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„Doch das Gesetz schützt Dich,“ sage Richter Temple mit einer Miene, in der sich Kränkung mit Ueberraschung mengte. „Benjamin, sorge dafür, daß der ganze Hirsch auf den Sleigh gebracht und dieser junge Mann nach Lederstrumpfs Hütte geführt wird.

„Aber Du hast doch wohl einen Namen, junger Mann, und ich werde Dich wieder sehen, um den Schaden, den ich Dir zugefügt, ausgleichen zu können?“

„Ich heiße Edwards,“ entgegnete der Jäger. „Oliver Edwards. Ich bin leicht zu sehen, denn ich wohne in der Nachbarschaft und scheue mich nicht, mein Gesicht zu zeigen, da ich nie Jemanden ein Leides gethan habe.“

„Das Leid erfuhr Euch von uns,“ sagte Elisabeth; „und das Bewußtseyn, daß Ihr unsern Beistand ablehnt, muß meinem Vater sehr schmerzlich fallen. Es würde ihn freuen. Euch morgen zu sehen.“

Der junge Mann sah die Sprecherin an, bis sein ernster Blick ihr das Blut nach den Schläfen trieb; dann verbeugte er sich, als ob er sichjetzt erst gesammelt hätte, senkte das Auge gegen den Boden und erwiederte:

„So will ich denn morgen den Richter Temple besuchen, und inzwischen das Anerbieten des Sleighs als ein Zeichen der Freundschaft annehmen.“

„Freundschaft?“ wiederholte Marmaduke. „Der Beschädigung, die ich Euch zufügte, lag keine böse Absicht zu Grunde, junger Mann, und Ihr hättet einen solchen Gedanken nicht von ferne aufkommen lassen sollen.“

„Vergib uns unsere Schulden, wie wir vergeben unsern Schuldigern,“ bemerkte Herr Grant; „das sind Worte, die uns der göttliche Meister selbst empfahl, und sie sollten für seine demüthigen Jünger stets eine goldene Regel bleiben.“

Der Fremde blieb noch einen Augenblick in Gedanken verloren stehen; dann blickten seine dunkeln Augen etwas wild in der Halle umher, er verbeugte sich tief gegen den Geistlichen und entfernte sich aus dem Saale mit einer Miene, die an kein Zurückhalten denken ließ.

„Sonderbar, daß ein so junger Mensch so unversöhnliche Gefühle in seinem Innern birgt,“ begann Marmaduke, als sich die Thüre hinter dem Fremden schloß; „doch der Schmerz ist noch zu neu, und das Gefühl für die ihm zugefügte Beschädigung zu frisch, um ihn nicht aufgeregter zu lassen, als es bei kälterer Ueberlegung der Fall wäre. Ich zweifle nicht, daß man morgen, wenn er wieder herkömmt, eher mit ihm sprechen kann.“

Elisabeth, an welche diese Worte gerichtet waren, gab keine Antwort, sondern ging langsam und mit zur Erde gesenkten Blicken die Halle hinauf, während Richard, sobald der Fremde verschwunden war, laut mit seiner Peitsche knallte und ausrief:

„'Duke, ich bewundere Deine Selbstbeherrschung, aber ich für meinen Theil hätte wegen des Ziemers das Gesetz in Anspruch genommen, ehe ich ihn dem Kerl hingegeben hätte. Gehören Dir die Berge nicht eben so gut, als die Thäler? Sind nicht die Wälder Dein Eigenthum? Welches Recht hat dieser Bursche, oder welches Recht hat Lederstrumpf, ohne Deine Erlaubniß in Deinen Forsten zu schießen? Hörte ich doch von einem Gutsbesitzer in Pennsylvanien, der einen unberufenen Jäger mit eben so wenig Umständen aus seinem Bann fortjagte, als ich etwa den Benjamin ein Stück Holz in den Kamin legen heiße. Apropos, Benjamin, seht, wie der Thermometer steht. — wenn nun ein Mann das Recht hat, dieß auf einem Grundbesitz von hundert Morgen zu thun, um wie viel mehr muß dieß nicht der Fall seyn bei dem Besitzer eines Grundes von sechzigtausenden? — was sage ich — nein von hunderttausenden, denn so viele sind es, mit Einschluß des letzten Ankaufs. Unser Mohegan da mag vielleicht ein Recht haben, weil er ein Eingeborner ist; der alte Knabe thut aber mit seiner Büchse wenig Schaden. Wie wird es in Frankreich gehalten, Monsieur Le Quoi? Laßt Ihr dort auch Jedermann über Eure Felder laufen und das Wild wegschießen, so daß wenig oder nichts für die Jagd des Grundbesitzers bleibt?“

Eh diable, non, Monsieur Dihk,“ versetzte der Franzose, „wir geben en France, keine Freiheit, ausgenommen die Dames.“

„Ja, ja, den Damen, ich weiß es,“ versetzte Richard; „das ist Euer Salisches Gesetz. Ich lese Bücher aller Art — über Frankreich, England, Griechenland und Rom. An 'Duke's Stelle würde ich aber gleich morgen Placate ausstecken, welche allen Personen die Jagd auf meinen Gütern, oder jede Versündigung an meinen Forsten verböte. In einer Stunde wollte ich ein solches Verbot geschrieben haben; das müßte der Sache auf einmal ein Ziel setzen.“

„Richard,“ sagte Major Hartmann kaltblütig, indem er die Asche seiner Pfeife in den zu seiner Seite stehenden Spucknapf ausklopfte, „ich habe nun schon fünfundsiebenzig Jahre unter den Mohawks und in den Wäldern gelebt; aber man verkehrt weit leichter mit den Teufeln, als mit den Jägern. Sie sind stets mit ihrer Waffe versehen, und eine Büchse gilt ihnen mehr als ein Verbot.“

„Ist Marmaduke nicht ein Richter?“ rief Richard unwillig. „Was nützt es ein Richter zu seyn, oder einen Richter zu haben, wenn man sich nicht an Gesetze und Verbote kehrt? Hole der Henker den Kerl! Ich hätte gute Lust, ihn morgen, vor Squire Doolittle, gerichtlich zu belangen, weil er sich an meinen Grauschimmel vergriffen! Was scheere ich mich um seine Büchse? Ich kann auch schießen und habe oft und vielmal einen Dollar auf fünfzig Ruthen getroffen.“

„Aber noch weit öfter ihn verfehlt, 'Duke,“ fiel der Richter heiter ein. „Doch, wenden wir uns jetzt unserem Nachtessen zu, das, wie ich aus Remarkable's Physiognomie entnehme, bereit ist. Monsieur Le Quoi, Miß Temple hat ein Recht auf Ihren Dienst. Willst Du den Zug anführen, liebes Kind?“

Ah! ma chère Demoiselle, comme je suis enchanté!“ sagte der Franzose, „Il ne manque que les dames de faire une paradis de Templeton.

Herr Grant und Mohegan blieben in der Halle, während der Rest der Gesellschaft sich nach dem Speisezimmer begab, Benjamin ausgenommen, der artigerweise den Nachtrab hinter dem Geistlichen bilden und den Indianer die Hausthüre öffnen wollte.

„John,“ begann der Geistliche, als die Figur des Richters Temple — des letzten der sich Entfernenden — verschwunden war, „morgen ist das Fest der Geburt unseres göttlichen Erlösers; die Kirche hat daher eine Dankfeier ausgeschrieben, und alle ihre Angehörigen sind zur Theilnahme an dem heiligen Geheimniß eingeladen. Da Du Dich nun zum Kreuze bekehrt hast und den guten Pfad wandeln willst, ohne Dich mehr nach dem schlimmen zu kehren, so hoffe ich Dich mit zerknirschtem Herzen und demüthigen Geiste am Altar zu sehen.“

“John wird kommen,“ sagte der Indianer, ohne eine Ueberraschung zu verrathen, obgleich er die Ausdrücke des Mannes der Kirche nicht ganz verstand.

„Ja,“ fuhr Herr Grant fort, indem er seine Hand auf die lohfarbige Schulter des betagten Häuptlings legte. „Aber es ist nicht genug, in der Kirche zu seyn, Du mußt auch im Geiste und in der Wahrheit gegenwärtig seyn. Der Erlöser ist für alle gestorben, für den Indianer, wie für den weißen Mann; der Himmel kennt keinen Unterschied der Farben, und auch die Erde soll nicht Zeuge einer Trennung seyn. Es ist gut und heilsam. John, in der Feier heiliger Festtage neue Erkenntniß und eine Stütze gegen den Wankelmuth zu holen; aber alle Formen sind nur unnützes Räucherwerk vor dem Heiligen, wenn sie nicht von einem frommen und demüthigen Sinne begleitet werden.“

Der Indianer trat ein wenig zurück, richtete seinen Körper der ganzen Länge nach auf, erhob seinen rechten Arm und zeigte mit seinem Vorderfinger gen Himmel, worauf er die andere Hand auf die nackte Brust legte und mit Nachdruck sprach:

„Das Auge des großen Geistes schaut durch die Wolken; Mohegans Herz ist offen.“

„Das ist wohl gut, John und ich hoffe daher, daß Du in der Uebung dieser Pflicht Heil und Trost finden wirst. Der große Geist übersieht keines seiner Kinder, und der Mann in den Wäldern ist ebenso gut Gegenstand seiner Vatersorge, wie die Bewohner der Paläste. Ich wünsche Dir gute Nacht und Gottes Segen auf Dein Haupt.“