„Ein Bethaus kommt einem allezeit zu statten, Frau, mögen wir nun darin stehen oder sitzen, oder, wie der gute Herr Whitefield nach einem beschwerlichen Tagemarsch zu thun pflegte, auf die Kniee niederfallen und mit aufgehobenen Händen zum Himmel zu beten, nach dem Beispiele Moses, als zur Rechten und zur Linken seine Schaaren standen,“ erwiederte Herr Hollister, der mit aller Ruhe die Befehle seiner Gattin ausführte. „Ach, das war ein schönes Treffen, Betty, das die Israeliten damals mit den Amalekiten schlugen. Es scheint, sie fochten in einer Ebene, denn es steht geschrieben, Moses habe die Höhen bestiegen, um den Kampf mitanzusehen und im Gebete zu ringen. Wenn ich mich recht auf die Sache verstehe, so müssen sich die Israeliten hauptsächlich auf ihre Reiterei verlassen haben, denn wir lesen in der Schrift, daß Josua den Feind hauptsächlich mit der Schärfe des Schwertes schlug, woraus ich entnehme, daß nicht nur von Reiterei, sondern auch von wohldisciplinirten Truppen die Rede ist. Es müssen in der That ganz ausgesuchte Streiter gewesen seyn — wahrscheinlich Freiwillige; denn unexercirte Dragoner schlagen selten mit der Schärfe des Schwertes zu, zumalen wenn ihre Waffe nach Weise der Säbel gekrümmt ist.“
„Pah, Mann! Was wirfst Du da wegen einer solchen Kleinigkeit mit Schriftstellen um Dich?“ unterbrach ihn die Wirthin. „So viel wenigstens ist gewiß, daß der Herr mit ihnen war, denn er hielt es immer mit den Juden, so lange sie nicht von ihm abfielen. Es kommt wenig darauf an, was für Leute Josua commandirte, wenn er es nur im Namen des rechten Befehlshabers that. Dieselbe verwünschte Miliz, der Herr verzeih mir den Fluch,
die sein Tod war, weil sie davon lief, hätte wohl in den alten Zeiten das Feld behaupten können. Ich sehe gar keinen vernünftigen Grund ein, anzunehmen, daß die Leute exercirt waren.“
„Ich muß sagen, Frau, daß ich unexercirte Truppen nicht oft habe so gut fechten sehen, als es der linke Flügel in der von Dir erwähnten Zeit that. Sie hielten schön zusammen und zwar ohne Trommelschlag, was im Feuer gewiß keine Kleinigkeit ist; auch wichen sie nicht vom Platze, bis er fiel. — Aber die Schrift enthält keine unnöthigen Worte; und ich behaupte daher, daß eine Reiterei, welche mit der Schärfe des Schwertes zu schlagen weiß, eine gut disciplinirte seyn muß. Es ist schon manche gute Predigt über weit unwichtigere Dinge, als über dieses eine Wort gehalten worden. Wenn nicht etwas Besonderes damit gemeint ist, warum steht denn nicht geschrieben mit dem Schwerte, sondern mit der Schärfe des Schwertes? Nun fordert aber ein Schlag mit der Schärfe eine lange Uebung. Ach, welch eine schöne Anwendung wüßte nicht Herr Whitefield aus dem einzigen Worte ,Schärfe‘ zu ziehen! Was den Capitän anbelangt — wenn er nur, als er das Fußvolk sammelte, die Gardedragoner angerufen hätte, sie würden dem Feinde gezeigt haben, was die Schärfe eines Schwerte, ist; denn obgleich kein eigentlicher Officier unter ihnen war, so glaube ich doch, sagen zu dürfen“ — der Veteran richtete sich bei diesem Wort hoch auf und zog mit der gravitätischen Miene eines Exercirmeisters seine Halsbinde fester — „so glaube ich doch, sagen zu dürfen, daß sie von einem Manne angeführt wurden, der sie, trotz des Hohlwegs, vorwärts zu bringen gewußt hätte.“
„Was hätte er thun sollen?“ rief die Wirthin. „Weißst Du nicht selbst, Hollister, daß die Bestie, welche er ritt, nicht sonderlich geeignet war, von einem Felsen zum andern zu springen, obgleich sie so rührig war, als wie ein Eichhörnchen? Doch was nützt es, davon zu reden, da er schon so lange heimgegangen! Ich wollte nur, daß er es erlebt hätte, das wahre Licht zu sehen; aber eine brave Seele, die im Kampf für die Freiheit im Sattel starb, muß doch auch Gnade finden. Wenn sie ihm und so manchen Tapfern, der wie er starb, nur nicht einen so armseligen Grabstein gesetzt hätten! Aber das Schild ist sehr ähnlich und ich will es erhalten, so lang der Schmied noch einen Hacken machen kann, um ihn zu tragen — allen Kaffeehäusern zwischen hier und Albany zum Trotze.“
Wir können nicht sagen, auf welche Abschweifungen diese Unterhaltung das würdige Paar noch geführt haben würde, wenn nicht die Männer vor der Thüre dem Abstampfen des Schnees von ihren Füßen plötzlich ein Ende gemacht hätten und in die Wirthsstube getreten wären.
Es vergingen zehn oder fünfzehn Minuten, bis sich die verschiedenen Individuen, welche Erbauung geben oder holen wollten, vor den Feuern des kühnen Dragoners niedergelassen und so ziemlich alle Bänke der Gaststube besetzt hatten. Die behaglichste Ecke des Zimmers nebst einem hochlehnigen hölzernen Canapee hatte Doctor Todd mit einem schmutzig aussehenden, schäbig-gentilen jungen Mann eingenommen, der fleißig Taback schnupfte, einen Rock von ziemlich modischem Schnitte trug und oft eine große silberne Uhr, die an einer Haarkette hing und mit einem silbernen Schlüssel versehen war, herauszog: er schien so ziemlich zwischen den Handwerkern in seiner Nähe und einem wirklichen Mann von Stande die Mitte zu halten.
Mehrere braune Krüge mit Cyder oder Bier wurden zwischen die Feuerböcke gesetzt und unter den Gästen bildeten sich kleine Gruppen, sobald einer einen Vortrag hielt oder die Flüssigkeit ihre Runde machte; denn Niemand hatte ein besonderes Glas, wie denn auch überhaupt für jede Gattung von Getränk nur ein einziges Gesätz für nöthig erachtet wurde; das Glas oder der Krug ging daher von Hand zu Hand, bis die Reihe zu Ende war oder eine gewisse Achtung vor den Rechten des Festgebers die Neige des Trankes dem wieder zuschob, welcher denselben bezahlt hatte.
Gewöhnlich wurden dabei Toaste getrunken und hin und wieder versuchte einer, der von der Natur vorzugsweise mit Witz bedacht zu seyn vermeinte, seine Dankgefühle in Phrasen auszudrücken, wie zum Beispieclass="underline" „Er hoffe, daß der Festgeber es weiter bringen möge, als sein Vater,“ oder „er möge leben, bis alle seine Freunde ihm den Tod wünschten;“ während sich die bescheideneren Zechgenossen begnügten, mit gravitätischem Ernste auf „gut Glück,“ oder einen anderen gleich kurzen und inhaltsreichen Wunsch zu trinken. Stets wurde aber der invalide Wirth aufgefordert, die Sitte der königlichen Mundschenke nachzuahmen und das Glas, welches er präsentirte, vorher zu kosten — eine Aufforderung, welcher er gewöhnlich dadurch willfahrte, daß er seine Lippen benetzte, nachdem er zuvor den Toast: „was wir hoffen“ ausgebracht hatte, bei welch' klüglichem Ausweg es dem Gutdünken der Gäste überlassen blieb, den umfassenden Wunsch nach eigenem Sinne zu deuten. Während dieses Treibens war die Wirthin emsig beschäftigt, eigenhändig die von ihren Kunden verlangten Getränke zu mischen, wobei sie hin und wieder einen der Dorfbewohner, welcher sich dem Verschlage näherte, grüßte und sich nach dem Befinden seiner Familie erkundigte.
Als endlich der Durst der Gäste einigermaßen gestillt war, gewann das Gespräch einen mehr allgemeinen Charakter, wie er gerade für die Stunde paßte. Der Arzt nebst seinem Gefährten, einem der zwei Advokaten des Dorfes — die man am meisten für geeignet hielt, das Wort zu führen, waren die Hauptsprecher, obgleich sich auch hin und wieder Herr Doolittle, welchen man nur in dem beneidenswerthen Punkte der Erziehung als Jenen nachstehend betrachtete, eine Bemerkung erlaubte. Ein allgemeines Stillschweigen trat ein, als der Rechtsgelehrte folgendermaßen begann:
„Dem Vernehmen nach, Doctor Todd, habt Ihr diesen Abend eine wichtige Operation vorgenommen, indem Ihr Lederstrumpfs Sohne einen Hirschposten aus der Schulter schnittet?“
„Ja. Sir,“ erwiederte der Andere, indem er seinen kleinen Kopf mit einer wichtigthuenden Miene erhob. „Ich hatte ein derartiges kleines Geschäft bei dem Richter; doch will es nicht viel heißen. Ein anderes wäre es gewesen, wenn der Schnß durch den Körper gegangen wäre. Die Schulter ist kein zum Leben unbedingt nöthiger Theil, und ich denke, der junge Mann wird bald wieder gesund seyn. Ich wußte jedoch nicht, daß der Patient ein Sohn von Lederstrumpf ist, denn ich hörte nie, daß Natty ein Weib hatte.“