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„Ohne Zweifel ist Ihr Anspruch ebenso gesetzlich, als gerecht, Sir,“ erwiederte der Jüngling kalt, indem er sein Pferd zügelte und schweigend zurückblieb, bis die Unterhaltung einen andern Gegenstand berührte.

Es war selten, daß Herr Jones ein Gespräch so lange fortgehen ließ, ohne sich selbst auch darein zu mischen. Wahrscheinlich gehörte er damals gleichfalls zu Richter Temple's Begleitung, denn er griff die gelegentliche Pause, welche durch den Rückzug des jungen Edwards veranlaßt wurde, begierig auf, um die Unterhaltung fort zu führen, und das, was weiter geschehen, in seiner eigenen Weise zu erzählen. Da jedoch seine Schilderungen nicht so interessant waren als die des Richters, so unterlassen wir es, sie zu Papier zu bringen.

Bald war die Stelle erreicht, wo die verheißene Merkwürdigkeit zu sehen war. Es war eine jener malerischen und eigenthümlichen Naturscenen, die dem Otsego eigen sind; um sich jedoch ihrer ganzen Schönheit erfreuen zu können, hätte die eisige Verödung durch die Weichheit einer Sommerlandschaft ersetzt werden müssen. Marmaduke hatte seiner Tochter vorausgesagt, die Starrheit des Winters werde den Eindruck der Partie stören; und nachdem man sie nur flüchtigen Blickes betrachtet hatte, kehrte die Gesellschaft wieder nach Hause zurück, vollkommen überzeugt, daß die Schönheit derselben wohl die Mühe eines zweiten Ritts zu einer günstigeren Jahreszeit lohnen dürfte.

„Der Frühling ist in America die trübseligste Zeit des Jahres,“ sagte der Richter; „und dieß gilt namentlich hier von diesen Bergen. Der Winter scheint sich in diese Verschanzungen gleichsam wie in eine Citadelle seines Herrschergebietes zurück zu ziehen, aus der er sich nur nach einer langen Belagerung, in welcher bisweilen jede Partei den Sieg davonzutragen scheint, austreiben läßt.“

„Eine sehr passende Vergleichung, Richter Temple,“ bemerkte der Sheriff; „und die Garnison unter Jack Frosts Commando macht verzweifelte Sorties — Sie wissen, was man unter Sorties versteht, Monsieur; Ausfälle in unserer Sprache — und treibt bisweilen den General Lenz und seine Truppen wieder nach dem Küstenlande zurück.“

„Ja. Sir,“ entgegnete der Franzose, dessen hervorragende Augen die unsicheren Tritte des Thieres, welches er ritt, bewachten, indem es einen gar gefährlichen Weg über Baumwurzeln, Löcher, Holzbrücken und Moräste, was den Inbegriff der Landstraße bildete, zu gehen hatte — „Je vous entends; die Küstenland is gefror für der halb Jahr.“

Monsieur Le Quoi's Irrthum wurde von dem Sheriff nicht beachtet; und der Rest der Gesellschaft begann bereits den Einfluß der veränderlichen Jahreszeit zu fühlen, denn die kälter werdende Luft that kund, daß eine anhaltend milde Witterung sobald noch nicht zu erwarten sey. Ein gedankenvolles Schweigen folgte der heiteren Unterhaltung, welche während des ganzen Spazierritts stattgefunden hatte, da sich jetzt von allen Strichen her Wolken am Himmel aufzuthürmen begannen, die in rascher Bewegung forttrieben, ohne daß man gerade den Einfluß eines Windes verspüren konnte.

Während sie über eine der gelichteten Anhöhen ritten, die auf ihrem Wege lag, machte der Richter Temple seine Tochter darauf aufmerksam, daß ein Sturm herannahe. Schneegestöber verdüsterten bereits das Gebirg, welches die Nordgrenze des Seees bildete, und die behagliche Wärme, welche den Umlauf des Blutes beschleunigt hatte, wich bereits dem erkältenden Einfluß eines bevorstehenden Nordwesters.

Die ganze Gesellschaft beeilte sich nun, so gut sie konnte, um nach dem Dorfe zu kommen, obgleich die schlechten Wege sie nicht selten nöthigten, die Ungeduld der Thiere zu zügeln, da dieselben oft Stellen führten, wo man nur Schritt reiten konnte.

Richard, dem Monsieur Le Quoi folgte, war fortwährend der Vorderste; nach ihnen kam Elisabeth, welche durch die Zurückhaltung angesteckt zu seyn schien, die sich in dem Benehmen des jungen Edwards aussprach, seit derselbe sein Gespräch mit ihrem Vater so rasch abgebrochen hatte. Marmaduke ritt hinter seiner Tochter, indem er ihr oft wohlmeinende Winke über die Behandlung ihres Pferdes gab. Vielleicht war es Miß Grant's augenscheinliche Bedürftigkeit eines Beistands, was den jungen Mann veranlaßte, während des Ritts durch den trübseligen dunkeln Wald, wo kaum ein Sonnenstrahl durchdringen konnte und wo selbst der Tag durch den düstern, unabsehbaren Forst verdunkelt wurde — an ihrer Seite zu bleiben. Der Wind hatte die Stelle, auf der sich unsere Gesellschaft bewegte noch nicht erreicht; aber die Todtenstille, die oft einem Sturme voran geht, machte ihre Lage noch beklemmender, als wenn derselbe bereits zu wüthen angefangen hätte. Plötzlich hörte man die Stimme des jungen Edwards in jenen erschreckenden Tönen rufen, welche Einen in der tiefsten Seele erschüttern und das Blut der Hörer gerinnen machen:

„Ein Baum! ein Baum! die Peitsche — den Sporn — so lieb Euch Euer Leben ist! — Ein Baum! ein Baum!“

„Ein Baum! ein Baum!“ wiederholte Richard, und versetzte seinem Pferde einen Schlag, welcher das beunruhigte Thier zu einem fast ruthenweiten Sprung veranlaßte, während der Koth und das Wasser wie unter einer Windsbraut in die Luft spritzten.

„Ein Baum! ein Baum!“ schrie der Franzose, indem er seinen Körper gegen den Hals seines Pferdes vorbeugte, die Augen schloß, und die Rippen seines Thieres mit den Fersen bearbeitete, bis dasselbe mit bewundrungswürdiger Eile dem des Sheriffs nachfolgte.

Elisabeth zügelte ihr Roß und sah, zwar unruhig, aber ohne die Ursache der Gefahr zu ahnen, auf, indem sie auf die krachenden Töne horchte, welche die Stille des Waldes unterbrachen. Aber im nächsten Augenblick ergriff der Richter den Zügel ihres Pferdes und rief:

„Gott beschütze mein Kind!“

Sie fühlte sich fortgerissen von der kräftigen Gewalt seines Armes.

Alle bückten sich gegen die Sattelknöpfe vor, als dem Rauschen der Zweige ein Ton, ähnlich dem Sausen des Windes, folgte. Dann vernahm man ein donnerndes Getöse und verspürte eine Erschütterung, unter der die Erde erbebte, denn eine der edelsten Ruinen des Urwalds war gerade über ihren Weg gefallen.

Ein Blick war hinreichend um den Richter Temple zu überzeugen, daß seine Tochter und alle seine Vordermänner in Sicherheit waren; und nun sah er in wahrer Todesangst zurück, um das Schicksal der Uebrigen zu erfahren. Der junge Edwards befand sich auf der andern Seite des Baumes: er hatte sich so weit wie möglich im Sattel zurückgelehnt, und seine linke Hand hielt gewaltsam den Zügel, während seine Rechte den von Miß Grant's Thier gefaßt hatte, so daß der Kopf desselben ganz gegen den Leib hinunter gezerrt war. Beide Pferde zitterten vor Schrecken und schnaubten furchtbar. Luise selbst hatte die Riemen losgelassen, und saß, die Hände vor das Gesicht gedrückt und gegen den Sattel vorgebeugt in einer Haltung da, in welcher sich die Verzweiflung auf eine seltsame Weise mit Ergebung gepaart hatte.

„Es ist euch doch nichts geschehen?“ rief der Richter, zuerst das furchtbare Schweigen unterbrechend:

„Gott sey Dank, nein,“ antwortete der Jüngling; „hätte aber der Baum Aeste gehabt, so wären wir verloren gewesen.“

Er hatte kaum ausgesprochen, als Luise im Sattel zu wanken begann, und ohne die Beihülfe seines Armes wäre sie nothwendig zur Erde gesunken. Sie hatte jedoch außer dem Schrecken keinen weitern Schaden genommen, und unter Elisabeths Beistand kam sie bald wieder zu sich. Man zögerte eine kleine Weile, bis sie sich ganz erholt hatte; und nun wurde sie wieder in den Sattel gesetzt, worauf sie, zu beiden Seiten von dem Richter Temple und Herrn Edwards unterstützt, der Gesellschaft langsam folgte.