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Erst als sich die junge Dame aus ihren Ueberkleidern heraus gewunden hatte, wurde es ihr möglich, um sich zu blicken, und nicht nur den Haushalt, dem sie jetzt vorstehen sollte, sondern auch die Art und Weise, wie die häuslichen Einrichtungen getroffen waren, zu mustern. Obgleich sich in der Construction und der Möblirung der Halle viel Unsymmetrisches vorfand, so konnte man doch nichts darin schlecht nennen. Der Boden war bis in die entferntesten Ecken mit Teppichen belegt: die verschiedenen Arten von Leuchter gehörten zwar nicht zu den modernen und geschmackvollen, waren aber blank und entsprachen ihrem Zwecke vollkommen, indem sie den Raum sehr lebhaft erhellten. In Vergleichung mit der draußen herrschenden kalten Decembernacht übte die Wärme und Helle des Saales einen eigenthümlichen Zauber. Ihr Auge hatte noch nicht Zeit gehabt, die kleinen Geschmacksverstöße, welche in Wahrheit vorhanden waren, in ihrer Gesondertheit zu entdecken, denn noch streifte es in Entzücken umher, als es plötzlich durch einen Anblick festgehalten wurde, der einen starken Gegensatz zu den lächelnden Gesichtern und zu den zierlich gekleideten Personen bildete, welche sich zu Ehren der Gebieterin von Templeton versammelt hatten. '

In einer Ecke der Halle, unsern dem Haupteingange, stand der junge Jäger, unbeachtet und für den Augenblick unstreitig vergessen. Aber die Zerstreutheit des Richters dem unter dem Einfluß einer lebhaften Gemüthsbewegung die Erinnerung an die Wunde des Fremden völlig entschwunden war, schien durch die Geistesabwesenheit des Jünglings sogar noch übertroffen zu werden. Er hatte beim Eintreten in den Saal maschinenmäßig seine Mütze abgenommen, und zeigte dadurch einen Lockenkopf, der an Farbe und Glanz mit Elisabeths Haaren wetteiferte. Nichts hätte eine größere Veränderung an ihm hervorbringen können, als dieser einzige Akt der Beseitigung seiner unscheinbaren Fuchsmütze. Es lag viel Gewinnendes in dem Gesichte des jungen Jägers, und sogar etwas Edles in den abgerundeten Umrissen seines Kopfes und seiner Stirne. Die Miene und der Ausdruck dieses stolz über den rauhen und sogar wilden Anzug, der die übrige Gestalt verbarg — hervorragenden Körpertheils verkündigte nicht nur Vertrautheit mit einem Glanze, den man in diesen neuen Ansiedelungen für unübertrefflich hielt, sondern schien sogar einige Verachtung über die prunkvolle Umgebung auszudrücken.

Die Hand, in der er die Mütze hielt, ruhte leicht auf Elisabeth's kleinem, mit Elfenbein ausgelegtem Piano — eine Stellung, in welcher sich weder bäurische Blödigkeit noch anstößige Dreistigkeit ausdrückte. Nur ein einziger Finger berührte das Instrument, als fühle er sich vor einem folchen heimisch. Sein anderer Arm war der ganzen Länge nach ausgestreckt, und die Hand umfaßte den Lauf seiner langen Büchse mit fast convulsivischer Kraft. Diese Haltung war eine unwillkührliche und beruhte augenscheinlich auf einem Gefühl, das weit tiefer lag als eine gewöhnliche Verwunderung. Sein Aeußeres zeichnete ihn, namentlich um der unscheinbaren Bekleidung willen, ganz vor der geschäftigen Gruppe der Uebrigen aus, die sich an dem andern Ende der Halle hin und her bewegten, um die Ankömmlinge mit Bewillkommnungsgrüßen zu empfangen, wie denn auch Elisabeth die einzige zu seyn schien, welche ihn beachtete. Die Falten auf der Stirn des Fremden mehrten sich, während sich seine Augen langsam von einem Gegenstand nach dem andern bewegten. Für Augenblicke überflog sein Gesicht ein trotziger Zug, der aber dann schnell wieder irgend einer schmerzlichen Erregung Raum zu geben schien. Er beugte den ausgestreckten Arm, brachte die Hand vor sein Gesicht und ließ den Kopf auf dieselbe sinken, wodurch seine wunderbar sprechenden Züge bedeckt wurden.

„Aber lieber Vater, wir vergessen ganz und gar des fremden Herrn, den wir mitgenommen haben, um ihm Beistand leisten zu lassen, und dem wir jede Aufmerksamkeit schuldig sind,“ begann Elisabeth.

Aller Augen wandten sich auf Einmal nach der Richtung, wohin die Sprecherin blickte, während der Jüngling, der jetzt etwas stolz seinen Kopf wieder erhob, antwortete:

„Meine Wunde ist nur unbedeutend, und ich glaube, daß Richter Temple gleich nach unserer Ankunft um einen Arzt fortschickte.“

„Gewiß,“ sagte Marmaduke. „Ich habe eben so wenig den Zweck Deines Besuches, als den Umfang meiner Verpflichtung außer Acht gelassen, junger Mann.“

„Oh!“ rief Richard mit einem schalkhaften Seitenblicke, „Du bist, denke ich, dem Jungen für das Wildpret verpflichtet, das Du erlegtest, Vetter 'Duke. Marmaduke! Marmaduke! das ist eine wunderliche Geschichte mit Deinem Bock da. Hier, junger Mann, sind zwei Dollar für den Hirsch, und Richter Templeton kann nicht weniger thun, als den Doktor bezahlen. Ich will meine Dienste nicht in Rechnung bringen, aber Ihr sollt deßhalb nicht schlechter dabei fahren. Ei, 'Duke, lass' Dir's nicht so zu Herzen gehen; wenn Du auch den Bock fehltest, so traf Dein Schuß doch diesen armen Menschen durch eine Tanne hindurch. Hierin hast Du mich, ich gestehe es gerne, ausgestochen, denn in meinem ganzen Leben habe ich nie eine solche Heldenthat geübt.“

„Und wirst es auch, wie ich hoffe, nie,“ entgegnete der Richter, „wenn Du Dich nicht dem Kummer, den ich erduldet habe, aussetzen willst. Doch sey guten Muths, mein junger Freund; die Verletzung kann nicht bedeutend seyn, da Du den Arm so frei zu bewegen vermagst.“

„Verschlimmere die Sache nicht, indem Du Dir herausnimmst, etwas von der Chirurgie zu verstehen,“ unterbrach ihn Herr Jones mit einer verächtlichen Handbewegung. „Sie ist eine Wissenschaft, die sich nur durch die Uebung erlernen läßt. Du weißst, daß mein Großvater ein Arzt war, aber Du hast nicht einen Tropfen medicinischen Blute in Deinen Adern. So Etwas vererbt sich und meine ganze Familie väterlicher Seits hat etwas von den Kunstgriffen der Heilkunst abgefangen. Da war z. B. Mein Onkel, der in der Schlacht bey Brandywine fiel — er starb so leicht als irgend ein anderer Mann in dem Regiment, nur weil er seinen Athem kunstgerecht auszuhauchen wußte. Wenige Leute verstehen etwas von der Theorie des Atmens.“

„Ich zweifle nicht, Dick,“ entgegnete der Richter, das Lächeln erwiedernd, welches unwillkührlich die Züge des Fremden überflog, „daß sich Deine ganze Familie gut darauf verstand, den Leuten zu ihrem letzten Athemzuge zu verhelfen.“

Richard hörte ihm ruhig zu, steckte die Hände in die Taschen seines Rockes, um die Schöße vorwärts zu drücken, und begann ein Liedchen zu pfeifen; aber das Verlangen, etwas zu erwiedern, überwältigte seine Philosophie, und so fuhr er fort: „Lächle meinetwegen so viel Du willst über meine Theorie der Erbtugenden, Richter Temple; aber er gibt gewiß keinen Zweiten in unserem Patent, der es nicht besser weiß. Selbst dieser junge Mann hier, der vielleicht nie etwas anderes, als Bären, Hirsche und Waldhühner sah, wird gut genug unterrichtet seyn, um an die Fortpflanzung von Tugenden in Familien zu glauben — nicht wahr, mein Freund?“

„Ich glaube wenigstens, daß es bei den Fehlern nicht der Fall ist,“ versetzte der Fremde abgebrochen, indem er sein Auge von dem Vater nach der Tochter gleiten ließ.

„Der Squire hat Recht,“ bemerkte Benjamin mit einem schlauen Kopfnicken gegen Richard, welches die zwischen ihnen bestehende Vertraulichkeit bekundete. „Irgendwo in dem alten Lande berührt des Königs Majestät nur den Kropf, und das ist doch eine Krankheit, die der geschickteste Doktor in der Flotte, ja, nicht einmal der Admiral zu heilen vermag; nur des Königs Majestät kann es, oder ein Gehenkter. Ja, der Squire hat Recht; denn wenn dem nicht so wäre, wie käme es denn, daß der siebente Sohn immer ein Doktor wird, habe er nun eine Schule durchgemacht, oder nicht? Als wir's mit den Monschürs unter de Grosse zu thun hatten, war ein Doktor bei uns am Vord — —“