„Redet sittsamer, Benjamin, sagte die Haushälterin, „oder ich bleibe nicht in Eurer Gesellschaft. Ich habe nichts gegen ihr hübsches Aueßere einzuwenden, aber das behaupte ich, daß sie sich wahrscheinlich nicht zum Besten benehmen wird. Es kommt mir vor, als halte sie sich für zu gut, um Jemanden ein Wort zu gönnen. Nach dem, was mir Squire Jones erzählt hat, glaubte ich von ihrer Gesellschaft ganz bezaubert werden zu müssen; aber nun muß ich sagen, daß sich Louise Grant viel anständiger zu benehmen weiß, als Betty Temple. Sie würdigte mich gar keiner Antwort, als ich sie fragte, wie es ihr in der Heimath wäre, da ihr die Mama fehlte?“
„Vielleicht hat sie Euch nicht verstanden, Jungfer Prettybones. Ihr sprecht nicht zum Besten, und Miß Betty hat sich unter den großen Londoner Damen nur an das ursprüngliche Königliche Englisch gewöhnt; sie spricht es daher so gut als ich selbst, oder als irgend ein anderer geborener brittischer Unterthan. Ihr habt das Bischen, was Ihr könnt und was Ihr in der Schule gelernt, wieder ausgeschwitzt, während die junge Herrin alles noch gut im Gedächtniß hat und gewiß auch fleißiger gewesen ist, als Ihr.“
„Herrin?“ rief Remarkable. „Wollt Ihr etwa gar eine Negerin aus mir machen, Benjamin? Sie ist nicht meine Herrin und wird es nie seyn. Und was meine Aussprache anbelangt, so nehme ich's da mit Jedem in Neu-England auf. Ich bin in der Grafschaft Essex geboren und erzogen, und habe immer sagen hören, daß der Baystaat wegen seiner Pronunschation berühmt ist.“
„Ich habe von dieser Staatbay gehört,“ versetzte Benjamin, „Kann aber nicht sagen, daß ich je dort gewesen wäre, oder überhaupt auch nur wüßte, wo sie liegt. Sie mag guten Ankergrund haben, und das ist jedenfalls nicht übel, wenn man eine Weile zu bleiben denkt; was aber die Größe anbelangt, so kann sie in Vergleichung mit der Bay von Biskay oder meinetwegen auch der Tox-Bay nicht mehr seyn, als eine Yolle gegen eine Kriegsschaluppe. Wenn Ihr indeß von der Aussprache redet und das ganze Wörterbuch wie ein Kabel in einem Zuge ablaufen hören wollt, so müßt Ihr nach Wapping gehen und die Londoner hören; das sind die rechten Leute. Ich sehe jedoch gar nicht ein, was Euch Miß Lizzy so groß Unrecht gethan hat, gute Jungfer Remarkable. Nehmen wir daher noch ein Schlückchen von unserm Gebräu und vergeben und vergessen wir wie ehrliche Christenseelen.“
„Nein das thue ich gewiß nicht, Benjamin. Eine solche Behandlung ist mir etwas Neues, und ich lasse sie nicht auf mir liegen. Ich habe hundert und fünfzig Dollars im Vermögen, nebst einem Bett und zwanzig Schafen; und da brauch ich denn nicht in einem Hause zu leben, wo man ein junges Frauenzimmer nicht bei ihrem Taufnamen nennen darf. Ich will sie Betsy nennen, so oft es mir beliebt, denn wir leben in einem freien Lande und Niemand kann mir's wehren. Ich habe zwar den Sommer über bleiben wollen; so aber ziehe ich gleich morgen ab, und will dabei noch meine Zunge brauchen, wie sie mir gewachsen ist.“
„Was das anbelangt, Jungfer Remarkable,“ erwiederte Benjamin, „so ist Niemand hier, der Euch wiedersprechen wird; denn ich bin der Ansicht, daß es ebenso leicht ist, einer Windsbraut mit einem Barcellona-Schnupftuch Einhalt zu thun, als Eure Zunge zum Schweigen zu bringen. Doch sagt mir jetzt, Jungfer Haushälterin, gibt es auch viele Affen an den Ufern jener Staatsbay?“
„Ihr seyd selbst ein Affe, Herr Penguillum,“ rief die Haushälterin wüthend; „oder ein Bär! ein schwarzer, viehischer Bär, und durchaus nicht die Person, bei der eine anständige Frauensperson bleiben kann. Gott bewahre mich vor Eurer Gesellschaft, und wenn ich auch noch dreißig Jahre in des Richters Haus bleiben sollte. Ein solches Geschwätz taugt allenfalls für die Küche, nicht aber für die Ausgeberin eines Hauses, dessen Herr sich in der Welt sehen lassen darf.“
„Na, sehe man, Jungfer Pitty — Patty — Prettybonrs; kann seyn, daß ich so eine Art Bär bin, wie jeder empfinden soll, der mir auf den Leib rücken will; aber hole mich der T — —, wenn ich ein Affe bin — ein Ding, das an einem fortschnattert, ohne zu wissen , was es sagt ein Papagei, der in einem Duzend Sprachen redet, sey es nun in der der Staatsbay-Sprache, oder in der griechischen, oder in der deutschen. Weiß er aber, was er damit sagen will? Kannst Du mir das beantworten, gute Jungfer? Ein Seekadet kann die Commandoworte nachschreien, wenn er sie vom Capitän gehört hat; aber man lasse ihn nur einmal selber machen, und das Schiff nach seinem eigenen Kopfe lenken — der Grog soll zu Gift in meinem Leibe werden, wenn ihn nicht sogar die Schiffsjungen auslachen!“
„Der ist freilich Gift in Eurem Leibe!“ entgegnete Remarkable, indem sie in heftigem Zorne eine Kerze ergriff. „Ihr seyd ein trunkener Narr, und ich will das Zimmer verlassen, ehe ich weitere ungebührliche Worte von Euch vernehme.“
Die Haushälterin entfernte sich mit einem Anstande, der, ihrer Meinung nach, dem der Erbin wenig nachgab, und murmelte, als sie die Thüre mit dem Krachen einer Muskete hinter sich zuschlug, die Schimpfworte. „Trunkenbold,“ „Narr,“ und „Vieh,“ vor sich hin.
„Wen nennt Ihr betrunken?“ rief Benjamin, indem er sich mit einer Geberde aufrichtete, als gedenke er auf Remarkable loszufahren. „Wollt Ihr da die Dame spielen — Ihr, die Ihr zu nichts auf der Welt seyd, als zum Brummen und Splitter aufsuchen? Wo zum Teufel hättet Ihr auch ein anständiges Benehmen und eine ordentliche Aussprache lernen sollen? In Eurer verdammten Staatbay? Ha, ha!“
Damit fiel Benjamin wieder in seinen Stuhl zurück und machte sich bald in einigen ominösen Tönen Luft, die eine ziemlich große Aehnlichkeit mit dem Brummen seines Lieblingsthieres, des Bären, hatten. Ehe er jedoch ganz — um mich eines Ausdrucken zu bedienen, der dem Della-crusca-Sentiment gewisser edlen Seelen unserer Tage behagen würde — von Morpheus Armen umschlungen war, ließ er laut unter abgemessenen Pausen die ausdrucksvollen Worte „Affe,“ „Papagai,“ „Theertopf“ und „Sprachmeisterin“ vernehmen.
Wir wollen es nicht versuchen, die Bedeutung dieser Worte zu erklären, oder dieselbe in einen Zusammmenhang zu bringen; und der Leser muß sich schon mit unserer Mittheilung begnügen, daß sie mit all' der kalten Verachtung ausgesprochen wurden, die ein Mensch möglicher Weise gegen einen Affen empfinden kann.
Der Majordomo mochte ungefähr zwei Stunden schlafend verbracht haben, als er durch den geränschvollen Eintritt Richard's, des Majors Hartmann und des Hausherrn geweckt wurde. Benjamin sammelte seine verwirrten Seelenvermögen so weit, um die beiden ersteren nach ihren Gemächern zu begleiten, worauf er jedoch selbst unsichtbar wurde und das Geschäft, das Haus zu schließen, dem überließ, welcher am meisten bei einer solchen Sicherung betheiligt war. Schlösser und Riegel waren in jener frühen Zeit der Ansiedelung nur wenig im Gebrauch, und sobald Marmaduke nach den ungeheueren Feuerstellen seiner Wohnung gesehen hatte, verfügte er sich gleichfalls nach seinem Schlafgemache. Wir folgen dem Beispiel unserer Helden und schließen, nachdem wir Feuer und Licht verwahrt haben, die erste Nacht unserer Erzählung.
Sechszehntes Kapitel.
Wache. (bei Seite) Verrath, ihr Herren —
Doch bleibt beisammen.
Viel Lärm um Nichts.
Es war ein Glück für mehr als einen der Zechgenossen, welche in der letzten Nacht den kühnen Dragoner verlassen hatten, daß die strenge Kälte der Jahreszeit mit reißender Schnelle an Gefahr verlor, während sie durch die verschiedenen Irrgewinde der Schneehaufen ihren Weg nach dem heimischen Heerde suchten. Dünne Wolken begannen gegen Morden den Himmel zu überziehen und der Mond versteckte sich hinter einer Dunstmasse, die unter dem Einflusse einer milderen, von dem fernen Ocean herwehenden Luft rasch gen Norden getrieben wurde. Die aufgehende Sonne wurde durch dichte, sich stets mehrende Wolkenmassen verdunkelt, während der Südwind, der thalaufwärts fegte, die untrüglichen Zeichen des Thauwetters mit sich führte.