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Zweites Kapitel.

Ein jeder Platz, vom Himmelslicht beleuchtet,

Verwandelt sich zum Glückesport dem weisen.

Denk' ja nicht, daß der König Dich verbannt,

Nein, Du den König.—

Richard II. 

Ungefähr hundert und zwanzig Jahre vor dem Beginne unserer Erzählung ließ sich ein Vorfahr Marmaduke Temple's, ein Freund und Glaubensgenosse des großen Gründers dieser Colonie, in Pennsylvanien nieder. Der alte Marmaduke — denn dieser halsbrechende Vorname war eine Art Familieuprärogativ — brachte nach diesem Asyl der Verfolgten einen schönen Antheil an Gütern dieser Welt mit, durch welche er sich zum Herrn von vielen Tausend Acres unbewohnten Landes und zum Versorger einer großen Anzahl mittelloser Ansiedler machte. Er wurde wegen seiner Frömmigkeit sehr geachtet und als Sectenführer ausgezeichnet, so daß ihm seine Glanbensgenossen manche wichtige Aemter anvertrauten. Zum Glücke starb er jedoch noch gerade zur rechten Zeit, um der Kunde von seiner eigenen Verarmung zu entgehen — ein Loos, welches er mit Vielen theilte, die Reichthümer in die mittleren Colonien gebracht hatten.

Die Bedeutsamkeit eines Ansiedlers in diesen Provinzen ließ sichhauptsächlich aus der Zahl seiner weißen Dienstleute und Abhängigen und aus der Beschaffenheit der öffentlichen Aemter, welche er verwaltete, ermessen. Wenn man diese Regel zur Leitschnur nimmt, so mußte der Vorfahr unseres Richters ein sehr gewichtiger Mann gewesen seyn.

Es ist indeß bis auf den heutigen Tag nicht ohne Interesse von den kurzen Berichten jener frühen Periode Einsicht zu nehmen, in denen man regelmäßig und fast ohne Ausnahme auf der einen Seite die Reichen allmählig zur Armuth heruntersinke, auf der andern die Diener derselben Vermögen und Reichthümer erwerben sieht. An alle Bequemlichkeiten des Lebens gewöhnt und unfähig, die Kämpfe, welchen eine Gesellschaft in ihrer Kindheit anheimfällt, zu bestehen, blieb der reiche Einwanderer kaum im Stande, seinen Rang durch das persönliche Uebergewicht seiner Erziehung und Kenntnisse zu behaupten; sobald er aber die Augen schloß, sahen sich seine trägen und ungebildeten Nachkommen genöthigt, der rührigen Thatkraft einer Klasse, die durch die Noth arbeiten gelernt hatte, den Vorrang einzuräumen. Dieß ist der gewöhnliche Gang der Dinge sogar noch in unseren Tagen; vornehmlich war es aber das Schicksal der Reichen und Armen in den friedliebenden, wenig unternehmenden Colonien von Pennsylvanien und New-Jersey.

Marmaduke's Nachkommen hatten das gleiche Loos mit so vielen, die sich lieber auf ihre vererbte Habe, als auf ihre persönlichen Kräfte verließen; und in der dritten Generation waren sie auf einem Punkte angelangt, unter den in einem so glücklichen Lande ehrbare, verständige und nüchterne Leute kaum herunter sinken können. Aber derselbe Familienstolz, der durch seine selbstzufriedene Indolenz ihren Fall herbeigeführt hatte, wurde nun auch zu einem Hebel, ihren Wiederaufschwung zu bewerkstelligen. Das frühere kränkelnde Gefühl wandelte sich in das gesunde, thatkräftige Verlangen um, sich das Ansehen ihrer Vorfahren und wo möglich auch ihren Reichthum wieder zu gewinnen. Der Vater des Richters war der erste, der sich wieder auf der Leiter der bürgerlichen Gesellschaft zu heben begann; eine Heirath unterstützte ihn hierin wesentlich und gab ihm auch die Mittel, seinen einzigen Sohn weit besser erziehen zu lassen, als es bei dem schlechten Zustand der Schulanstalten in Pennsylvanien möglich oder in den zwei oder drei vorangehenden Generationen seiner Familie üblich war.

Der junge Marmaduke lernte in dem Erziehungshause, dessen Vortheile er dem wieder auflebenden Glücke seines Vaters verdankte, einen Jüngling kennen, der mit ihm in gleichem Alter stand, und schloß mit ihm eine innige Freundschaft. Dieß war ein glücklicher Bund für unsern Richter und bahnte ihm den Weg zu seinem künftigen Ansehen.

Edward Effingham's Familie war nicht nur sehr reich, sondern hatte auch einen nicht unbedeutenden politischen Einfluß. Sie gehörte unter die wenigen in den Colonien, welche eine Erniedrigung ihrer Glieder darin erblickten, wenn sie Handelsgeschäfte betrieben, und trat deshalb nie aus der Zurückgezogenheit ihres häuslichen Lebens hervor, als wenn es galt, in den Colonialversammlungen zu präsidiren oder in Kriegszeiten die Waffen zu führen. Letzteres war von Jugend auf das Gewerbe von Edward's Vater gewesen. Unter der Krone Großbrittaniens und vor sechzig Jahren mußte militärischer Rang durch einen weit längeren und beschwerlichern Dienst erkauft werden, als heut zu Tage. Jahre wurden ohne Murren in den niedrigeren Graden hingebracht; dagegen glaubten aber auch die in den Colonien stationirten Soldaten, wenn sie sich einmal bis zu dem Commando einer Compagnie emporgeschwungen hatten, von den friedlichen Bewohnern des Bodens die tiefste Verehrung fordern zu dürfen. Jeder unserer Leser, der über den Niagara kommt, wird nicht nur die Wichtigkeit, welche jeder, selbst der unbedeutendste Diener der Krone in seine Stellung legt, sondern auch die wirkliche Achtung gewahren, welcher er sich allseitig — sogar in dieser Polargegend des königlichen Sonnenscheins — erfreut. Mit solcher Achtung wurde vor nicht gar langer Zeit auch der Krieger in einem Staatenverbande behandelt, wo jetzt glücklicher Weise keine Spur von Krieg mehr zu sehen ist, wenn nicht die freie und furchtlose Stimme des Volkes sich für einen solchen entscheidet. Als daher der Vater von Marmaduke's Freund sich nach vierzigjähriger Dienstzeit mit dem Range eines Majors in den Privatstand zurückzog und ein verhältnißmäßig glänzendes Haus machte, so wurde er natürlich in seiner heimathlieben Colonie New-York als ein Mann von hoher Bedeutung betrachtet. Er hatte muthig und treu gedient und war daher nach allgemeinem Brauch in den Provinzen mit einer Auszeichnung behandelt und mit Aufträgen beehrt worden, die weit über seiner Stellung waren und als er der Gebrechlichkeit des Alters weichen mußte, trat er mit Würde ab und wies sogar den üblichen halben Sold, wie auch jede andere Belohnung für Dienste, die er nicht mehr länger versehen konnte, zurück.

Das Ministerium bot ihm mehrere Civilämter an, die neben der Ehre auch materielle Vortheile eintrugen; er schlug sie jedoch mit dem ritterlichen Unabhängigkeitsgefühl, welches sein ganzes Leben über seinen Charakter bezeichnet hatte, unter ehrfurchtsvollem Danke aus, und bald nach diesem Arte patriotischer Uneigennützigkeit übte er in seinem eigenen Hause eine Handlung der Großmuth, welche, so wenig sie auch der Klugheit gemäß zu seyn schien, doch in vollkommenem Einklang mit dem redlichen, wohlwollenden Sinne des Veteranen stand.

Marmaduke's Freund war sein einziges Kind; und bei Gelegenheit der Vermählung dieses Sohnes mit einer Dame, welcher der Vater besonders wohlwollte, trat ihm der Major sein ganzes Vermögen ab, welches aus bedeutenden Capitalien, einer Wohnung in der Stadt, einem Landhause, einigen werthvollen Gütern in den alten Theilen der Colonie und großen Strichen unbebauten Landes in den neuen bestand — ein Schritt, der seinen künftigen Unterhalt ausschließlich von der kindlichen Liebe seines Sohnes abhängig machte. Schon als Major Effingham die freigebigen Anerbietungen des brittischen Ministeriums ablehnte, meinten die Jäger nach Hofgunst, von denen es auch in diesen abgelegenen Theilen des weiten Reiches wimmelte, daß es mit seinem Verstande nicht ganz richtig seyn müsse; als er sich aber gar freiwillig aller seiner großen Reichthümer begab, so folgerte Alles, daß der gute Mann kindisch geworden sey. Diesen Umständen war es zuzuschreiben, daß sein Ansehen rasch dahinschwand, und wenn er mit seinen Schritten ungestörte Zurückgezogenheit bezwecken wollte, so sah er bald seine Absicht erreicht.