„Was Zuckerstoff, Gerbstoff oder sonst ein anderer Stoff, Richter Temple! Du hast nie einen größern Kuchen gemacht, als allenfalls von dem Umfang einer großen Zuckerpflaume,“ entgegnete der Sheriff. „Ich versichere Dich, 'Duke, solche versuche im Kleinen sind nicht die Bohne werth, sondern sie müssen in größerem Maaßstab geübt werden, so daß ein Nutzen dabei herauskömmt. Wenn ich zu einem solchen Zwecke hundert- oder meinetwegen zweimalhunderttausend Acker Landes besäße, wie Du, so ließe ich in dem Dorf eine Zuckersiederei errichten, und lüde erfahrne Leute ein, die Sache zu leiten. Solche sind leicht zu finden, Vetter; ja, sie sind nicht schwer zu finden, — Männer, welche die Theorie mit der Praxis vereiningen. Und dann würde ich einen Wald von jungen und kräftigen Bäumen auslesen; und statt Kuchen von der Größe eines Stückchens Kandiszucker zu machen — Gott verdamme mich, 'Duke — sie müßten mir so groß werden, wie ein Heuschober.“
„Du kauftest wohl auch die Ladung eines jener Schiffe, die mit China handeln,“ rief Elisabeth; „ja, wandeltest Deine Potaschenkessel in Theetassen und die Boote des See's in Untertassen um, bückest deine Krapfen in jener Kalkbrennerei und lüdest den ganzen Distrikt zu einer Theegesellschaft ein; ja, wie wunderbar sind nicht die Entwürfe eines Genies! Aber in der That, Vetter, es scheint, die Welt ist mit den Versuchen des Richters Temple zufrieden und man hat daher nicht nöthig, den Zucker in Formen zu gießen, die der Großartigkeit Deiner Pläne entsprechen.“
„Du magst immerhin lachen, Base Elisabeth — Du magst immerhin lachen, erwiederte Richard, indem er sich im Sattel umdrehte und mit würdevoller Miene seine Peitsche schwang; „aber ich berufe mich auf den gesunden Menschenverstand, den gesunden Sinn der Leute, oder, was noch wichtiger ist, auf den Sinn des Geschmacks, der zu den fünf natürlichen Sinnen gehört — ob ein großer Zuckerhut nicht einen bessern Beleg für einen zweckmäßigen Betrieb abgibt, als ein solches Stückchen, das ein holländisches Weib bei'm Theetrinken in den Mund stecken kann. Es gibt nur zwei Wege, Etwas zu thun, einen rechten und einen unrechten. Ich will zugeben, daß Du Zucker machst und daß Du vielleicht auch Zuckerhüte machen könntest, aber es fragt sich, ob Du auch den möglich besten Zucker und die möglich besten Hüte machst.“
„Du hast Recht, Richard,“ bemerkte Marmaduke mit einem Ernst in den Zügen, der deutlich bewies, wie sehr er sich für die Sache interessirte. „Es ist wahr, daß wir Zucker fabriziren, und die Frage, ,wie viel und in welcher Weise?‘ ist daher sehr am Orte. Auch hoffe ich es zu erleben, daß ganze Meiereien und Plantagen sich diesem Industriezweige widmen werden; denn bis jetzt ist von den Eigenthümlichkeiten des Baumes selbst, der Quelle von all' diesem Reichthum, nur wenig bekannt. Wie viel mag sich nicht durch die Behandlung desselben mit Haue und Pflug verbessern lassen.“ —
„ Haue und Pflug?“ rief der Sheriff aus. „Willst Du die Wurzel eines solchen Ahornstammes häckeln lassen?“ — Er deutete dabei auf einen dieser edlen Bäume, die in jenem Landestheile so häufig vorkommen. „Bäume häckeln! bist Du toll, 'Duke? das ist ein Seitenstück zum Steinkohlegraben. Ho! ho! lieber Vetter — nimm doch Venunft an und überlaß die Behandlung des Zuckerahorns mir. Unser Monsieur Le Quoi ist in Westindien gewesen und hat Zucker machen sehen. Laß Dir erzählen, wie es dort betrieben wird und Du wirst einen Begriff davon bekommen. — Sagen Sie, Monsieur, wie fabrizirt man den Zucker in Westindien? Etwa in Richter Temple's Weise?“
Der Herr, an den diese Frage gestellt war, ritt ein kleines Pferd von nicht sehr feurigem Temperament und hatte dabei so kurze Bügel, daß sie, da sich das Thier eben auf einer kleinen Ansteigung des Waldpfades hinan bewegte, seine Kniee in eine etwas gefährliche Nachbarchft mit seinem Kinne brachte. Er hatte daher keine Gelegenheit, seine Antwort mit der gewöhnlichen, graziösen Gestikulation zu begleiten, denn der Berg war steil und glatt; und obgleich der Franzmann ein scharfes Auge in jeder Seite seines Gesichts stecken hatte, so schien dieser Umstanf doch nicht hinzureichen, ihn gehörig auf die Hindernisse von Büschen, Zweigen und gefallenen Bäumen aufmerksam zu machen, die hin und wieder im Wege lagen. Während er mit der einen Hand beschäftigt war, diese Gefahren abzuwehren, und die andere den Zügel hielt, um der ungebührlichen Eile seines Pferdes Einhalt zu thun, antwortete der Abkömmling Frankreichs, wie folgt:
„Sucker? Sie machen Sucker in Martinique; mais — mais ce n'est pas — ein Baum; — ah — ah — wie heißt doch — je voudrais que ces chemins fassent au diable — non — was nenn Sie Stock pour le promenade?“
„Rohr,“ versetzte Elisabeth, über die Verwünschung lächelnd, welche der Franzose nur von sich selbst verstanden glaubte.
„Oui, Mademoiselle, Rohr.“
„Ja, ja,“ rief Richard; „Rohr ist der volksübliche Name dafür; aber in der Botanik heißt es saccharum officinarum; und was wir den Zucker- oder Hartahorn nennen, ist acer saccharinum. Das sind gelehrte Namen, Mosieur, die Ihr ohne Zweifel wohl versteht?“ —
„Ist dieß griechisch oder lateinisch, Herr Edward?“ flüsterte Elisabeth dem Jüngling zu, der eben für sie und ihre Gefährtin die Zweige eines Gebüsches auseinander bog — „oder vielleicht eine noch gelehrtere Sprache, um deren Auslegung wir uns an sie wenden müssen?
Das dunkle Auge des jungen Mannes blitzte auf die Sprecherin, verlor aber schnell wieder seinen gekränkten Ausdruck.
„Ich will mich dieser Frage erinnern, Miß Temple, wenn ich meinen alten Freund Mohegan wieder besuche; seine oder Lederstrumpfs Sprachkenntnisse wird sie wohl zu beantworten wissen.“
„Sie theilen also wirklich deren Sprachgelehrsamkeit nicht?“
„Wenigstens nicht in sonderlichem Umfange; aber Herrn Jones tiefe Gelehrsamkeit und selbst Monsieur Le Quois höfliche Ausdrucksweise sind mir geläufiger.“
„Sie sprechen französisch?“ versetzte die Dame rasch.
„Es ist die gewöhnliche Sprache der Irokesen und in den Canadas,“ antwortete er lächelnd.
„Aber das sind Mingos und Eure Feinde.“
„Es wäre gut für mich, wenn ich keine schlimmeren hätte,“ sagte der Jüngling, indem er mit seinem Pferde voran sprengte und so dem verfänglichen Gespräche ein Ende machte. Richard gab sich fortwährend alle Mühe, die Gesellschaft zu unterhalten, bis sie eine Waldöffnung auf dem Gipfel des Berges erreichten, wo die Tannen und Fichten ganz verschwunden waren und ein Hain, bestehend aus denselben Bäumen, welche den Gegenstand des Gesprächs gebildet hatten, in stattlichem Stolz prunkte, die Erde mit seinen geraden Stämmen und deren weithin reichenden Zweigen bedeckend. Alles Unterholz war weggeräumt .und wahrscheinlich für die einfachen Siedeinrichtungen verwendet worden, so daß man hier eines weiten Raumes von vielen Ackern Landes ansichtig wurde, den man recht wohl mit dem Dom eines mächtigen Tempels vergleichen konnte, wozu die Ahornstämme die Säulen, die Wipfel die Kapitäler und der Himmel das Gewölbe bildeten. In der Nähe der Wurzel eines jeden Baumes befand sich ein tiefes Bohrloch in welchem eine aus Ellern- oder Sumachrinde gefertigte Röhre stack. Vor derselben stand ein roh gehauener Trog aus Lindenholz, um den Saft aufzufangen, dessen Abfluß durch diese ungemein verschwenderische und kunstlose Vorkehrung bewirkt wurde. Als die Gesellschaft auf dieser Fläche anlangte, hielt sie einen Augenblick, um die Rosse verschnauben zu lassen und die Art, wie die Flüssigkeit gesammelt wurde, zu betrachten, da die Scene Mehreren aus ihrer Mitte ganz neu war. Eine schöne kräftige Stimme störte das Schweigen des Augenblicks und sang unter den Zweigen der Bäume die Worte jenes unnachahmlichen Volkslieds, mit dessen Versen ein Reisender, wenn er alle singen wollte, sich von den Gewässern Connecticuts bis an die Ufer des Ontario unterhalten könnte. Die Weise war natürlich jene bekannte Melodie, welche anfangs die Absicht hatte, die Amerikaner zu verspotten: sie ist jedoch seitdem so berühmt geworden, daß kein Landeskind mehr ihren Klingklang ohne freudige Bewegung hört.