Da Benjamin eine ziemlich drohende Stellung angenommen hatte, und mit seiner Hand, an der er ein Ueberbein, halb so groß als Monsieur Le Quoi's Kopf hatte, in der Luft umherfuchtelte, so hielt es Richard für zeitgemäß, sein Ansehen geltend zu machen.
„Still, Benjamin, still!“ sagte er; „Ihr habt Monsieur Le Quoi nicht recht verstanden, und vergeßt Euch. — Doch da kömmt Herr Grant. Gehen wir hinein, ehe der Gottesdienst anfängt.“
Der Franzose, welcher Benjamins Erwiederung in der humoristischen Weise des guten Tones hingenommen hatte, die kein anderes Gefühl, als das des Mitleids mit der Unwissenheit in ihm aufkommen ließ, verbeugte sich zustimmend und folgte seinem Begleiter.
Hiram und der Majordomo bildeten den Nachtrab. Letzterer brummte übrigens noch, als er das Bethaus betrat:
„Wenn der König von Frankreich eine Residenz hat, die sich mit Sankt Paul messen kann, so will ich sie fressen. Nein, es ist mehr, als Fleisch und Blut ertragen kann, wenn ein Franzose so über eine englische Kirche abspricht. Squire Doolittle, ich habe einmal zwei von ihnen an einem Tage ausgepeitschen helfen — hübsch gebaute, nette Fregatten mit stehenden Bramsegeln und neumodischem Geschütz vor ihren Pforten — mein Seel, wenn sie nur Engländer an Vord gehabt hätten, sie hätten's mit dem Teufel aufnehmen können.“
Mit diesen ominösen Schlußworten im Munde trat Benjamin in die Kirche.
Eilftes Kapitel.
Und Thoren, nur der Spottlust wegen hier,
Ergriff der Andacht heilige Gewalt.
Goldsmith.
Ungeachtet Richard's und Benjamin's vereinter Bemühungen war der Raum immer nur ein Äußerst schmuckloser Tempel. Roh gezimmerte und Äußerst unbequeme Bänke standen in Reihen da, um die christliche Versammlung aufzunehmen, während in der Mitte der Seitenwand ein schlechter, unbemalter Kasten stand, der die Kanzel vorstellen sollte. Eine Art Lesepult befand sich an der vordern Seite dieser Rednerbühne, und ein kleiner, mit schneeweißer damascirter Leinwand bedeckter Mahagonytisch, aus dem Hause des Richters, stand ein wenig seitlich, um die Stelle eines Altars zu vertreten. Fichten- und Tannenzweige stacken in den Ritzen umher, welche sich allenthalben in dem zur Unzeit gefällten und hastig zusammengesetzten Holzwerk des Gebäudes und der Kirchenstühle zeigten, während Guirlanden und hieroglyphische Bilder in üppiger Verschwendung die rauh beworfenen braunen Wände bedeckten. Da der Raum nur durch zehn oder fünfzehn armselige Talglichter erleuchtet war, und die Fenster noch der Scheiben entbehrten, so wäre es allerdings nur ein trauriger Ort für die Feier des Christabends gewesen, hätten ihm nicht die großen Feuer, die an allen Enden flackerten, durch ihr Licht, welches sie auf das Buschwerk und die Gesichter warfen, ein behagliches Aussehen gegeben.
Beide Geschlechter waren durch einen Quergang unmittelbar vor der Kanzel getrennt, an dessen Seiten die Hauptpersonen des Dorfs und der Umgegend ihre Sitze hatten. Diese Auszeichnung war jedoch eher die Folge eines freiwilligen Zurücktretens der ärmeren und anspruchsloseren Bevölkerungsklasse, als ein Recht, welches die vom Glücke Begünstigteren ansprechen konnten. Die eine Bank wurde von Richter Temple's Gesellschaft, seine Tochter mit eingeschlossen, besetzt; und mit Ausnahme des Doctor Todd schien Niemand geneigt zu seyn, sich dem Vorwurf des Stolzes auszusetzen, indem er nach einem der Sitze getrachtet hätte, welche buchstäblich die höchsten des Gotteshauses waren.
Richard nahm in der Eigenschaft eines Küsters den Platz hinter einem andern Tisch ein, während Benjamin, nachdem er den Feuern einige Holzblöcke zugedacht hatte, sich in seiner Nähe aufpflanzte, um jeden Augenblick bereit zu seyn, falls seine Beihülfe für nöthig erachtet würde.
Wir kämen zu weit von unserem Thema ab, wenn wir es versuchen wollten, eine Beschreibung der ganzen Gemeinde zu geben, da die Anzüge eben so verschieden, wie die Individuen waren. Nur einzelne Artikel von mehr als gewöhnlicher Schönheit — vielleicht die Ueberbleibsel aus früheren Tagen — ließen sich, neben dem groben Anzug der Wälder, an den meisten Frauen blicken. Die eine trug ein verschossenes, seidenes Kleid, das wenigstens schon drei Generationen durchgemacht hatte, über schwarzen grobwollenen Strümpfen, die andere einen Shawl, dessen Farben so zahlreich waren, als die des Regenbogens, über einem schlecht zugeschnittenen Kleide von rohem braunem selbstgewirktem Stoffe. Mit einem Worte, jede trug einen Lieblingsschmuck zur Schau; und sowohl Männer als Frauen erschienen in ihrem besten Anzug, wozu übrigens bei beiden Geschlechtern vorzugsweise die eigene Industrie den Stoff geliefert hatte. Ein einziger Mann kam in der Uniform eines Artilleristen-Freikorps, bei welchem er früher in den Küstengegenden gedient hatte — wahrscheinlich aus keinem andern Grunde, als weil sie seine beste Kleidung war. Mehrere, zumal die jüngeren Männer, trugen blaue Beinkleider mit rothtuchenen Seitenstreifen: diese gehörten zu Templetons leichter Infanterie und wollten wohl zeigen, daß sie nicht blos Hausleinwand, sondern auch gekaufte Kleider hätten. Auch war ein Mann in einem schneeweißen und mit Falten versehenen, sogenannten Ueberhemd zugegen, bei dessen Anblick einen schon ein Frostschauder überlief, obgleich der dicke braune Hausrock, der darunter verborgen war, den Eigenthümer gegen Kälte schützte.
In den Gesichtern, zumal jener Hälfte der Versammlung, welche nicht zu den eigentlichen Dorfbewohnern gehörten, sprach sich ein ziemlich gleichförmiger Ausdruck aus — allenthalben die gelbe Hautfarbe, die auf Anstrengung in Wind und Wetter deutete, Anstand und Aufmerksamkeit, in die sich fast durchgängig ein Zug von Verschmitztheit mischte, und im gegenwärtigen Falle die gespannteste Neugierde. Hin und wieder zeigte sich auch ein Gesicht und ein Anzug, der hievon eine Ausnahme machte. Jener pockennarbige Mann mit der blühenden Gesichtsfarbe und den Gamaschen an den Beinen, nebst einem Rocke, der genau dem Besitzer auf den Leib paßte, war sicherlich ein englischer Emigrant, der sich nach diesem abgelegenen Erdwinkel verloren hatte. Dort die harten,
farblosen Züge mit den hohen Backenknochen, ließen auf einen schottischen Auswanderer schließen. Der kleine schwarzaugige Mann mit einem Anflug von der dunkeln Gesichtsfarbe des Spaniers, der alle Augenblicke aufstand, um den Schönen des Dorfes Platz zu machen, war ein Sohn Erin's, der erst kürzlich sein Bündel abgeworfen und sich als Handelsmann in Templeton niedergelassen hatte. Kurz, die Hälfte der in Europa's Norden wohnenden Nationen war in dieser Versammlung repräsentirt, obgleich sich alle, den Engländern ausgenommen, zu der amerikanischen Ansiedlertracht bequemt hatten. Doch hing Dieser nicht nur hinsichtlich seiner Lebensweise und seines Anzugs an den Bräuchen seines Heimatlandes, sondern er handhabte auch unter den Baumstümpfen seinen Pflug in derselben Weise, wie er es in Norfolk gethan hatte, bis ihm eine theuer erkaufte Erfahrung die Lehre gewonnen hatte, daß ein verständiges Volk besser weiß, was ihm paßt, als ein zufälliger Beobachter oder ein Fremder, der vielleicht zu vorurtheilsvoll ist, um zu vergleichen, oder sich zu hoch dünkt, um etwas zu lernen.
Elisabeth entdeckte bald, daß die Augen der Versammlung ebenso aufmerksam auf ihr, als auf Herrn Grant, ruhten. Eine mädchenhafte Schüchternheit gestattete ihr daher nur, verstohlene Blicke auf das von uns eben vorgeführte Gemälde zu werfen. Als jedoch das Stampfen mit den Füßen weniger häufig wurde, und auch das Husten und andere kleine Einleitungen, die bei derartigen Versammlungen der Andacht vorangehen, nachgelassen hatten, so faßte sie sich ein Herz, umherzusehen. Das Geräusch verminderte sich mehr und mehr, bis endlich das unterdrückte Hüsteln bekundete, daß es nöthig sey, sich jetzt ein wenig zusammen zu nehmen, und die tiefste Stille herrschte nun in dem Raume. Man hörte nur noch das Knistern der Feuer, die eine mächtige Hitze verbreiteten, und jedes Gesicht, jedes Auge war jetzt dem Geistlichen zugekehrt. In diesem Augenblicke ließ sich ein schweres Stampfen der Füße an dem Eingang vernehmen, als ob ein neuer Ankömmling seine Bewegungsorgane von dem Schnee befreie, der nothwendig den Beinen eines Fußgängers anhaften mußte. Dann folgten lautlose Tritte und man gewahrte Mohegan, der — von Lederstrumpf und dem jungen Jäger begleitet — in das Gotteshaus kam.