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Erst spät am Morgen, als Elisabeth die schwache Glut gewahrte, welche, nachdem das Licht der Sonne bereits das entgegengesetzte Gebirge berührt hatte, über den östlichen Bergen zum Vorschein kam, wagte es die Tochter des Richters, das Haus zu verlassen, um durch eine Musterung seiner Umgebung ihre Neugierde zu befriedigen, ehe noch die Nachtschwärmer des Weihnachtsabends bei dem Frühstücke erschienen. Sie zog die Falten ihres Pelzmantels dichter an, um sich gegen die Kälte, welche, trotz ihrer schnellen Abnahme, immer noch streng genug war, zu schirmen, und war eben im Begriffe durch die Thüre einer Einzäunung zu treten, welche hinter dem Hause zu einem kleinen Dickicht von niederen Fichten führte, wo vor nicht gar langer Zeit Bäume von weit gewaltigerem Wuchs gestanden hatten, als sie durch Herrn Jones' Stimme überrascht wurde.

„Frohe Weihnachten! frohe Weihnachten, Bäschen Elisabeth!“ schrie er. „Aha, ich sehe, du bist früh auf den Beinen; aber ich wußte es ja, daß ich Dir zuvorkommen würde. Ich war noch nie in einem Hause, wo ich nicht der ganzen Bewohnerschaft, Mann, Weib oder Kind, groß oder klein, schwarz, weiß oder gelb, den ersten Christfestgruß abgewann. Aber warte einen Augenblick, bis ich in meinen Rock geschlüpft bin. Ich sehe, Du willst Dir die Verschönerung betrachten, und die kann Dir Niemand so gut erklären, als ich, da Alles nach meinem Plan angelegt worden. Es wird noch eine Stunde anstehen, ehe 'Duke und der Major Frau Hollister's verwünschte Destillate hinausgeschlafen haben; und so will ich denn hinunterkommen und Dich begleiten.“

Elisabeth wandte sich um und sah den Kopf ihres Vetters in der Nachtmütze unter dem Fenster seines Schlafgemaches, denn der Eifer sich die Ehre der ersten Begrüßung zuzueignen, hatte Herr Jones der Kälte ganz vergessen lassen. Sie lachte und trat mit dem Versprechen, auf ihn zu warten, wieder in das Haus. Nach einer Weile kam sie mit einem Paket in der Hand, das mit mehreren großen Siegeln versehen war, wieder zum Vorschein, und zwar gerade zur rechten Zeit, um mit ihrem Vetter zusammen zu treffen.

„Komm 'Beß, komm,“ rief er, indem er einen ihrer Arme durch den seinigen zog; „der Schnee fängt an weich zu werden, aber uns wird er schon noch tragen. Riechst Du nicht das alte Pennsylvanien in diesem Winde? Wir haben hier ein schlimmes Clima, Mädchen. Gestern Abend bei Sonnenuntergang war es kalt genug, um den Eifer eines Mannes zum Gefrieren zu bringen, und das ist für mich so viel, als wenn das Thermometer auf Null steht; um neun oder zehn Uhr begann die Kälte zu brechen; um Mitternacht wurde es ganz mild; und die ganze übrige Nacht durch war es mir so heiß, daß ich die Wollendecke meines Bettes wegwerfen mußte. — Holla, Aggy! — hörst Du schwarzer Schlingel? Da ist ein Dollar für Dich: und wenn die Herren aufstehen, ehe ich zurückkehre, so kömmst Du heraus und thust es mir zu wissen. So lieb Dir Dein Kopf ist, sorge dafür, daß mir 'Duke nicht zuvorkömmt.“

Der Schwarze nahm das Geld von dem Schnee auf, versprach gehörige Wachsamkeit, warf sodann den Dollar wohl zwanzig Fuß in die Höhe, fing ihn im Herabfallen mit der Handfläche wieder auf und verfügte sich nach der Küche, um mit ebenso leichtem Herzen als glücklichem Gesichte sein Geschenk vorzuzeigen.

„Nicht so laut, lieber Vetter,“ sagte die junge Dame: „Ich habe bereits nach dem Vater gesehen, der wohl noch eine Stunde schlafen wird; Du brauchst daher nur die gehörige Vorsicht anzuwenden, um Dir alle Ehren des Tages zu retten.“

„Wohl; 'Duke ist Dein Vater, Elisabeth, aber ich muß doch sagen, daß er überall, sogar in Kleinigkeiten, der Vorderste seyn will. Was mich anbelangt, so mache ich mir nichts aus derlei Dingen, wenn es nicht gerade gilt, einem den Vorrang abzulaufen. Etwas an und für sich Unbedeutendes kann auf dem Wege der Concurrenz zu etwas Wichtigem werden. So ist es mit deinem Vater, — er hat's gern, der erste zu seyn; aber da stehe dann ich als Mitbewerber an seiner Seite.“

„Das leuchtet mir wohl ein, Vetter,“ versetzte Elisabeth. „Du würdest Dir nichts aus der Auszeichnung machen, wenn Du allein auf der Welt stündest; da es aber zufälliger Weise noch gar viele andere gibt. — je nun, so mußt Du mit ihnen allen kämpfen auf dem Wege der Concurrenz.“

„Ganz richtig, ich sehe, Du bist ein gescheutes Mädchen, 'Beß, das seiner Erziehung Ehre macht. Du hast's übrigens nur mir zu danken, daß Du in jene Anstalt geschickt wurdest; denn als Dein Vater die Sache zur Sprache brachte, fragte ich einen umsichtigen Freund in der Stadt brieflich um Rath, welcher gerade dieselbe Schule empfahl, in welche Du gebracht wurdest. 'Duke war, wie gewöhnlich, anfangs etwas störrisch; aber als ich ihm reinen Wein einschenkte, sah er sich endlich doch genöthigt, dich hinzusenden.“

„Still, still, von 'Duke's Schwächen. Er ist mein Vater; und wenn Du wüßtest, was er für Dich gethan hat, während wir in Albany waren, so würdest Du Dich glimpflicher über seinen Charakter ausdrücken.“

„Für mich?“ rief Richard, indem er einen Augenblick seinen Spaziergang unterbrach, um nachzudenken. „Ah, ich vermuthe, er hat mir den Plan des neuen holländischen Bethauses mitgebracht? Aber daraus mache ich mir wenig: denn ein Mann, der Talent besitzt, läßt sich nicht gern durch die Ansichten Anderer leiten; sein eigenes Gehirn ist der beste Baukünstler.“

„Nichts der Art,“ fuhr Elisabeth, mit einer schalkhaften herausfordernden Miene fort.

„Nicht? Nun, so laß mich sehen — vielleicht hat er mich zum Direktor für die neue Straßenbaucommission vorgeschlagen?“

„Möglich; aber ich meine keine solche Anstellung.“

„Keine solche Anstellung?“ wiederholte Herr Jones, den die Neugierde gewaltig zu stacheln begann. „Also doch eine Anstellung! Wenn's aber eine beim Militär ist, so will ich nichts davon wissen.“

„Nein, nein, sie ist nicht beim Militär,“ rief Elisabeth, indem sie ihm das Paket in ihrer Hand zeigte und es dann schnell mit neckender Miene zurückzog. „Es handelt sich dabei um ein Amt, das Ehre und Einkommen mit einander vereinigt.“

„ Ehre und Einkommen?“ erwiederte Richard in der peinlichsten Spannung. „Sage mir Mädchen, ist es ein Amt, wo es Etwas zu thun giebt.“

„Du hast's getroffen, Vetter Dick; es ist die vollziehende Gewalt des Bezirks, — wenigstens sagte mein Vater so, als er mir dieses Paket aushändigte, um es Dir als Christgeschenk zu überreichen. — ,Gewiß,‘ sagte er, ,wenn Etwas Dick zusagen wird, so ist es die Leitung der vollziehenden Gewalt in diesem Bezirk.‘ “

„Leitung der vollziehenden Gewalt? Pah, Unsinn!“ rief der ungedultige Aspirant, indem er ihr das Packet aus der Hand riß. „Es gibt kein solches Amt in dem Bezirk. Ey, ey! Was? — ich glaube, gar, eine Bestallung — ,Richard Jones Esquire ernannt zum Sheriff des Bezirks.‘ Nun das ist gewiß sehr freundlich von 'Duke. Ich muß sagen, 'Duke hat ein warmes Herz und vergißt seine Freunde nie. Sheriff, Ober-Sheriff von — —! Es klingt gut; aber das Amt soll auch gut versehen werden. 'Duke ist im Grunde doch ein verständiger Mann und kennt seine Leute durch und durch. Ich bin ihm sehr verbunden“ — fuhr Richard fort, indem er unwillkührlich mit seinem Rockärmel nach den Augen fuhr; „ich würde aber auch jeden Tag eben so viel für ihn thun, wie er sehen soll, wenn es einmal Gelegenheit gibt, die Pflichten meines Amtes an ihm zu üben. Das soll eine Verwaltung geben, Bäschen Elisabeth; ich sage weiter nichts, als — das soll eine Verwaltung geben! — Wie einem aber doch dieser verwünschte Südwind die Augen naß macht!“

„Nun, ich denke, Richard,“ entgegnete das lachende Mädchen, „daß Du da wohl etwas zu thun finden wirst. Ich habe dich früher oft klagen hören, daß es in diesem neuen Landstrich keine Geschäfte gäbe, während es doch meinen Augen dünkt, als ob noch fast gar nichts geschehen sey.“