahagoni-Gehäuse hing in einiger Entfernung von dem Ofen an der Wand und wurde von Benjamin jede halbe Stunde mit bewunderungswürdiger Genanigkeit zu Rathe gezogen,.Zwei kleine gläserne Kronleuchter waren in gleichen Entfernungen zwischen dem Ofen und den Thüren, welche sich oben und unten an der Halle befanden, aufgehängt, und vergoldete Wandleuchter stacken in dem Schnitzwerk der zahlreichen Seitenthüren, die nach benachbarten Zimmern führten. Richard's Architektonik hatte hier Nischen mit Spitzbögen angebracht, in deren Mitte sich je ein Piedestal mit einer kleinen aus schwarzem Stuck geformten Büste befand: — die Wahl des Styls, wie die der Büsten waren ganz Herrn Jones anheim gefallen. In der einen Nische stand ein Homer in sprechender Aehnlichkeit, wie Richard versicherte, wie jeder sehen mußte, war doch das Abbild „blind.“ In einer andern befand sich das Bild eines sanft aussehenden Herrn mit einem spitzig zulaufenden Barte, welchen Herr Jones Shakespeare nannte. Eine dritte Verzierung wurde durch eine Urne gebildet, welche, wie Richard zu sagen pflegte, durch ihre Form andeutete, daß sie den Aschenkrng der Dido repräsentire. Ein vierte Vertiefung barg unverkennbar den alten Franklin mit seiner Kappe und seiner Brille, und in einer fünften befand sich, gleichfalls unbestreitbar, Washingtoms würdevolles Antlitz. Eine sechste enthielt einen Ungenannten —, „einen Mann mit offenem Hemdkragen und einem Lorbeerkranz um den Kopf,“ wie Richard zu sagen pflegte, „der entweder Julius Cäsar oder den Doctor Faust vorstellte, da er für beide Annahmen gleich gute Gründe hätte.“