„Welche Neuigkeiten bringt der Richter von dem gesetzgebenden Körper mit? Es scheint nicht, als ob der Kongreß in der jüngsten Sitzung viel gethan hätte. Haben vielleicht die Franzosen in der letzten Zeit weitere Schlachten geliefert?“
„Die Franzosen stehen, seit sie ihren König enthauptet haben, ohne Unterlaß im Feuer,“ erwiederte der Richter. „Der Charakter der Nation scheint sich ganz umgewandelt zu haben; denn ich habe während unseres Krieges viele Franzosen gekannt, die mir recht menschenfreundlich und gutmüthig vorkamen; aber diese Jakobiner sind so blutdürstig als die Bullenbeißer.“
„Es war in York drunten ein gewisser Roschamboh mit uns: ein ganz prächtiger Mann, der einen stattlichen Reiterzug anführte. Damals war's auch, als der Sergeant von den englischen Batterieen — Gott verdamm sie— einen Schuß in's Bein bekam.“
„Ah! mon pauvre roi!“ flüsterte Monsieur Le Quoi.
„Der Kongreß hat Gesetze erlassen,“ fuhr Marmaduke mit Ernst fort, „deren das Land sehr benöthigt war. Unter Anderem ist es verboten worden, in gewissen Strömen und kleineren Seeen anders als zu den geeigneten Jahreszeiten mit Stellnetzen zu fischen und den Hirsch zur Tragezeit zu schießen. Das sind Gesetze, die jeder umsichtige Mann schon lange für nöthig erachtete; und ich hoffe, es wird auch noch so weit kommen, daß Strafen auf das unzeitige Fällen des Holzes gesetzt werden.“
Der Jäger horchte auf diese Mittheilung mit athemloser Aufmerksamkeit, und als der Richter geendet hatte, lachte er laut hinaus.
„Mag man da Gesetze machen, so viel man will, Richter.“ rief er; „aber wer wird in den langen Sommertagen die Berge und des Nachts die Seeen bewachen? Wild ist Wild, und wenn Einer welches findet, so darf er auch schießen. Ich erinnere mich schon seit vierzig Jahren her, daß dieses Recht in den Wäldern herrscht, und ich denke, ein altes Gesetz ist eben soviel werth, als zwei neue. Nur ein unerfahrener Jäger wird eine Gais mit dem Kitzchen an der Seite schießen wollen, wenn nicht allenfalls seine Mokassins alt und seine Beinkleider zerrissen sind, denn das Fleisch ist zu solcher Zeit nicht zu genießen. Aber eine Büchse knallt unter den Felsen am Seeufer hin oft so laut, daß man meint, fünfzig seyen zumal abgeschossen worden: — es würde da wohl schwer seyn, zu sagen, wo der Mann steht, der den Drücker berührt hat.“
„Mit dem Ansehen des Gesetzes bewaffnet. Meister Bumppo,“ erwiederte der Richter ernst, „kann eine wachsame Obrigkeit viele Uebelstände verhindern, die bisher obgewaltet und das Wild bereits so selten gemacht haben. Ich hoffe, noch den Tag zu erleben, wo das Eigenthumsrecht des Einzelnen an sein Wild ebensoviel geachtet wird, als der Anspruch auf seine liegenden Gründe.“
„Diese Eigenthumsrechte und Ansprüche sind lauter Neuerungen.“rief Natty, „und vor dem Gesetz soll Keiner dem Andern gegenüber ein Vorrecht haben. Letzten Dienstag waren es vierzehn Tage, daß ich einen Hirsch anschoß, der jedoch über die Schneedämme und einen Heckenzaun wegsetzte. Ich eile hinten drein; das Schloß meiner Büchse fängt sich in den Zweigen, daß ich es nicht gleich wieder los machen kann, und ehe ich mich versehe, ist das Thier auf und davon. Nun möchte ich auch wissen, wer mir diesen Bock zahlen soll, der noch obendrein ein ganz herrliches Thier war? Wäre der Zaun nicht da gewesen, so hätte ich wohl noch einmal schießen können, und ich habe meiner Lebtage nie auf Etwas, das nicht Flügel hatte, dreimal abgedrückt. Nein, nein, Richter; die Ansiedelungen machen das Wild selten, nicht die Jäger.“
„Der Hirsch ist allerdings nicht mehr so häufig, wie zur Zeit des alten Kriegs, Bumppo.“ sagte der Major, der aus seinen Tabakswolken heraus aufmerksam zugehört hatte; „aber das Land ist nicht geschaffen für das Wild, sondern für Christenmenschen.“
„Ei, Major, ich glaube, Sie sind ein Freund des Rechtes und der Gerechtigkeit, obgleich Sie so oft in das große Haus gehen; aber ist es nicht hart, wenn einem Manne sein ehrliches Gewerbe, von dem er lebt, durch Gesetze gehemmt wird? Wenn's nach dem Rechte geht, so muß Einer jeden Tag der Woche im ganzen Patent fischen und jagen dürfen, wenn er Lust dazu hat.“
„Ich verstehe Euch, Lederstrumpf,“ entgegnete der Major, indem er seine schwarzen Augen mit einem bedeutungsvollen Blick auf den Jäger heftete; „aber Ihr seyd doch sonst nie so klug gewesen. Euch allzusehr um das zu kümmern, was kommen könnte?“
„Vielleicht hatte ich nicht so viel Anlaß dazu,“ sagte der Jäger ein wenig verdrießlich, und versank darauf in ein Schweigen, das er geraume Zeit nicht wieder brach.
„Der Richter hat vorhin von den Franzosen erzählen wollen,“ bemerkte Hiram, da die Unterhaltung jetzt ein wenig stocken wollte.
„Ja, Sir,“ versetzte Marmaduke; „die Jakobiner von Frankreich scheinen sich von einem Akte der Zügellosigkeit in den andern zu stürzen. Sie führen ihr Schlächtergewerbe unter dem Titel ,Gesetzesvollstreckung‘ fort; und Ihr habt wohl gehört, daß sie der langen Liste ihrer Gräuelthaten auch die Ermordung ihrer Königin beigefügt haben.“
„Les monstres!“ murmelte Monsieur Le Quoi abermals, indem er sich plötzlich mit einem convulsivischen Zucken auf seinem Stuhl umwandte.
„Die Vendée ist verheert durch die Truppen der Republik; und die Einwohner, welche es mit dem König halten, werden zu hunderten auf einmal erschossen. — Die Vendée ist ein Distrikt im Süden Frankreichs, der noch mit vieler Treue an der Familie der Bourbonen hängt. Ohne Zweifel kennt ihn Monsieur Le Quoi und kann uns denselben genau beschreiben.“
„Non, non, non mon cher ami,“ versetzte der Franzose mit unterdrückter Stimme, aber in raschen Worten, indem er zugleich mit der rechten Hand, wie abwehrend, gestikulirte, und mit der linken seine Augen bedeckte.
„In der letzten Zeit sind viele Schlachten geschlagen worden,“ fuhr Marmaduke fort, „und leider blieben die wüthenden Republikaner nur zu oft Sieger. Uebrigens thut es mir nicht gerade leid, daß sie den Engländern Toulon abnahmen, denn es ist ein Platz, an den Letztere durchaus kein Recht hatten.“
„Ah — ha!“ rief Monsieur Le Quoi aufspringend und in großer Lebhaftigkeit mit beiden Armen die Luft durchschneidend. „ces Anglais!“
Der Franzose ging unter Wiederholung dieser Ausrufungen einige Minuten lang mit größter Hast in der Stube auf und ab, und eilte sodann, wie übermannt von dem Sturme seiner innern Erregungen, plötzlich aus dem Hause. Man sah ihn durch den Schnee seinem Laden zuwaten und mit den Armen in der Luft fuchteln, als wolle er die Ehre seiner Nation aus dem Monde herunter holen.
Seine rasche Entfernung erregte nur wenig Erstaunen, da die Dorfbewohner seine Weise bereits kannten; nur der Major Hartmann lachte, das erstemal während seines Besuches, laut hinaus, erhob sodann den Krug und bemerkte — „der Franzmann ist toll; aber vom Trinken gewiß nicht. Er müßte nur vor Freude trunken seyn.“
„Die Franzosen sind gute Soldaten,“ meinte Kapitän Hollister; „sie haben uns bei York drunten manchen Dienst geleistet. Ich verstehe mich zwar nicht sonderlich auf die großen Bewegungen der Armee, aber ich glaube nicht, daß Seine Excellenz im Stande gewesen wäre, ohne ihren Beistand gegen Cornwallis zu marschiren.“
„Da hast Du Recht, Sergeant,“ fiel ihm sein Weib ein; „und ich wollte nur, Du hättest Dich gleichfalls stets wie sie gehalten. Prächtige Leute, die Franzosen! Ich hatte eben mit meinem Karren Halt gemacht, wie Ihr vorwärts rücktet, um die Reg'ler [Regulären] zu unterstützen, als Ein Regiment von diesen Herren vorbei marschirte; und so bediente ich sie ganz nach ihrem Gefallen. Und wie sie auszahlten! ja, in lauter guten vollwichtigen Kronen — kein Fetzen von dem verwünschten Papiergeld drunter. Gott vergebe mir, daß ich fluche und so Eitles rede; aber das muß ich den Franzosen nachsagen, daß sie in gutem Silber auszahlten. Sie konnten weit mit einem Glas reichen, denn sie ließen immer noch ein Tröpfchen drinn, wenn sie es zurückgaben. Da lobe ich mir das Geschäft, Richter, wo man gut ausblecht, und die Leute nicht so gar eigen sind.“