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Sie waren von dem Zuckerwäldchen her einem Fußpfade gefolgt, und nun ritt der thätige Sheriff, um in eine der vorbemeldeten Straßen zu kommen, auf eine kleine Brücke zu, die so lose aus auf Wiederlagern von Fichtenpflöcken ruhenden Holzstämmen construirt war, daß die Verbindungsflächen häufig durch bedenklich weite Spalten unterbrochen wurden. Als Richards Pferd an einer solchen klaffenden Stelle anlangte, legte es die Nase an die Blöcke und überwand die Schwierigkeit des Uebergangs mit fast menschlicher Klugheit; aber das junge Vollblutroß, welches Miß Temple ritt, verschmähte eine solch niedrige Haltung; denn nachdem es einige Schritte mit ungewöhnlicher Vorsicht gethan hatte und an der breitesten Spalte angelangt war, setzte es, dem Zügel und der Reitgerte seiner furchtlosen Gebieterin gehorsam, mit der Behendigkeit eines Eichhörnchens über den gefährlichen Punkt weg.

„sachte, sachte, mein Kind,“ rief Marmaduke, der in Richards Weise nachfolgte; „dieß ist nicht der Ort für Reiter-Kunststücke. Wenn man ohne Gefährde auf diesen rauhen Pfaden weiter kommen will, so muß man die Klugheit vorwalten lassen. Auf den Ebenen von New-Jersey magst Du allenfalls Deine Geschicklichkeit zeigen können; aber in den Bergen des Otsego mußt Du zur Zeit noch darauf verzichten.“

„So könnte ich eben so gut meinen Sattel ganz an den Nagel hängen, lieber Vater,“ erwiederte die Tochter; „denn wenn ich ihn bei Seite legen soll, bis diese wilde Gegend urbar gemacht ist, so dürfte mich wohl das Alter überraschen, ehe ich eine Gelegenheit hätte, meine Reiter-Kunststücke, wie Du sie nennst, zu zeigen.“

„rede nicht also, mein Kind,“ entgegnete der Vater; „aber wenn Du wieder so verwegen über diese Brücke setzest, so wirst Du von dem Alter nichts zu besorgen haben, wohl aber mich in Trauer zurücklassen, was ich dann einzig Deinem Stolz zu danken hätte, Elisabeth. Hättest Du diesen Landstrich im tiefen Schlafe der Natur gesehen, wie es bei mir der Fall ist, und wärest Du Zeuge der raschen Veränderung gewesen, zu welcher ihn das Bedürfniß des Menschen weckte, so würdest Du Deine Ungeduld ein wenig zügeln, wenn Du schon bei Deinem Rosse den Gebrauch des Zügels verschmähst.“

„Ich erinnere mich, daß ich Dich einmal von Deinem ersten Besuch in diesen Wäldern sprechen hörte; aber der Eindruck ist nur noch schwach und durch wirre Bilder aus meiner Kindheit verwischt. So wild die Gegend auch jetzt noch erscheinen mag, so muß sie doch damals tausendmal trübseliger gewesen seyn. Willst Du mir nicht noch einmal sagen, lieber Vater, was Du damals von Deinem Unternehmen dachtest, und was Du jetzt empfindest?“

Während dieser Worte, welche Elisabeth mit zärtlicher Wärme sprach, ritt der junge Edwards näher an die Seite des Richters und heftete sein dunkles Auge mit einem Ausdrucke auf dessen Züge, welcher die innersten Gedanken lesen zu wollen schien.

„Du warst damals jung, mein Kind, aber doch mußst Du Dich der Zeit noch erinnern, als ich Dich und Deine Mutter verließ, um diese unbewohnten Gebirge in Augenschein zu nehmen,“ sagte Marmaduke. „Doch Du kannst die geheimen Beweggründe nicht theilen, die den Mann veranlassen, sich Entbehrungen aller Art zu unterziehen, um Reichthümer zu sammeln. Die meinigen sind nicht gering gewesen, aber es hat Gott gefallen, meine Bemühungen erfolgreich werden zu lassen. Wenn ich übrigens auch Kummer, Hunger und Krankheiten durchmachen mußte, um in diesem rauhen Landstrich eine Ansiedelung zu Stand zu bringen, so hatte ich doch nicht das Unglück, meine Bekümmernisse durch ein Fehlschlagen meiner Absichten vermehrt zu sehen.“

„Hunger?“ erwiederte Elisabeth. „Ich meinte, wir lebten in einem Lande des Ueberflusses! Auch mit Hunger hattest Du zu kämpfen?“

„Es ist so, mein Kind,“ versetzte der Vater. „freilich, wer sich jetzt umsieht und der Produkte gewahrt, die auf jedem dieser wilden Bergplätze ausgeführt werden, wird kaum glauben, daß erst fünf Jahre verflossen sind, seit die Bewohner dieser Wälder sich genöthigt sahen, die spärlichen Früchte des Forstes zu essen, um ihr Leben zu fristen, und mit ungeübter Hand das Wild zu jagen, um dem Hunger ihren Familien zu wehren.“

„Ja!“ rief Richard, der ob seinen Bemühungen, das Lied des Holzfällers vor sich hinzu summen, nur den Theil dieser Worte gehört hatte; „das war eine wahre Hungerzeit, Bäschen Elisabeth.“ [Der Autor kann die abschweifende Einflechtung solcher Dialoge mit nichts anderem entschuldigen, als daß sie sich auf Thatsachen beziehen. Da übrigens so viele Jahre seitdem entschwunden sind, so giebt er gerne zu, daß solche Anspielungen den gerechten Anforderungen des Lesers im Allgemeinen nicht entsprechen. Eines dieser Erlebnisse ist in dem Beginne des gegenwärtigen Capitels leicht berührt.Vor mehr als dreißig Jahren nemlich starb eine sehr nahe und theure Verwandte des Autorseine ältere Schwester, die ihm eine zweite Mutter waran den Folgen eines Sturzes vom Pferde, als sie über das in unserer Erzählung beschriebene Gebirg ritt. Wenige Damen von ihrem Alter waren mehr gekannt und geliebt, als die bewunderungswürdige Frau, die ein Opfer der Gefahren einer Wildniß wurde.]

„Ich wurde in jenem Herbst so dünne, wie ein Wiesel, und mein Gesicht bekam eine Farbe, als litte ich an einem kalten Fieber, Monsieur Le Quoi fiel zusammen, wie ein vertrockneter Kürbis, und es ist mir fast, als hätten Sie sich noch nicht ganz erholt, Monsieur. Benjamin war, glaube ich, der ungeberdigste in der ganzen Familie, denn er schwur Stein und Bein, daß ein solches Leben härter sey, als die Verkürzung der Rationen in den Windstillen-Breiten. Der Bursche ist gleich mit dem Schwören bei der Hand, wenn man ihn auch noch so wenig hungern läßt. Ich hatte damals im Sinne, Dich zu verlassen, 'Duke, um nach Pennsylvanien zu gehen und mich wieder herauszumästen; dann meinte ich aber wieder: ,ey zum Henker, wir sind ja Geschwisterkinder, und so will ich denn mit ihm leben und sterben.‘ “

„Ich werde Deine Freundlichkeit ebenso wenig vergessen, als unsere Verwandtschaft!“ entgegnete Marmaduke.

„Aber, mein lieber Vater,“ rief Elisabeth verwundert; „es war also Noth vorhanden? Wie stand es denn mit den schönen und fruchtbaren Thälern des Mohawk? Ließ sich nicht von dort her dem Mangel abhelfen?“

„Es war ein Mißjahr; die Lebensmittel hatten in Europa hohe Preise und wurden von den Spekulanten gierig aufgekauft. Die aus dem Osten kommenden Auswanderer nahmen ihren Zug ohne Unterschied durch das Mohawkthal und zehrten die Vorräthe wie ein Heuschreckschwarm auf. Auch die Bewohner der Ebene waren in keiner viel besseren Lage. Sie litten selbst Mangel und darbten sich alles, was nicht gerade der höchsten Nothdurft entsprach, mit der Sparsamkeit des deutschen Charakters am Munde ab. Den Armen ging es dabei am härtesten. Das Wort Speculation war damals noch unbekannt unter ihnen, und ich habe manchen kräftigen Mann sich unter der Last eines Mehlsacks hin schleppen sehen, den er von den Mühlen des Mohawks durch die zerrissenen Gebirgspässe trug, um seine halb verhungerten Kinder zu sättigen; wenn er sich dann seiner Hütte näherte, so geschah es mit so leichtem Herzen, als wären die dreißig zurückgelegten Meilen gar nichts gewesen. Du darfst nicht vergessen, mein Kind, daß dieß in unserer ersten Kindheit war, als wir weder Mühlen, noch Getreide, weder Wege, noch bedeutende Lichtungen hatten. Unser ganzer Zuwachs bestand in Mäulern, die essen wollten; denn selbst in jenem verhängnißvollen Augenblick ließ der unruhige Geist der Auswanderung nicht nach, — da im Gegentheil der allgemeine Mangel im Osten die Zahl der Abenteurer noch vergrößerte.“