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„Ihr müßt in Eurem Leben viele Erfahrungen gesammelt haben Benjamin, denn die Schrift sagt, diejenigen, die in Schiffen das Meer besuchen, sehen die Werke des Herrn.“

„Nun, was das anbelangt, so haben die in einer Brigg oder in einem Schooner den gleichen Vortheil, und ich könnte sagen, sie sähen auch die Werke des Teufels. Die See, Jungfer Remarkable, bietet den Menschen viele Belehrung, denn man lernt dabei die Gebräuche der Völker und die Gestalt des Landes kennen. Was meine Person anbelangt, so bin ich freilich in Vergleichung mit Vielen, welche die Meere besuchen, nur ein ungelehrter Mann; aber ich glaube, daß es von der Küste des Kaps Ler Hogue bis hinunter zum Kap Finister kein Vorgebirg und keine Insel gibt, von der ich nicht den Namen oder sonst Eines und das Andere wüßte. — Nehmt doch auch genug, Jungfer Remarkable, daß das Wasser eine Farbe kriegt; hier ist Zucker. Ihr seyd ein Leckermaul und habt's gern süß, Jungfer Prettybones. — Aber was ich sagen wollte: nehmen wir die ganze Küste an, so kenne ich sie so gut, als den Weg nach dem kühnen Dragoner, besonders aber die verteufelte Bai von Biskay, Puh! ich wollte. Ihr könntet den Wind dort pfeifen hören. Man braucht da oft zwei Leute zum Halten, daß er einem nicht das Haar von dem Kopfe bläst. Durch diese Bai lenssen ist so ziemlich das Nämliche, wie wenn man hier zu Lande auf der einen Seite einen Berg hinan und auf der andern hinunter klettert.“

„Was Ihr da sagt,“ rief Remarkable. „Und steigt denn dort das Meer berghoch an, Benjamin?“

„Nun, ich will Euch das erzählen; aber erst laßt uns ein Schlückchen Grog versuchen. — Hm! ich muß gestehen, es ist ein ganz wackerer Stoff, den man hier zu Lande führt; aber man hat ja auch Westindien gerade neben Bord und braucht also nicht weit darnach zu schicken. Bei'm Lord Harry, Jungfer Remarkable, wenn Gernsey nur irgendwo zwischen dem Kap Hatteras und dem Bite von Logann läge, wie wohlfeil müßte nicht da der Rum seyn? Was die See in der Bai von Biskay anbelangt, so wirft sie gerade nicht sonderlich hohe Wellen, wenn nicht allenfalls ein Südwester losbricht, wo sie dann freilich hübsch genug umher tummeln, obgleich man eigentliche Schwellen nicht in den kleinen Meeren suchen darf. Da muß man bei einer westlichen Bö an den westlichen Inseln hinauffahren, das Land auf der Backbordseite, den Schnabel nach Süden gekehrt, und unter dicht gerefftem Marssegel beigedreht; meinetwegen kann auch das Focksegel mit dem Fockmarsstagsegel und dem Besahnsegel gerefft seyn, um wo möglich seewärts halten zu können. Ja, da braucht man nur zwei Wachen liegen zu bleiben, wenn man berghohe Wellen sehen will. Ich war einmal auf der Boadishey-Fregatte dort, gute Jungfer, als man von dem Himmel nicht weiter als einen Fetzen, vielleicht von der Größe des Schönfahr-Segels, sehen konnte. Wir lagen damals in Hohlwellen, die groß genug waren, um die ganze brittische Flotte bergen zu können.“

„Ach! um Gotteswillen! und Ihr habt Euch nicht gefürchtet, Benjamin? Wie habt Ihr Euch denn durchgeholfen?“

„Gefürchtet? Wer zum Teufel, glaubt Ihr, wird sich denn fürchten, wenn ihm ein bischen Salzwasser über den Kopf zusammen schlägt? Und was das Durchhelfen anbelangt — je nun, als wir genug davon hatten und unsere Verdecke hübsch abgewaschen waren, so riefen wir alle Matrosen auf; denn seht Ihr, die Wache unten lag in ihren Hängematten, gerade als ob sie in dem besten Schlafzimmer gewesen wäre; und so blieben wir eine geraume Weile wach, drückten das Steuer luvwärts, ließen das Focksegel fallen und fingen an zu laviren. Wie wir dann wieder so im Gange waren, so frage ich Euch, Jungfer Prettybone, meint Ihr wohl, daß es da rascher ging oder nicht? Ich lüge nicht, wenn ich sage, daß ich das Schiff von einer Wellenspitze zur andern hüpfen sah, gerade so wie die mit einer Flatterhaut versehenen Eichhörnchen von einem Baume zum andern fliegen.“

„Was? ganz aus dem Wasser heraus?“ rief Remarkable, indem sie ihre zwei dürren Arme erhob und erstaunt die Finger aus einanderspreizte.

„Es war nicht so leicht aus dem Wasser heraus zu kommen, Jungfer Remarkble, denn die Sprühe flog so hoch, daß man nicht sagen konnte, was See und was Wolke war. So trieben wir's wohl eine Stunde lang. Der erste Lieutenant kommandirte das Schiff selbst, und außer dem Steuermann waren vier Schiemänner am Steuer beschäftigt, während sechs Matrosen von dem Vorderkastell in dem Geschützraum bei den Aufholern blieben. Aber das Schiff hielt sich brav! O, es war ein herrliches Fahrzeug, Jungfer Remarkable! Ich hätte lieber in dieser einen Fregatte wohnen mögen als in dem besten Hause von England. Wenn ich der König von England gewesen wäre, so hätte ich sie über die Londoner Brücke aufhohlen lassen, und sie zu einem Pallast eingerichtet. Und warum nicht? Wenn ein Mensch sich ein behagliches Leben verschaffen kann, so muß es Seine Majestät können.“

„Wohl. Benjamin.“ rief die Zuhörerin, die bei dem Bericht über die Gefahren des Majordomo ganz außer sich gerieth; „aber was habt Ihr dabei gethan?“

„Was ich dabei gethan habe? Ei, wir thaten alle unsere Schuldigkeit, wie herzhafte Bursche. Freilich wenn die Landsleute des Monschür Ler Quaw an Bord gewesen wären, so würde das Fahrzeug gewiß an dem Ufer einer der kleinen Inseln zerschmettert worden seyn; aber wir liefen an dem Lande hin, bis wir todt leewärts von den Bergen des Piko lagen, und ich will verdammt seyn, wenn ich bis auf den heutigen Tag herausgebracht habe, wie wir hinkamen und ob wir über die Insel weggeschifft oder um sie herumgefahren sind. Aber wir waren einmal da, und lagen da unter leichtem Segel, lavirten hin und her, so daß die Fregatte hin und wieder ihre Nase hinausstrecken konnte, und sahen dem Winde entgegen, bis die Kühlte aus dem letzten Loche pfiff.

„Was das für Wundergeschichten sind!“ rief Remarkable, die nunmehr eine wirre Vorstellung von dem Wüthen eines Sturms gewonnen hatte, obgleich ihr die Ausdrücke, welche Benjamin brauchte, unverständlich waren. „Es muß doch etwas Schreckliches seyn, auf dem Meere draußen, und ich finde es sehr natürlich, daß Ihr Euch nicht mit dem Gedanken befreunden könnt, von einem so behaglichen Heerd, wie dieser, weggedrängt zu werden. Zwar läge nicht besonders viel daran, denn es gibt noch mehr Häuser die Einem ein anständiges Auskommen bieten. Als der Richter mir seine Wirthschaft übergab, fiel es mir gar nicht ein, daß hier lange meines Bleibens wäre, denn ich kam ganz zufällig, ungefähr eine Woche nach Frau Temple's Tode her, um zu sehen, wie sich die Familie befinde, und gedachte Abends wieder heimzukehren; aber das Hauswesen war in einem so verwirrten Zustande, daß ich es nicht übers Herz bringen konnte, zu gehen, ohne meine Dienste anzubieten. Der Platz stund mir an, da ich als eine unverheirathete Person über mich verfügen konnte; und weil man meiner Hilfe nenöthigt war, so blieb ich.“

„Nun seyd eine schöne Zeit an denselben Platze vor Anker gelegen, Jungfer Remarkable. Ich denke, die Rhede hat Euch nicht übel behagt.“

„Wie mögt Ihr auch so reden, Benjamin! Es ist kein wahres Wort an Allem, was Ihr sagt. Ich muß zwar gestehen, daß der Richter und Squire Jones ganz ordentlich mit mir umgegangen sind; aber ich sehe voraus, daß sich der Stiel bald umdrehen wird. Ich hörte zwar wohl, daß der Richter weit fortgereist sey und daß er seine Tochter heimzuholen beabsichtigte, aber auf ein solches Treiben habe ich nicht gerechnet. Ich fürchte, Benjamin, daß sie sich gegen uns als eine recht herrische und häßliche Frauensperson erweisen wird.“

„Häßlich?“ rief der Majordomo, indem er seine Augen, die sich in sehr verdächtiger Schläfrigkeit bereits zu schließen begannen, verwundert aufriß. „Beim Lord Harry, Weibsbild, Ihr könntet ebenso gut Boadishey eine garstige Fregatte nennen! Was zum Teufel wollt Ihr denn? Sind nicht ihre Augen so leuchtend wie der Morgen- und der Abendstern; und sind nicht ihre Haare so glänzend wie ein Takelwerk, das so eben mit Theer beschiert worden? Bewegt sie sich nicht so stattlich wie ein Schiff ersten Ranges in glattem Wasser, das vor seiner Kabel tanzt? Ei, Weib, das Gallionbild der Boadishey war eine Trulle gegen sie, und doch hörte ich den Capitän oft sagen, es stelle eine große Königin vor. Und sind Königinnen nicht immer schön? Meint Ihr, ein König wäre einfältig genug, sich nicht eine schöne Bettgenossin zu wählen?“