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„Kein Blutvergießen!“ rief der Jäger, als er den vorübergehenden Ausdruck der Wildheit in den Zügen des Indianers gewahrte. „Doch er ist betrunken und kann keinen Schaden thun. So geht es mit allen Wilden! Gebt ihnen Branntwein und sie machen sich selbst zu Hunden. Doch sey's drum — die Zeit wird nichtsdestoweniger kommen, wo Gerechtigkeit geübt wird. Wir müssen nur Geduld haben.“

Da Natty dieß in der Sprache der Delawaren laut werden ließ, so wurde er natürlich von Niemand verstanden. Er hatte kaum ausgesprochen, als Richard rief —

„Nun, der alte John ist zeitig fertig geworden. Gebt ihm Quartier in der Scheune, Kapitän, und laßt mich für die Bezahlung sorgen. Ich bin heute Abend reich, zehnmal reicher als 'Duke mit allen seinen Ländereien, Kapitalbriefen. Wechsel und Renten.“

Fort, fort mit den Grillen,

Und fort mit den Stillen —

Daß Sorgen nicht streuen die silbernen Flocken

Zu frühe in unsere dunkelen Locken.

„Tring, Trink, König Hiram ‘ trink, Meister Thunichts [Doolittle, Thuwenig, wird hier von dem spaßhaft gestimmten Richard Doonothing, Thunichts genannt.] — trink, sag' ich. Heute ist der Christabend, der bekanntermaßen nur einmal des Jahres kömmt.“

„He! he! he! der Squire ist heute ganz musikalisch,“ fing Hiram an, dessen Züge merkwürdige Anzeigen von Erschlaffung kund zu geben begannen. „Ich meine fast, wir sollten noch eine Kirche bauen, Squire?“

„Eine Kirche, Meister Doolittle? Nein, eine Kathedrale soll es werden! Bischöfe, Priester, Diakone, Küster, Sakristei und Chor; Orgel, Organist und Blasbälge! Beim Lord Harry, wie Benjamin sagt, wir wollen an dem andern Ende noch einen Thurm anbringen und zwei Kirchen daraus machen. Was meinst Du, 'Duke? Willst Du zahlen? He, wird mein Vetter Richter mit dem Gelde herausrücken?“

„Du machst einen solchen Lärm, Dick, daß ich unmöglich hören kann, was Doctor Todd sagt,“ entgegnete Marmaduke. — „Ich glaube, Du bemerktest, die Wunde könnte vielleicht eitern und bei dieser kalten Witterung dem Gliede Gefahr drohen?“

„Nicht doch, Sir; das wäre ganz gegen die Natur,“ sagte Elnathan, indem er sich zu räuspern versuchte. „Es ist ganz unwahrscheinlich, daß eine so gut verbundene Wunde, deren Veranlassung ich in meiner Tasche habe, eitern sollte. Ich denke, da der Richter im Sinne hat, den jungen Mann in sein Haus zu nehmen, so könnte man mit einem einzigen Umschlage [Das Original enthält hier ein unübersetzbares Wortspiel mit dem englischen charge, welches ,Umschlag und Rechnungbedeutet.] vollends ausreichen.“

„Ich meine auch, daß es einer thun sollte,“ entgegnete Marmaduke mit jenem schalkhaften Lächeln, welches oft seine Züge überflog und dabei die Person, der es galt, im Zweifel ließ, ob sie es als Neckerei oder überhaupt nur als launige Stimmung nehmen solle.

Der Wirth hatte inzwischen dem Indianer in einem seiner Nebengebäude ein Strohlager bereitet, wo John, in seine Wollendecke gehüllt, den Rest der Nacht zubrachte. Mittlerweile war aber auch der Major Hartmann heiter und munter geworden. Glas folgte auf Glas und Becher auf Becher, so daß das Zechgelage sich tief in die Nacht oder vielmehr in den Morgen hinein erstreckte, bis endlich der deutsche Veteran seinen Wunsch ausdrückte, nach dem Herrenhause zurückzukehren. Die Mehrzahl der Gäste hatte sich bereits entfernt; aber Marmaduke kannte die Gewohnheit seines Freundes zu gut, um auf einen früheren Aufbruch anzutragen. Sobald jedoch dieser Vorschlag gemacht war, ging der Richter bereitwillig darauf ein, und das Trio schickte sich zum Abzuge an. Frau Hollister begleitete ihre Gäste in Person bis an die Thüre und machte sie auf die sichersten Wege aufmerksam.

„Stützt Euch auf Mister Jones, Major,“ sagte sie; „er ist jung und sein Beistand wird Euch von Nutzen seyn. Nun, es macht mir immer Freude, Euch in dem kühnen Dragoner zu sehen; und gewiß ist es nichts Schlimmes, den Christabend mit leichtem Herzen zu begehen, denn man kann nicht wissen, welche Sorgen unserer harren. Gute Nacht, Richter; und fröhliche Weihnachten Euch allen.“

Die Herren verabschiedeten sich, so gut sie konnten, und hielten sich in der Mitte der Straße, wo ein schöner, breiter, wohlbetretener Pfad war, so daß sie leidlich genug vorwärts kamen, bis sie an das Gartenthor des Herrenhauses gelangten; aber bei dem Eintreten in des Richter Domänen ergaben sich einige Schwierigkeiten. Wir wollen uns jedoch nicht mit Aufzählung derselben aufhalten, sondern nur anführen, daß man des andern Morgens einige sehr abweichende Pfade in dem Schnee fand, und daß Marmaduke, noch ehe er die Hausthüre erreichte, seine Gefährten vermißte. Die genannten Pfade setzten ihn in den Stand, ihre Spur zu verfolgen, und so fand er sie denn, bis auf die Köpfe in dem Schnee begraben, wobei Richard aus Leibeskräften sang:

Fort, fort mit den Grillen

und fort mit den Stillen —

Das Sorgen nicht streuen die silbernen Flocken

Zu frühe in unsre dunkelen Locken.

Fünfzehntes Kapitel.

„Wie es lag, an jenem Tag, in der Bai von Biskay, oh!“ 

Noch ehe die im vorigen Kapitel beschriebene Seene im kühnen Dragoner ihren Anfang nahm, war Elisabeth wohlbehalten nach dem Herrenhause zurückgeleitet worden, wo sie nun, als die Gebieterin desselben, nach Belieben schalten und den Abend nach ihrer Neigung verbringen konnte. Die Lichter waren meistens erloschen; da jedoch Benjamin mit großer Pünktlichkeit und Vorsorglichkeit vier große Kerzen in eben so vielen massiven Messingleuchtern auf dem Servirtische der Reihe nach aufgepflanzt hatte, so gewann dadurch die Halle eine eigenthümliche Behaglichkeit, welche mit dem unerfreulichen Anblick des Akademiesaals in einem schroffen Gegensatze stand.

Remarkable hatte Herrn Grant's Predigt gleichfalls mitangehört und ihre Empfindlichkeit, welche die rauhen Worte des Richters nicht wenig erhöht hatten, war durch den Einfluß des Gottesdiensts etwas gemildert worden. Sie gedachte der Jugend Elisabeth's, und meinte, es dürfte nicht schwer werden, auch unter den gegenwärtigen Verhältnissen jene Macht zu üben, welche sie bisher unbestritten besessen. Der Gedanke, Jemand über sich zu haben, gegen den sie in der Abhängigkeit eines Dienstboten stehen sollte, war ihr durchaus unerträglich, und sie hatte sich bereits ein halb Dutzend Entwürfe gebildet, wie sie es angreifen wolle, um sich rasch über ihre Stellung im Hause Gewißheit zu verschaffen. Aber so oft sie dem dunkeln, stolzen Auge Elisabeth's begegnete, die, sinnend über die Scenen ihrer Kindheit, die Veränderung ihrer Lage und vielleicht auch über die Ergebnisse des Tages, in dem Zimmer auf und nieder ging, empfand die Haushälterin eine Scheu, die ihr noch kein sterbliches Wesen einzuflößen vermocht hatte, obgleich sie sich's nicht gestehen wollte. Dieß schüchterte sie ein und hielt für eine Weile ihre Zunge in Banden. Endlich entschloß sie sich jedoch, das Gespräch einzuleiten, indem sie einen Gegenstand wählte, der geeignet war, die Rangunterschiede aufzuheben und ihre eigenen Fähigkeiten in einem vortheilhaften Lichte zu entfalten.