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Herr Grant nahm jetzt das Gespräch auf, und als er den jungen Mann ruhiger und den betagten Häuptling aufmerksam fand, so erging er sich in einer weiten theologischen Erörterung über die Pflicht der Vergebung. Die Unterhaltung dauerte über eine Stunde, bis endlich die Gäste aufstanden und sich auf's freundlichste verabschiedeten. An der Thüre trennten sie sich und Mohegan schlug den Weg nach dem Dorfe ein, während der Jüngling dem See zuging. Der Geistliche blieb vor seinem Hause stehen und sah der dahingleitenden Gestalt des alten Häuptlings nach, der sich mit einer für seine Jahre erstaunlichen Geschwindigkeit in dem tiefen Pfade hinbewegte; sein schwarzes, starres Haar war noch über dem durch die Wollendecke gebildeten Ballen sichtbar, der sich bisweilen in dem Silberlichte des Mondes kaum von dem Schnee unterscheiden ließ. An der hintern Seite des Hauses befand sich ein Fenster, welches sich nach dem See hin öffnete; und hier wurde Luise von ihrem Vater gefunden, wie sie aufmerksam in der Richtung der östlichen Berge nach irgend einem Gegenstand blickte. Er näherte sich ihr und bemerkte die Gestalt des jungen Jägers in der Entfernung von einer halben Meile, wie sie mit großen Schritten über das weite Schneefeld, welches das Eis bedeckte, gerade nach der Stelle hinstreifte, wo, wie er wußte, Lederstrumpfs Wohnung am Rande des Sees unter einem Felsen lag, dessen Gipfel mit Fichten und Tannen bedeckt war. Im nächsten Augenblick verloren sich die Umrisse des Fremden in dem Schatten überhängender Bäume und kamen nicht wieder zum Vorschein.

„Es ist wunderbar, wie lange sich die Neigungen des Wilden in diesem merkwürdigen Geschlechte fortpflanzen,“ sagte der gute Geistliche; „aber wenn er fortfährt, wie er angefangen, so wird er dennoch zuletzt Herr darüber werden. Erinnere mich daran, Luise, daß ich ihm bei seinem nächsten Besuche die Predigt ,gegen die Gefahren des Götzendienstes‘ leihe.“ '

„Gewiß, lieber Vater, Sie glauben nicht, daß er je zu der Gottesverehrung seiner Vorfahren zurückkehrt?“

„Nein, mein Kind,“ entgegnete der Diener der Kirche, indem er seine Hand mit einem liebevollen Lächeln auf ihre gelben Locken legte; „sein weißes Blut schon würde das verhindern; aber es gibt auch noch einen andern Götzendienst — den unserer Leidenschaften.“

Dreizehntes Kapitel.

So gebt mir einen Humpen doch —

Die Gerstenernte lebe hoch!

Trinklied.

An einer Ecke des Dorfes, wo die zwei Hauptstraßen von Templeton sich kreuzten, stand das Wirthshaus, ,zum kühnen Dragoner‘. Dem ursprünglichen Plane zu Folge hätte sich das Dorf links des kleinen Stromes, welcher das Thal durchfloß, hinziehen sollen, so daß durch die Straße, welche von dem See zu der Akademie führte, die westliche Gränze gebildet worden wäre. Aber Bequemlichkeit vereitelt oft die besten Entwürfe. Das Haus des Herrn oder wie er in Folge seines Commandos über das Militär des Patents genannt wurde — des Hauptmanns Hollister, das schon in früheren Tagen mit der Front gerade gegen die Richtung der Hauptstraße erbaut worden, schob dem Verlauf derselben eine sehr augenfällige Barriere in den Weg, weshalb Reiter und nachher auch Ochsentreiber sich eines Durchgangs an dem Ende des Gebäudes bedienten, um sich den westlichen Weg abzukürzen, bis endlich die regelmäßige Landstraße fortgesetzt war und allmählig an beiden Seiten Häuser entstanden, so daß eine nachherige Verbesserung des Uebelstandes unmöglich wurde.

Die Abweichung von Marmaduke's regelmäßigen Plänen war von zwei wesentlichen Folgen begleitet. Die Hauptstraße wurde nämlich in der Hälfte ihrer Länge plötzlich genau um die Hälfte ihrer Breite geschmälert; und der kühne Dragoner ward um seine Lage willen, mit Ausnahme des Herrnhauses, bei weitem das augenfälligste Gebäude des Ortes.

Dieser Umstand, durch den Charakter der Wirthsleute unterstützt, gab der Schenke über alle zukünftigen Concurrenten einen Vortheil, der sich durch keine sonstige Verhältnisse mindern ließ. Das Letztere wurde zwar versucht und dem ,kühnen Dragoner‘ gegenüber ein neues Gebäude errichtet, welches den Nebenbuhler über der Straße bei weitem überbieten sollte. Es war ein hölzernes Haus mit den Verzierungen des im Orte üblichen architektonischen Styls und, was das Dach und die Balustraden anbelangte, eine der drei Nachahmungen des Herrenhauses. Die oberen Fenster waren mit ungehobelten Brettern vernagelt, um den Wind abzuhalten, denn das Gebäude war noch unvollendet, obgleich die Scheiben in den untern Gemächern und das Licht der mächtigen Feuer im Innern bekundeten, daß es bereits Einwohner barg. Das Aeußere desselben hatte an der Front und dem Ende, welches sich der Straße zukehrte, einen weißen Anstrich; aber die Hinterseite nebst derjenigen, an welche sich ein Nachbarhaus anschmiegen sollte, war roh mit spanischem Braun beschmiert. Vor der Thüre standen zwei hohe, oben mittelst eines Querbalkens verbundene Posten, zwischen denen ein ungeheures, mit wunderlichem Schnitzwerk von Fichtenholz versehenes und mit Freimaurer-Emblemen überladenes Schild hing. Ueber den geheimnißvollen Figuren befanden sich mit großen Buchstaben die Worte: ,Kaffeehaus für Templeton und Gasthof für Reisende‘, und unten las man die Namen der Eigenthümer ,Habakuk Foote und Josua Knapp‘. Dieß waren ein Paar furchtbare Rivalen für den kühnen Dragoner, wie unsere Leser leicht begreifen werden, wenn wir beifügen, daß dieselben volltönigen Namen schon über der Thüre eines im Dorfe neu errichteten Vorrathshauses, eines Hutmacherladens und über den Thoren einer Lohgerberei standen. Mochte übrigens zuviel versucht worden seyn, um gut ausgeführt werden zu können, oder war der Ruf des kühnen Dragoners zu fest begründet, um sich so leicht erschüttern zu lassen — nicht nur der Richter Temple und seine Freunde, sondern auch die meisten Dorfbewohner, welche nicht in den Creditbüchern der mächtigen Firma standen, pflegten, so oft irgend eine Gelegenheit den Besuch eines solchen Hauses nothwendig machte, in dem Wirthshause des Capitän Hollister einzusprechen.

Der hinkende Veteran nebst seiner Ehegenossin war an jenem Christabende kaum von der Akademie zurück nach Hause gekommen, als das Stampfen an der Thürschwelle bereits die Annäherung von Gästen verkündete, welche wahrscheinlich diesen Sammelplatz aufsuchten, um ihre Bemerkungen über die Feierlichkeit, denen sie eben angewohnt, auszutauschen.

Die Gaststube des kühnen Dragoners war ein geräumiges Gemach, das an drei Seiten ausgeschlagen war, während die vierte zwei mächtige Kaminen vorbehalten blieb, welche fast die ganze Wand einnahmen und kaum noch Raum genug für ein Paar Thüren und einen kleinen Eckverschlag ließen, der durch ein winziges Pallisadenwerk von dem übrigen Gelasse getrennt und reichlich mit Flaschen und Gläsern garnirt war. An dem Eingange in dieses Heiligthum saß mit würdevoller Miene Frau Hollister, während ihr Gatte mit einem großen Pfahl, der an dem einen Ende ganz spitzig zugebrannt war, die Holzpflöcke des Feuers nachschob.

„Nun, lieber Sergeant,“ sagte die Wirthin, als sie glaubte, der Veteran habe nunmehr das Holz gehörig zurecht gelegt, „leg' Deine Schürstange bei Seite, denn sie ist nimmer nöthig, indem es jetzt behaglich genug brennt. Auf dem Tische dort stehen noch die Gläser und der Krug, aus denen der Doctor seinen Cyder und sein Ingwerbier trank — dort, gerade bei dem Feuer. Stelle sie in den Verschlag, denn wir kriegen heute Abend Besuch von dem Richter, dem Major und Herrn Jones, Benjamin Pump und die Advokaten nicht mitgerechnet. Du mußt daher das Zimmer zeitig herrichten. Setze die beiden Flipröste auf die Kohlen, und sage Judith, dem faulen, schwarzen Biest, daß ich sie aus dem Haus jagen will, wenn sie die Küche nicht rein hält. Sie kann dann zu den Herren gehen, die das Kaffeehaus halten; ich wünsche ihnen Glück zu dieser Erwerbung. — Ach, Sergeant, man hat es doch gewiß recht gut, wenn man in ein Bethaus gehen darf, wo man ruhig sitzen bleiben kann und nicht nöthig hat, so oft niederzuknieen und wieder aufzustehen, wie es heute Herr Grant gethan.“