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„Und wie, liebster Vater, bestandest Du dieses schreckliche Ungemach?“ erwiederte Elisabeth. „Auf Dir mußte jedenfalls die Verantwortlichkeit, wenn auch nicht der Nothstand lasten.“

„Es war so, Elisabeth,“ versetzte der Richter, indem er für einen Augenblick inne hielt, als wolle er sich die Vergangenheit ins Gedächtniß zurückrufen. „Ich hatte in jener verhängnißvollen Zeit hunderte, die täglich nach mir um Brod aufsahen. Der Nothstand der Familien und die düstre Aussicht für die Zukunft hatte den Unternehmungsgeist und die Kräfte meiner Ansiedler gelähmt. Der Hunger trieb sie in die Wälder, um dort Lebensmittel zu suchen; aber verzweiflungsvoll, entkräftet und ohne Nahrung kehrten sie des Abends zu den Kissen zurück, die kein Schlummer heimsuchen wollte. Es war eine Zeit allgemeiner Unthätigkeit. Ich kaufte Weizen aus den Kornspeichern Pennsylvaniens, der in Albany auf Boote gebracht und den Mohawk hinabgeführt wurde; von dort aus ließ ich ihn durch Saumrosse in die Wildniß bringen, und unter meine Leute vertheilen. Wir setzten Stellnetze aus, und durchwühlten, die Seen und Flüße nach Fischen. Einmal geschah ein wahres Wunder zu unseren Gunsten, denn wir bemerkten, daß ungeheure Schaaren von Häringen fünfhundert Meilen weit in den Windungen des ungestümmen Susquehanna aufwärts zogen und den See mit ihren Massen belebten. Sie wurden gefangen und mit den nöthigen Portionen Salz unter die Leute vertheilt. Von diesem Augenblick an begann unser Gedeihen.“ [Alles dieses gründet sich buchstäblich auf Thatsachen.]

„Ja,“ rief Richard. „und ich theilte die Fische und das Salz aus. Als die armen Teufel kamen, um ihre Rationen in Empfang zu nehmen, mußte Benjamin, der mir dabei half, mit Stricken Schranken um mich ziehen, denn die Leute rochen so stark nach Knoblauch (sie hatten nämlich nichts als dieses wilde Zwiebelgewächs zu essen), daß die Düfte davon mich oft aus meinem Concepte brachten. Du warst damals noch ein Kind, 'Beß, und weißst nichts von der Sache, denn man bot allem auf, Euch nichts von dem Mangel fühlen zu lassen. Jenes Jahr brachte mich schrecklich zurück, sowohl in der Schweine- als in der Truthühnerzucht.“

„Ja, 'Beß,“ fuhr der Richter in einem heitereren Tone fort, ohne die Unterbrechung seines Vetters zu beachten; „wer die Ansiedelungen nur vom Hörensagen kennt, weiß wenig, mit wie viel Mühe und Entbehrung sie bewerkstelligt werden. So wild auch jetzt der Distrikt Deinen Augen vorkommen mag — Du hättest ihn sehen sollen, als ich zum erstenmal diese Berge besuchte. Ich verließ meine Gesellschaft an dem Morgen nach meiner Ankunft in der Nähe des Ortes, wo jetzt die Meiereien des Kirschenthales stehen, und ritt, einem von den Hirschen gebahnten Pfade folgend, auf den Gipfel des Berges, welchen ich seitdem den Visionsberg nenne, denn der Anblick, der sich dort vor meinen Augen aufthat, erschien mir nur wie das Gebilde eines Traumes. Das Feuer hatte auf dem Gipfel aufgeräumt und die Aussicht großentheils freigegeben. Die Blätter waren abgefallen und ich bestieg einen Baum, wo ich wohl eine Stunde sitzen blieb und in die schweigende Wildniß hinausschaute. Nicht eine Oeffnung war in dem endlosen Urwalde zu sehen, die Stelle ausgenommen, wo der See wie ein Spiegel da lag. Das Wasser war von Myriaden wilder Zugvögel bedeckt, und während ich so auf meinem Buchenaste ritt, sah ich eine Bärin mit ihren Jungen an das Ufer hinunter steigen, um ihren Durst zu stillen. Ich hatte während meiner Reise manchen Hirsch durch die Wälder gleiten sehen; aber nirgends konnte ich die Spur eines Menschen entdecken, selbst nicht von meinem erhöhten Standpunkt aus. Es gab noch keine der Lichtungen, der Hütten, der gewundenen Wege, die man jetzt antrifft — nichts als Berge auf Berge und das Thal mit struppigem Reiswerk erfüllt, dem nur hin und wieder ein Baum, welcher ungerne seine verblichenen Blätter fallen ließ, einiges Leben mittheilte. Selbst der Susquehanna war damals noch von den hohen und dichten Urwäldern verborgen.“

„Und du warst allein?“ fragte Elisabeth. „Brachtest Du vielleicht die ganze Nacht in diesem einsamen Zustande zu?“

„Nicht doch, mein Kind,“ antwortete der Vater. „Nachdem ich mir die Landschaft ungefähr eine Stunde mit dem gemischten Gefühl der Freude und der Einsamkeit betrachtet hatte, verließ ich meine Vogelstange und ging wieder den Berg hinab. Ich ließ mein Pferd an den Zweigen weiden, die es erreichen konnte, während ich die Ufer des Sees und die Gegend untersuchte, wo jetzt Templeton steht. Wo jetzt meine Wohnung liegt, befand sich eine Fichte von ungewöhnlicher Größe. Eine Windlichtung hat sich von da aus bis an den See hin Bahn gebrochen, und meinem Auge stellten sich nur wenige Hindernisse in den Weg. Unter den Zweigen jenes Baumes nahm ich mein Mahl ein und war eben damit fertig geworden, als ich in der Nähe des östlichen Seeufers, unter dem Berge, Rauch aufsteigen sah. Dieß war die einzige Spur von der Nähe eines Menschen, welche ich bisher entdeckt hatte. Ich brach mir mühsam Bahn bis zu der Stelle, wo das Feuer brannte, und fand daselbst eine rauhe Blockhütte an dem Fuße eines Felsens, in welcher sich auch Spuren des Bewohntseyns vorfanden, obgleich ich keinen Insassen sehen konnte.“

„Es war Lederstrumpfs Hütte,“ sagte Edwards rasch.

„Ganz recht; ich hielt sie jedoch anfangs für eine Indianerwohnung. Aber während ich mich noch an der Stelle befand, kam Natty, wankend unter der Last eines Bockes, den er geschossen hatte, zurück. Damals begann unsere Bekanntschaft: früher hatte ich nie gehört, daß die Wälder von einem solchen Wesen bewohnt würden. Er machte seinen Rindenkahn los und ruderte mich nach dem untern Theil des Sees hin zu der Stelle, wo ich mein Pferd angebunden hatte, indem er mich zugleich auf einen Ort aufmerksam machte, wo das Thier bis zum Morgen eine spärliche Waide finden konnte. Sodann kehrte ich zurück und brachte die Nacht in der Hütte des Jägers zu.“

Miß Temple war von der gespannten Aufmerksamkeit, welche der junge Jäger diesen Worten lieh, so betroffen, daß sie ihre Frage wieder aufzunehmen vergaß. Der junge Jäger aber setzte das Gespräch fort, indem er fragte:

„Und wie entledigte sich Lederstrumpf der Obliegenheiten eines Wirthes, Sir?“

„Je nun, einfach aber freundlich, bis spät in die Nacht hinein. Als er jedoch meinen Namen und meine Absicht erfuhr, minderte sich seine Zutraulichkeit sichtlich, oder verschwand, wie ich lieber sagen möchte, ganz und gar. Er betrachtete, glaube ich, die Uebersiedelung von Auswanderern als einen Eingriff in seine Rechte, denn er zeigte sich sehr unzufrieden über unsere Maßregeln — freilich nur in seiner verwirrten und zweideutigen Weise. Ich verstand seine Einwürfe nicht ganz, aber ich vermuthete, daß sie sich hauptsächlich auf eine Störung seiner Jagd bezogen.“

„Hatten Sie damals den Grund und Boden schon angekauft, oder war es blos ihre Absicht, ihn als Kaufliebhaber zu beaugenscheinigen?“ fragte Edwards etwas abgebrochen.

„Er war schon seit mehreren Jahren mein Eigenthum und ich untersuchte den See, weil ich dort eine Ansiedelung zu gründen gedachte. Natty behandelte mich, nachdem er den Zweck meiner Reise erfahren zwar gastfreundlich, aber mit Kälte. Demungeachtet aber überließ er mir jene Nacht seine eigene Bärenhaut, und des andern Morgens vereinigte ich mich wieder mit meinen Begleitern.“

„Sprach er nichts von den Rechten der Indianer. Sir? Lederstrumpf ist stets geneigt, das Recht der Weißen auf den Besitz dieser Gegend zu bestreiten.“

„Ich erinnere mich, daß er diesen Gegenstand zur Sprache brachte; aber ich begriff ihn nicht ganz und habe daher vergessen, was er sagte. Sind doch die Ansprüche der Indianer seit dem Schlusse des alten Krieges erloschen; und wenn dieß auch nicht der Fall wäre, so habe ich die Patente des königlichen Gouverneurs, bestätigt durch eine Akte unserer eigenen Gesetzgebung, so daß kein Gerichtshof des Landes meine Rechte beanstanden kann.“