Es lag weder in dem Benehmen noch in dem Anerbieten des Richters etwas, was das Widerstreben, wir möchten fast sagen, den Unmuth rechtfertigen konnte, womit der Jüngling diese Worte anhörte. Nach einer gewaltsamen Anstrengung, sich zusammen zu nehmen: erwiederte er endlich:
„Ich würde Ihnen, Sir, oder einem andern Manne, gerne dienen, um mich ehrlich fortzubringen, denn ich will nicht verhehlen, daß ich vielleicht in einer noch bedrängtern Lage bin, als sich aus meinem Aeußern schließen läßt. Aber ich fürchte, daß solche neue Verbindlichkeiten mich an einem wichtigern Geschäfte hindern könnten, weßhalb ich Ihr Anerbieten ablehnen und mich, wie bisher, hinsichtlich meines Unterhalts auf meine Büchse verlassen muß.“
Richard nahm jetzt die Gelegnheit wahr, der jungen Dame, welche sich ein wenig in den Hintergrund gezogen hatte, zuzuflüstern:
„Siehst Du, Bäschen Elisabeth; das ist der natürliche Widerwille eines Menglings, den zustand der Wildheit zu verlassen. Ich glaube in der That, ihre Vorliebe für das Vagabundenleben ist unabänderlich.“
„Du greifst da zu einem unsichern Gewerbe,“ versetzte Marmaduke, der nichts von des Sheriffs Worten gehört hatte — „welches noch viel mehr Uebles mit sich führt, als die Noth des Augenblickes. Glaube einem Mann, junger freund, der mehr Erfahrung besitzt als Du, wenn er Dir sagt, daß das unstäte Leben eines Jägers keine zeitlichen Güter bringt, und den Mann ganz ung gar von einem höheren, heiligeren Ziele abführt.“
„Nein, nein, Richter,“ fiel Lederstrumpf ein, der bis jetzt unbemerkt oder doch unbeachtet geblieben war; „Sie mögen ihn meinetwegen in Ihr Haus mitnehmen, aber Sie müssen ihm auch die Wahrheit sagen. Ich habe vierzig lange Jahre in den Wäldern zugebracht und fünf Jahre gelebt, ohne eine größere Lichtung zu sehen, als eine Windgasse in den Bäumen; und doch möchte ich wissen, wo Sie einen Mann in seinem achtundsechzigsten Jahr finden wollen, der ein ruhigeres Leben führte, trotz der neumodischen Verbesserungen und Jagdgesetze. Was außerdem die Ehrlichkeit, und Das, was unter seinen Nebenmenschen Rechtens ist, anbelangt, so geb ich dabei dem langathmigsten Priester in eurem Patent kein Haar nach.“
„Du machst eine Ausnahme, Lederstrumpf,“ entgegnete der Richter, indem er dem Jäger gumüthig zunickte; „denn Du lebst so mäßig, wie wenige Deines Gewerbes, und bist so zäh, daß Du Deinen Jahren Trotz bieten kannst. Aber dieser Jüngling ist aus zu zartem Stoffe gewebt, als daß er in dem Wald zu Grunde gehen dürfte. Ich bitte Dich, schließe Dich meinem Haushalte an, wäre es auch nur, bis Dein Arm geheilt ist. Meine Tochter, die demselben vorsteht, wird Dir sagen, daß Du willkommen bist.“
„Gewiß,“ sagte Elisabeth, deren Eifer nur durch die weibliche Zurückhaltung etwas gezügelt war. — „Der Unglückliche ist jeder Zeit willkommen, und doppelt, wenn wir uns den Vorwurf machen müssen, daß wir seine Lage verschuldet.“
„Ja,“ fügte Richard bei; „und wenn Ihr einen Truthahnsbraten liebt, so versichere ich Euch, er findet sich nirgends häufiger und besser, als in unserm Hühnerhof.“
Als Marmaduke sich so kräftig unterstützt sah, verfolgte er seinen Vortheil weiter. Er setzte dem jungen Mann die Obliegenheiten der ihm zugedachten Stellung auseinander, und berührte ausführlich die Belohnung und alles Dasjenige, was unter Geschäftsleuten als wichtig erscheint. Edwards hörte in schwerem Seelenkampfe zu, der sich in seinen Zügen nicht verkennen ließ, denn hin und wieder schien er den Vorschlag begierig aufgreifen zu wollen, dann aber flog wieder der Ausdruck einer unbegreiflichen Abneigung, wie eine dunkle Wolke, welche die Nachmittagssonne verdüstert, über sein Antlitz.
Der Indianer, in dessen ganzer Haltung sich tiefe Zerknirschung aussprach, lauschte auf die Worte des Richters mit einer Theilnahme, die mit jeder Minute wuchs. Er zog sich der Gruppe allmählig näher, und als sein scharfer Blick in den Zügen seines jungen Gefährten die entschiedensten Spuren der Nachgiebigkeit entdeckte, so änderte er plötzlich seine Haltung. Der Ausdruck der Scham wich von der Stirne des indianischen Kriegers, der setzt mit großer Würde näher trat und also zu sprechen begann:
„Höre auf Deinen Vater,“ sagte er; „seine Worte sind alt. Mögen der junge Adler und der große Landhäuptling mit einander essen und ohne Furcht neben einander schlafen. Die Kinder von Miquon lieben kein Blut; sie sind gerecht und wollen Gerechtigkeit üben. Die Sonne muß oft auf und niedergehen, ehe die Menschen eine Familie bilden können; es ist nicht das Werk eines Tages, sondern vieler Monate. Die Mingos und die Delawaren sind geborene Feinde; ihr Blut kann sich nie in einem Wigwam mischen: es wird nie auf derselben Seite fließen in der Schlacht. Was macht den Bruder von Miquon und den Adler zu Feinden? Sie sind desselben Stammes: ihre Väter und Mütter sind eins. Lerne warten, mein Sohn; du bist ein Delaware, und ein indianischer Krieger weiß sich zu gedulden.“
Diese bilderreiche Anrede schien ein großes Gewicht für den jungen Mann zu haben, der allmählig Marmaduke's Vorstellungen nachgab und sich endlich dessen Vorschlag gefallen ließ. Es geschah jedoch nur versuchsweise, und jeder der Betheiligten sollte den Vertrag aufheben können, wenn es ihm so gut dünkte. Das sonderbare und schlecht verhehlte Widerstreben des Jünglings, auf ein Anerbieten einzugehen, welches die meisten Menschen in seiner Lage für ein unverhofftes Glück gehalten hätten, erregte bei Allen, welche ihn nicht kannten, keine kleine Verwunderung, und war durchaus nicht geeignet, einen vortheilhaften Eindruck zu machen. Als die Parthien sich trennten, wurde die Sache natürlich der Gegenstand der Besprechung, und wir beginnen mit einer Mittheilung der Gedanken, welche der Richter, seine Tochter und Richard auf ihrem langsamen Rückwege nach dem Herrenhause gegenseitig austauschten.
„Ich mußte mir in der That alle Mühe geben, in meiner Verhandlung mit diesem unbegreiflichen jungen Menschen die heiligen Vorschriften unseres Erlösers im Gedächtniß zu behalten, in denen er uns diejenigen lieben heißt, die uns verachten,“ begann Marmaduke. „Ich weiß nicht, was ein Mensch von seinen Jahren in meinem Hause Schreckhaftes finden könnte — es müßte nur Deine Anwesenheit und Dein Gesicht seyn, 'Beß.“
„Nein, nein,“ versetzte Richard mit großer Gutmüthigkeit; „Bäschen Elisabeth ist's nicht. Aber wann hast Du je einen Halbwilden gesehen, 'Duke, der sich mit der Civilisation vertragen konnte? In dieser Hinsicht sind sie noch schlimmer als die Wilden selbst. Bemerktest Du nicht, wie er mit schlotternden Knieen dastand, Elisabeth, und welche wilden Blicke seineAugen schoßen?“
„Ich achtete weder auf seine Augen noch auf seine Kniee, obschon den ersten ein bischen Demuth wohl anstehen würde. In der That, lieber Vater, ich glaube, du hast die christliche Tugend der Geduld ritterlich erprobt. Seine Mienen gefielen mir schon lange nicht, noch ehe er einwilligte, einen Thei unserer Familie zu bilden. In der That, wir müssen uns durch diese Verbindung sehr geehrt fühlen! In welchem zimmer soll er untergebracht werden, Vater? Und an welchem Tische müssen wir ihm seinen Nektar und sein Ambrosia vorsetzen?“
„Er speist mit Benjamin und Remarkable,“ fiel Herr Jones ein; „denn Du kannst doch nicht verlangen, daß der junge Man einen Tisch mit den Negern theile! Er ist allerdings ein halber Indianer, aber die Eingeborenen sehen auf die Schwarzen mit großer Verachtung herunter. Nein, nein er würde gewiß lieber Hunger sterben, ehe er sein Brod mit den Negern bräche.“