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„Schon gut, Benjamin,“ unterbrach ihn Elisabeth, indem sie ihre Augen von dem Jäger auf Monsieur Le Quoi wandte, der mit der äußersten Höflichkeit auf jedes Wort, das nach der Reihe gesprochen wurde, achtete; „Ihr könnt mir diese Geschichte, wie auch überhaupt alle Eure unterhaltende Abenteuer ein andermal erzählen. Jetzt ist es aber vor allem nöthig, daß ein Zimmer zugerichtet werde, um dem Arme dieses Herrn einen Verband anlegen zu können.“

„Das muß unter meiner Leitung geschehen, Base Elisabeth,“ bemerkte Richard etwas hochmüthig; „der junge Mann soll es nicht zu büßen haben, wenn es Marmaduke beliebt, ein wenig hartnäckig zu werden. Folgt mir, mein Freund, ich will die Verletzung selber untersuchen.“

„Ich denke, es ist besser, wenn ich auf den Arzt warte,“ sagte der Jäger kaltblütig; „er kann nicht mehr lange ausbleiben.“

Richard schwieg und sah, ein wenig betroffen von dieser Sprache und nicht wenig ob der Zurückweisung gekränkt, den Fremden an. Er betrachtete die letztere als einen Akt der Feindseligkeit, steckte seine Hände wieder in die Taschen und ging auf Herrn Grant zu, dem er leise ins Ohr flüsterte:

„Denken Sie an mich, man wird sich jetzt unter den Ansiedlern erzählen, daß wir Alle ohne diesen Burschen da den Hals gebrochen hätten. Als ob ich nicht zu fahren verstünde! Sie selbst hätten die Pferde herumbringen können, Sir; denn nichts war leichter, da es nur eines Rucks an dem Zügel der Deichselpferde und eines Peitschenhiebs in die Seite eines der Grauschimmel bedurfte. Ich hoffe, mein lieber Herr, Sie haben doch bei dem Sturze, den dieser Mensch herbeiführte, keinen Schaden genommen.“

Die Antwort des Geistlichen wurde durch den Eintritt des Dorfwundarztes verhindert.

Sechstes Kapitel.

— — — und auf den Gesimsen

Die bettelhafte Reihe leerer Büchsen,

Die grünen Töpfchen, Blasen, taube Samen,

Bindfadenschnitzel, altes Hängemark;

Welch' kümmerliche Ostentation!

Shakespeare.

Doktor Elnathan Todd, denn dieß war der Name des Heilkünstlers, galt unter den Ansiedlern als ein Herr von hohen Geistesgaben, wie er denn auch, was den Körper anbelangte, hinsichtlich der Höhe, von der Natur nicht spärlich bedacht war. Er maß genau sechs Fuß vier Zoll, und seine Hände, Füße und Kniee entsprachen in jeder Hinsicht dieser seltenen Größe, obgleich die übrigen Theile seines Körpers für einen Mann von kleinerem Umfang berechnet zu seyn schienen. Seine Schultern waren viereckig, aber so nahe bei einander, daß die langen schlotterigen Arme aus dem Rückgrate herauszuwachsen schienen. Sein Hals besaß in einem ausgezeichneten Grade die der vermeldeten Höhe entsprechende Länge und stützte einen kleinen kugelrunden Kopf, dessen hintere Seite mit einem Busche borstiger, brauner Haare bedeckt war, während vornen sich ein kurzes bewegliches Gesicht zeigte, das sich alle Mühe zu geben schien, recht gelehrt auszusehen. Der Doctor war der jüngste Sohn eines Landwirths im westlichen Theile von Massachusetts, welcher, da er sich in ziemlich wohlhabenden Verhältnissen befand, in der Lage war, diesen Spätling seiner Ehe zu der vorerwähnten Höhe aufschießen zu lassen, ohne dessen Wuchs durch Feldarbeit, Holzausrottungen und sonstige derartige Arbeiten, die seinen Brüdern zu Theil wurden, zu hemmen. Er verdankte diese Befreiung von Arbeit einigermaßen seinem außerordentlichen Wachsthum, welches, indem es ihn blaß, leblos und träge machte, seine zärtliche Mutter zu der Erklärung veranlaßte, er wäre ein kränklicher Junge, der zu keiner Arbeit tauge und sich einen leidlichen Unterhalt als Advokat, Geistlicher, Doktor oder durch ein sonstiges leichtes Gewerbe, verdienen könne. Nun war aber die große Frage, für welchen dieser Berufe sich der Junge wohl am Besten eigne. Da er unterdessen nichts zu thun hatte, so schlingelte er in der Nachbarschaft herum und aß unreife Aepfel und Sauerampfer — ein Umstand, in welchem dasselbe scharfblickende Auge, welches bereits seine verborgenen Talente ausgespürt hatte, einen Fingerzeig für seinen künftigen Pfad durch die Mühen des Erdenlebens erkannte. „Elnathan ist zu einem Doktor gemacht,“ raisonnirte die Mutter; „denn er suchte immer nach Kräutern und kostete alles, was in der Nachbarschaft wuchs. Dann hatte er auch eine natürliche Vorliebe für Arzneistoffe, denn als sie einmal eine Parthie abführender Pillen für ihren Mann zugerichtet, und mit Ahornzucker bestreut hatte, kam Elnathan herein und verschluckte sie, als ob sie gar nichts wären, während Ichabod, ihr Gatte, auch nicht ein einziges hinunterbringen konnte, ohne so verzweifelte Gesichter zu schneiden, daß man es nicht ohne Entsetzen mit ansehen konnte.“

Diese Entdeckung gab den Ausschlag. Elnathan wurde, als er ungefähr fünfzehn Jahre alt war, ziemlich wie ein wildes Füllen eingefangen, herausgestriegelt und seine buschigen Haare geschnitten; dann erhielt er einen neuen, selbstgewirkten Anzug, der mit der Rinde der Butternuß gefärbt war, und wurde, mit einem Neuen Testament und Websters A-B-C-Buch ausgestattet, nach einer Schule geschickt. Da der Knabe nicht ohne natürliche Anlagen und schon in früherer Zeit bei ihm mit Lesen, Schreiben und Rechnen ein Grund gelegt worden war, so zeichnete er sich bald durch seine Fortschritte aus. Die glückliche Mutter hatte die Freude, aus dem Munde des Lehrers selbst zu hören, daß ihr Sohn „ein wahrer Wunderknabe sey und die übrigen Knaben seiner Klasse weit übertreffe.“ Auch meinte der Pädagog, „der Junge habe eine natürliche Anlage für die Arzneikunst, denn es sey ihm nicht entgangen, daß er die kleineren Kinder öfter vor dem zu viel Essen verwarne, wie er denn auch einigemale bemerkt habe, daß Elnathan, wenn die unwissenden Rangen seinem Rath hartnäckigen Widerstand entgegensetzten, eigenmündig die Schulkörbe leerte, um sie vor den verderblichen Folgen einer Magenüberladung zu wahren.“

Bald nach dieser tröstlichen Erklärung von Seite des Schulmonarchen wurde der Junge in das Haus eines Dorfchirurgen verpflanzt, der so ziemlich mit unserem Helden die gleiche Schule gemacht hatte. Hier sah man ihn bisweilen ein Pferd zur Tränke führen, oder andere Tränke, blaue, gelbe und rothe anfertigen; dann saß er auch hin und wieder mit Ruddiman's lateinischer Grammatik in der Hand, oder einem Theil von Denman's Hebammenkunst in der Tasche, unter einem Apfelbaum; — denn sein Lehrer hielt es für abgeschmackt, seinen Zögling die Patienten regelrecht aus der Welt fördern zu lehren, ehe er wußte, wie der Mensch in die Welt gebracht würde.

So verlebte er ungefähr ein Jahr, als er plötzlich in einem sehr langen schwarzen Rock, wozu der Zeug in der Heimath gewoben, und in kleinen Schnürstiefeln, die in Ermanglung von rothem Maroquin ungefärbte kalblederne Riemen hatten, vor den Leuten erschien.

Bald nachher wurde er mit einem stumpfen Rasirmesser auf's Rasiren ausgeschickt, und ehe noch weitere drei oder vier Monate verflossen, sahen ihn mehrere ältliche Damen nach dem Hause einer armen Frau im Dorfe eilen, während andere Personen augenscheinlich in großer Bestürzung ab und zu gingen. Einige Knaben wurden auf sattellose Pferde gesetzt und in aller Hast nach verschiedenen Richtungen ausgeschickt. Man stellte yerschiedene indirekte Fragen, wo der Wundarzt zuletzt gesehen worden, aber Alles war umsonst, und endlich sah man Elnathan mit einer ungemein gravitätischen Miene aus der Thüre treten, während ein kleiner weißköpfiger Knabe athemlos vor ihm hertrabte. Des anderen Tages zeigte er sich im Dorfe, und sämmtliche Bewohner waren höchlich erbaut von seiner nun so würdevollen Miene. Dieselbe Woche kaufte er ein neues Rasirmesser, und am darauf folgenden Sonntag betrat er mit einem rothseidenen Taschentuch in der Hand und einem ungemein gesetzten Gesichte die Kirche. Am Abend machte er bei einem jungen Frauenzimmer aus der niederen Volksklasse, denn andere waren keine vorhanden, einen Besuch, und nachdem er sich eine Weile allein mit der Schönen unterhalten hatte, nannte ihn die kluge Mutter derselben zum erstenmal Doctor Todd. Jetzt war das Eis mit einem Male gebrochen, und von nun an wurde Elnathan aus jedem Munde nur noch mit diesem Titel begrüßt. Er brachte noch ein Jahr unter der Leitung desselben Lehrherrn zu, während welcher Zeit der junge Heilkünstler in dem Rufe stand, daß er immer „mit dem alten Doctor die Kranken besuchen müsse,“ obgleich man beide stets verschiedene Wege einschlagen sah. Nach Ablauf dieser Periode hatte Doctor Todd das Alter der Mündigkeit erreicht. Er machte nun einen Ausflug nach Boston, um Arzneien einzukaufen und, wie einige wissen wollten, den Spital zu besuchen. Wir wissen nicht, wie es sich mit dem letzteren verhielt, da uns nur so viel bekannt ist, daß dieser Besuch ein sehr kurzer gewesen seyn muß, denn er kam schon nach vierzehn Tagen wieder zurück und brachte eine verdächtig aussehende Büchse mit, die gewaltig nach Schwefel roch.