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Sonntags darauf ließ er sich trauen, und am folgenden Morgen bestieg er mit seiner jungen Gattin einen einspännigen Schlitten, der zugleich mit der vorerwähnten Büchse, einer Kiste voll selbst gefertigter Leinwand, einem mit Papier beklebten Koffer, einem darangebundenen rothen Regenschirm, einem Paar ganz neuen Sattelranzen und einem Verbandzeug bepackt war. Die nächste Nachricht, die seine Freunde von dem neuen Ehepaar erhielten, lautete, daß sich Doktor Todd in der Absicht, seine Kunst auszuüben, zu Templeton, im Gebiete von Neu-York niedergelassen hätte. Wie ein Juris Canadidatus von London Marmaduke's Befähigung zu einem Richteramte belächelt haben würde, ebenso belustigend dürfte es wohl ein Graduirter von Leyden oder Edinburg finden, wenn er aus dieser wahrhaftigen Geschichte von Elnathans Dienste in dem Tempel Aesculaps hört. Aber der Richter und der Aderlasser konnten sich damit trösten, daß Doctor Todd mit seinen im Lande ansätzigen Kunstgenossen ebensowohl auf einer gleichen Höhe stand, als Marmaduke mit seinen Brüdern auf der Gerichtsbank.

Zeit und Erfahrung übten Wunder an dem Heilkünstler. Er war von Natur menschenfreundlich, was indeß seinem moralischen Muthe durchaus keinen Eintrag that; oder mit andern Worten, er hielt das Leben seiner Patienten werth, und machte keine unnöthigen Versuche an solchen Gliedern der Gesellschaft, die man als nützlich betrachtete; wenn ihm aber hin und wieder ein unglücklicher Landstreicher in die Hände kann so war er nicht abgeneigt, die Wirkungen jeder Flasche seiner Sattelranzen an der Constitutiondes Patienten zu erproben. Glücklicher Weise waren jedoch seine Vorräthe klein und meist ziemlich unschuldiger Natur. Mit Hülfe derselben hatte sich Elnathan ziemliche Erfahrung in den Wechselfiebern erworben und konnte mit vieler Gelahrtheit von intermittens, remittens, Tertiana, Quotidiana u.s.w. sprechen. In gewissen Hautkrankheiten, die in den neuen Ansiedelungen vorherrschende sind, galt er als unfehlbar, und das weibliche Geschlecht in dem Patent hätte eher daran gedacht, ohne Gatten Mutter als ohne Doktor Todds Beistand entbunden zu werden. Mit einem Worte, er strebte auf so sandigem Grunde als ein Gebäude himmelan, das die Erfahrung zum Bindemittel hatte, obgleich es auch hier hin und wieder etwas brüchig aussah. Gelegentlich griff er auch wieder zu seinen Elementarstudien, und mit der Fassungsgabe eines erleuchteten Kopfes wußte er leicht die Praxis seiner Theorie anzupassen.

Da er in der Chirurgie am wenigsten Erfahrung hatte, und diese auch ein Geschäft war, über deren Erfolg der Augenschein allein belehren konnte, so wagte er es nicht, in dieser Beziehung seine Kräfte allzuhoch anzuschlagen; er behandelte jedoch Brandwunden mit Oelen und Salben, riß schadhafte Zähne mit der Wurzel aus, und hatte die Hiebwunden zahlloser Holzfäller mit beträchtlichem Eclat wieder zusammengenäht, bis einmal einem unglücklichen Taglöhner durch den Umsturz eines Baumes ein Bein zerbrochen wurde. Bei dieser Gelegenheit wurden die Nerven und das moralische Gefühl unseres Helden in einer Weise heimgesucht, wie er es vorher nie erlebt hatte. In der Stunde der Noth ließ er sich jedoch nie vergeblich suchen. Die meisten Amputationen, die in diesen neuen Niederlassungen gerade nicht zu den Seltenheiten gehören, wurden durch einen Praktiker vorgenommen, der sich von Anfang an eines großen Rufes erfreute und diesem Umstande eine Summe von Erfahrungen zu danken hatte, die es ihm möglich machten, seinen Ruhm zu verdienen. Elnathan war bei einer oder zweien dieser Operationen zugegen gewesen. Da nun bei dem gegenwärtigen Anlasse der erfahrenere Wundarzt nicht zu haben war, so fiel dieses Geschäft natürlich dem Doctor Todd anheim. Er ging dabei mit einer Art von blinder Verzweiflung an's Werk, obgleich er es nicht unterließ, in seinem Aeußern wenigstens die Würde des geschickten Arztes zu bewahren. Der Name des Patienten war Milligan, derselbe, den wir bereits Richard nennen hörten, als er des Beistandes erwähnte, den er bei Gelegenheit einer Amputation dem Doctor durch Halten des Beines geleistet hatte. Das Glied wurde auch wirklich abgetrennt, und der Kranke überlebte die Operation. Zwei oder drei Jahre fuhr aber der arme Milligan fort, sich zu beklagen, daß man sein abgenommenes Bein in einem zu engen Behälter begraben hätte, so daß dasselbe eingezwängt würde, denn er fühle deutlich den Schmerz aus dem begrabenen Bruchstücke nach den gesunden Gliedern hinaufschießen. Marmaduke meinte, der Grund werde in den Arterien und Nerven liegen; aber Richard, der die Amputation theilweise für sein eigenes Werk hielt, bestritt diese Absicht lebhaft, indem er zugleich erklärte, er habe schon oft von Leuten gehört, die aus dem Gefühl in den Zehen ihrer abgenommenen Glieder einen kommenden Regen prophezeihen konnten. Nach zwei oder drei Jahren wurde daher, ungeachtet sich Milligan's Klagen allmählig verminderten, das Bein ausgegraben und in einem größeren Sarg wieder eingescharrt; und von jener Stunde an hörte man nie wieder eine Klage aus dem Munde des Amputirten, Dieser Umstand vermehrte das öffentliche Vertrauen zu dem Doctor Todd, dessen Ruf mit jeder Stunde wuchs, und zum Glücke für seine Patienten auch seine Erfahrung erweiterte.

Aber trotz seiner vielseitigen Praxis und des glücklichen Falles mit dem Beine war Herr Todd nicht wenig beängstigt, als er in die Halle des Landhauses trat. Sie war wie der Tag erhellt und Alles sah, in Vergleichung mit den hastig gebauten und sparsam möblirten Stuben, in welche ihn sein Beruf gewöhnlich führte, so gar prächtig und imponirend aus; auch waren so viele wohlgekleidete Personen mit ängstlichen Gesichtern zugegen, daß seine sonst kräftigen Nerven etwas in Verwirrung geriethen. Er hatte den Bedienten, der ihn in das Landhaus berief, von einer Schußwunde sprechen hören, weßhalb er seine Sattelranzen auf dem Rücken durch den Schnee einherschleppte und auf dem ganzen Herwege nur an zerrissene Arterien, verletzte Lungen und beschädigte Eingeweide dachte, als ginge er unmittelbar nach dem Wahlplatze einer blutigen Schlacht und nicht nach Richter Temple's friedlicher Wohnung.

Der erste Gegenstand, der beim Eintritte in die Halle seinem Auge begegnete, war Elisabeth in ihrem reich mit goldenen Schnüren besetzten Reitkleide, die ihm mit dem Ausdruck tiefer Besorgniß in ihren Zügen entgegenging. Die ungeheuren Knochenkniee des Arztes schlugen hörbar zusammen, denn in keiner Verwirrung glaubte er in der Dame einen von Kugeln durchbohrten Stabsofficier zu sehen, der von dem Schlachtfelde weggeeilt sey, um seine Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Täuschung war jedoch nur momentan, und sein Auge schweifte rasch nach dem ernsten und würdevollen Angesicht des Vaters, sodann nach dem umherstolzirenden Richard, der, um seinen Unmuth über die Zurückweisung des Jägers abzukühlen, mit langen Schritten in der Halle hin und her ging und mit seiner Peitsche knallte; von diesem auf den Franzosen, der seit mehreren Minuten, mit einem Stuhle für die Dame in der Hand, unbeachtet dastand; dann auf den Major Hartmann, der ganz kaltblütig eine drei Fuß lange Pfeife an einem der Kronleuchter anzündete; dann auf Herrn Grant, der bei einem der Seitenlichter in das Lesen eines Mannscripts vertieft war; dann auf Remarkable, die mit gekreuzten Armen dastand und mit einem Blicke voll Bewunderung und Neid den Anzug und die Schönheit der jungen Dame musterte; dann auf Benjamin, der mit in die Seite gestemmten Armen seinen viereckigen kleinen Körper auf den gespreizten Beinen balancirte und dabei die Gleichgültigkeit eines Mannes an den Tag legte, der mit Wunden und Blutvergießen vertraut war. Aber alle Personen schienen unverletzt, und der Operateur begann wieder frei zu athmen. Ehe er jedoch seine Musterung zum zweiten Mal vornehmen konnte, trat der Richter auf ihn zu, schüttelte ihm freundlich die Hand und sprach: