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Sobald Mohegan sich von der den jungen Fremden umringenden Gruppe bemerkt sah, ließ er die Decke, welche den obern Theil seines Körpers verhüllte, von den Schultern fallen, so daß sie jetzt einen Mantel um die ungegerbte Hirschhaut seiner Beinkleider bildete, während sie von einem Rindengürtel, der die Hüfte umfing, festgehalten wurde.

Die Anwesenden wurden nicht wenig durch den würdevollen und bedächtigen Schritt des Indianers überrascht, als er langsam vorwärts trat. Schultern und Oberleib waren ganz unbedeckt, eine silberne Medaille mit Washingtons Bildnisse ausgenommen, die ihm an einem hirschledernen Riemen von dem Halse herunter hing und zwischen vielen Wunden und Narben auf der hohen Brust ruhte. Seine Schultern waren ziemlich breit und voll; aber die Arme, obgleich sie gerade und nicht unzierlich waren, entbehrten doch des muskulösen Aussehens, das der Mensch allein durch ausdauernde Arbeit gewinnt. Die Medaille war der einzige Schmuck, den er trug, obgleich ungeheure Schlitze in den fast um zwei Zoll verlängerten Ohrläppchen augenscheinlich darauf hindeuteten, daß in früheren Tagen auch hier eine Verzierung angebracht gewesen war. In der Hand hielt er ein kleines aus Eschenzweigen geflochtenes Körbchen, auf dem phantastische Figuren, in welchen sich das Roth und Schwarz der Malerei mit dem Weiß des Holzes mischten, angebracht waren.

Als dieser Sohn des Waldes näher kam, trat die ganze Gruppe auseinander und gestattete ihm, den Gegenstand seines Besuches zu begrüßen. Er sprach jedoch nicht, sondern betrachtete nur eine Weile die Schultern des jungen Jägers, worauf er seinen Blick nach dem Richter gleiten ließ. Der letztere war nicht wenig betroffen über diese ungewöhnliche Abweichung von dem sonst so ruhigen und unterwürfigen Benehmen des Indianers; er streckte indeß seine Hand aus und sagte:

„Du bist willkommen, John. Dieser junge Mann hat ein großes Vertrauen zu Deiner Geschicklichkeit, denn er scheint Deine Behandlung sogar der unseres Freundes, des Doctors Todd, vorzuziehen.“

Mohegan entgegnete nun in leidlichem Englisch, aber in einem leisen einförmigen Kehltone:

„Die Kinder von Miguon lieben nicht den Anblickdes Blutes, und doch wurde „der junge Adler“ durch eine Hand beschädigt, die nichts Uebles thun sollte!“

„Mohegan! alte John!“ rief der Richter: „glaubst Du, daß meine Hand je mit Absicht Menschenblut vergoß? Schäme Dich, schäme Dich, alter John! Deine Religion hätte Dich etwas Besseres lehren sollen“

„Der böse Geist wohnt bisweilen in dem besten Herzen,“ versetzte John; „aber mein Bruder spricht die Wahrheit. Seine Hand hat nie wissentlich ein Leben geraubt — nein, nicht einmal damals, als die Kinder des großen englischen Vaters die Ströme mit dem Blute seines Volkes rötheten.“

„Du erinnerst Dich gewiß,“ sagte Herr Grant mit hohem Ernste, „des göttlichen Gebotes unseres Erlösers: 'richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet'. Welcher Grund hätte den Richter Temple veranlassen können, diesen jungen Mann zu beschädigen, einen Menschen, den er gar nicht kennt und von dem er sich weder einer Gunst noch eines Nachtheils zu versehen hat?“

John horchte achtungsvoll auf den Geistlichen und streckte, als derselbe ausgesprochen hatte, seinen Arm aus, indem er mit Nachdruck die Worte sprach:

„Er ist unschuldig mein Bruder hat nicht so thun wollen.“

Marmaduke ergriff die dargebotene Hand des andern mit einem Lächeln, welches zeigte, daß er ihm den Argwohn, so sehr er ihn auch gekränkt haben mochte, nicht nachzutragen gedenke, während der verwundete Jüngling mit einer Theilnahme, die sich unverkennbar in seinen Zügen aussprach, bald auf seinen rothen Freund, bald auf seinen Wirth blickte. Der Friede war indeß kaum wieder hergestellt, als sich John anschickte, das Geschäft, um dessen willen er gekommen, auszuführen. Doctor Todd war weit entfernt, einen Verdruß über diesen Eingriff in seine Rechte an den Tag zu legen, sondern machte dem neuen Arzte mit einer Miene Platz, welche seine Bereitwilligkeit ausdrückte, der Laune seines Patienten nachzugeben, da doch einmal der wichtigste Theil seines Amtes beendigt und nichts mehr zu thun übrig war, als was ein jedes Kind hätte ausführen können. Er flüsterte dieß auch Monsieur Le Quoi mit den Worten ins Ohr:

„Ein Glück, daß die Kugel ausgezogen war, ehe dieser Indianer kam; jetzt kann jedes alte Weib die Wunde verbinden. Der junge Mann wohnt, dem Vernehmen nach, bei John und Natty Bumpo, und es ist immer das Beste, sich in die Grillen eines Patienten zu fügen, so fern es ohne Nachtheil geschehen kann — ich sage ohne Nachtheil. Monsieur.“

Certainement,“ entgegnete der Franzose; „Sie schein serr glücklich, Monsieur Todd, in Ihr pratique. Ich denk, die alt dame könnt serr wohl beendigen, was Sie so geschickt angefang.“

Richard hatte übrigens im Grunde doch eine große Verehrung vor Mohegans Kenntnissen, zumal in Behandlung äußerlicher Verletzungen; er unterdrückte daher seinen Wunsch, sich eine wichtige Betheiligung bei der Operation beizulegen und näherte sich dem Indianer mit den Worten:

„Schön, schön, mein lieber Mohegan, es freut mich recht, daß Du hieher kömmst. Ich liebe einen regelmäßigen Arzt, wie den Doctor Todd, wo es gilt, ins Fleisch zu schneiden, und einen Eingeborenen, wo es an das Heilen der Wunde geht. Erinnerst Du Dich noch der Zeit, John, wo ich und Du den Knochen von Natty Bumppo's kleinen Finger einrichteten, den er beim Sturze von dem Felsen gebrochen hatte, als er es versuchte, das auf die Klippen gefallene Rebhuhn zu holen? Es ist mir noch immer nicht klar, ob ich oder Natty den Vogel schoß. Er feuerte zuerst, und der Vogel duckte, kam aber wieder auf, als ich den Drücker rührte. Jedenfalls würde ich die Ehre angesprochen haben, wenn nicht Natty gesagt hätte, das Loch sey zu groß für Schrot, und er habe aus seiner Büchse nur eine einzige Kugel abgefeuert; dieß ist aber noch kein Beweis, denn das Gewehr, welches ich damals hatte, zerstreute seine Ladung nicht, und ich habe es schon beim Scheibenschießen ein Loch, gerade wie von einer Büchsenkugel, durch ein Brett bohren sehen. Soll ich Dir helfen, John? Du weißt, ich habe einiges Geschick zu solchen Dingen.“

Mohegan hörte diese Auseinandersetzung ruhig an, und als Richard geschlossen hatte, hielt er ihm das Körbchen, in welchem sich seine Arzneikräuter befanden, hin, indem er ihm durch eine Handbewegung zu verstehen gab, daß er es halten möchte. Herr Jones fügte sich bereitwillig in diesen Dienst, und so oft er nachher von diesem Falle sprach, pflegte er zu sagen: „Doctor Todd und ich schnitten die Kugel heraus, und ich und Indianer John verbanden die Wunde.“

Der Patient konnte allerdings unter Mohegans Händen viel eher so heißen, als während er unter denen des Doctors zu leiden gehabt hatte. In der That gab ihm der Indianer wenig Anlaß zu einer Geduldsprüfung, denn da derselbe gehörig vorbereitet kam, so war der Verband bald angelegt; die Mittel, die er dabei anwendete, bestanden nur aus etwas zerquetschter Baumrinde, die mit dem Safte einiger ausgepreßter Waldpflanzen angefeuchtet war.

Unter den eingebornen Bewohnern der amerikanischen Urwälder gab es immer zwei Klassen von Aerzten, von denen die einen vermittelst übernatürlicher Kräfte zu heilen vorgaben und daher in weit größerem Ansehen standen, als durch die Erfolge ihrer Kunst gerechtfertigt wurde, während er die andern in der That mit einer großen Geschicklichkeit in Linderung der gewöhnlichen üblen Zufälle, die dem Menschen begegnen, begabt waren, wobei sie sich namentlich, wie Natty sagte, in Heilung von Hieb- und Quetschwunden auszeichneten.