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„Ey, wenn Sie auf das kommen, Sqnire,“ entgegnete der Hausmeister; „London ist kein kleiner Ort. Wenn man es strecken wollte, wie eine an einem Fluß liegende Stadt, so könnte man wohl den ganzen See damit einfassen. Damit will ich freilich nicht sagen, daß die Wälder, die wir sehen, nicht weit reichen könnten, sintemal man in London fast nichts als Steinkohlen brennt.“

„Nun, da wir gerade von den Kohlen sprechen, Richter Temple,“ fiel der Sheriff ein. „so habe ich Dir etwas sehr Wichtiges mitzutheilen, was ich jedoch bis auf morgen verschieben will. Ich weiß, daß Du den östlichen Theil des Patents zu besuchen gedenkst, und da will ich Dich begleiten, um Dich nach einer Stelle zu führen, wo sich allenfalls einige Deiner Pläne verwirklichen lassen. Ich schweige jetzt darüber, weil wir Zuhörer haben; aber ich bin diesen Abend hinter ein Geheimniß gekommen, 'Duke, das weit folgereicher für Dich werden kann, als Dein ganzes Besitzthum zusammen genommen.“

Marmaduke lachte über diese wichtige Mittheilung, da er schon viele ähnliche hatte anhören müssen; und der Sheriff begab sich mit einer ungemein wichtigen Miene, als bemitleide er seinen Vetter wegen seines Mangels an Zuversicht zu seinen großartigen Projecten — an das vor ihm liegende Geschäft. Da der Fischzug ein äußerst mühsamer gewesen, so befahl er dem einen Theile der Mannschaft, die Fische auf Haufen zu werfen, um sie sodann vertheilen zu können, während ein anderer unter Benjamins Leitung Vorbereitung zu einem zweiten Fange traf.

Vierundzwanzigstes Kapitel.

Indeß vom Rande — schrecklich war es Allen —

Drei Schiffer mit dem rüst'gen Bootsmann fallen.

Falconer.

Während die Fischer sich anschickten, die Beute gleichförmig zu vertheilen, entfernte sich Elisabeth mit ihrer Freundin von der Gruppe, um ein wenig an dem Ufer des Sees hin zu gehen. Nachdem sie eine Stelle erreicht hatten, wohin sich selbst das hellste Licht der Flamme nicht mehr verbreitete, wandten sie sich um und machten einen Augenblick Halt, um das geschäftige Treiben der Fischer und das tiefe Dunkel zu betrachten, welches, wie die Nacht der Vergessenheit, die ganze übrige Schöpfung zu umhüllen schien.

„Dieß ist in der That ein Gegenstand für den Pinsel!“ rief Elisabeth, „Betrachten Sie nur die Züge jenes Holzfällers, wie er triumphirend meinem Vetter, dem Sheriff , einen ungewöhnlich großen Fisch überreicht; und sehen Sie, Luise, wie schön und würdevoll sich mein Vater bei dem Lichte des Feuers ausnimmt, vor welchem er dem Spiel der Zerstörung zusieht. Er scheint melancholisch, als fürchte er bereits jetzt den Tag der Wiedervergeltung, welcher der Stunde einer solchen Vergeudung folgen wird. Glauben Sie nicht, daß es ein hübsches Gemälde geben würde, Luise?“

„Sie wissen wohl, daß ich mich auf Etwas der Art nicht gut verstehe, Miß Tremple.“

„Nennen Sie mich bei meinem Taufnamen,“ unterbrach sie Elisabeth. „Hier ist kein Ort für solche Förmlichkeiten.“

„Wohlan denn,“ versetzte Luise schüchtern, „wenn ich meine Meinung äußern darf, so glaube ich allerdings, daß die Scene sehr malerisch ist. Die selbstsüchtige Wichtigthuerei jenes Kirby mit seinem Fisch würde einen artigen Contrast bilden mit dem — dem — Ausdruck von Hernn Edwards' Gesicht. Ich weiß nicht wie ich es nennen soll, aber es ist — es — ist — ein — ach, Sie wissen wohl was ich sagen will, liebe Elisabeth.“

„Sie trauen mir da zu viel zu, Miß Grant,“ erwiederte die Erbin. „Ich kann keine Gedanken errathen und verstehe mich ebenso wenig auf den Ausdruck von Gesichtern.“

Es lag keine Härte, nicht einmal Kälte in dem Tone dieser Worte, aber doch setzte er der Unterhaltung ein Ziel, und die beiden Mädchen entfernten sich Arm in Arm und in tiefem Schweigen noch weiter von der Gesellschaft. Elisabeth unterbrach die lästige, stumme Scene zuerst wieder, vielleicht, weil sie fühlte, daß ihre letzten Worte übel gedeutet werden könnten, vielleicht aber auch, weil eben ein neuer Gegenstand ihrem Auge auffiel.

„Es scheint, unsere Partie beschäftigt sich nicht allein mit dem Fischfang,“ begann sie wieder. „Dort drüben auf der andern Seite des Sees zünden gleichfalls Fischer ein Feuer an. Es kömmt mir vor, als wäre es gerade vor Lederstrumpfs Hütte.“

Durch die Dunkelheit, welche das östliche Gebirg verhüllte, schimmerte ein kleines unsicheres Licht, das sich von Zeit zu Zeit den Blicken entzog und um sein Daseyn zu kämpfen schien. Die Mädchen sahen, wie es sich an dem Ufer abwärts bewegte, als ob es von Menschenhänden getragen würde. Nach einer Weile breitete sich die Flamme allmählig aus und wurde heller, bis sie die Größe eines Menschenkopfs erreichte, und nun fuhr sie stätig fort zu leuchten, wie eine feurige Kugel.

Das Zauberartige dieser Erscheinung, unmittelbar unter dem Gebirge und an diesem abgelegenen und einsamen Platze verlieh der Schönheit des Anblicks ein doppeltes Interesse. Das Feuer hatte keine Aehnlichkeit mit dem großen und unstäten Lichte des ihrigen, war heller und glänzender, und blieb sich hinsichtlich des Umfanges immer gleich.

Es gibt Augenblicke, in denen selbst der gebildetste Geist mehr oder weniger den nachtheiligen Eindrücken unterworfen ist, welche noch aus den Tagen der Kinderzeit stammen, und Elisabeth lächelte über ihre eigene Schwäche, als sie sich der müßigen Mährchen erinnerte, welche auf Lederstrumpfs Kosten unter den Dorfbewohnern im Umlaufe waren. Aehnliche Gedanken bemächtigten sich auch ihrer Gefährtin, denn Luise drängte sich in demselben Augenblicke näher an ihre Freundin und sprach mit unterdrückter Stimme, während sie einen furchtsamen Blick durch die Büsche und Bäume, welche vor ihnen gegen das Ufer überhingen, gleiten ließ.

„Haben Sie je von dem seltsamen Treiben dieses Natty sprechen hören, Miß Temple? Man sagt, er sey in seiner Jugend ein indianischer Krieger gewesen oder habe doch, was das Nämliche ist, in Verbindung mit den Wilden gelebt; auch meint man, er habe während der alten Kriege an vielen ihrer Einfälle Theil genommen.“

„Das wäre nicht ganz unwahrscheinlich,“ versetzte Elisabeth; „denn viele außer ihm haben das Gleiche gethan.“

„Wohl; aber ist die Vorsicht, womit er seine Hütte verwahrt, nicht seltsam? Er verläßt sie nie, ohne sie auf eine merkwürdige Weise zu verriegeln; und wenn hin und wieder Kinder oder sogar Männer aus dem Dorfe in derselben Schutz gegen die Stürme suchten, so soll er sie schon mit Drohungen fortgejagt haben. Etwas der Art ist doch sonderbar in diesem Lande.“

„Jedenfalls nicht sehr gastfreundlich; aber wir müssen nicht vergessen, welchen Widerwillen er gegen die Gebräuche des civilisirten Lebens hegt. Sie hörten vor einigen Tagen meinen Vater sagen, wie freundlich er ihn bei seinem ersten Besuche aufgenommen hat.“

Elisabeth hielt inne und lächelte mit einem Ausdrucke eigenthümlicher Schalkhaftigkeit, obgleich die Dunkelheit ihre Gefährtin den Sinn derselben nicht errathen ließ; dann fuhr sie fort: „Außerdem nimmt er auch die Besuche des Herrn Edwards an, der, wie wir beide wissen, nichts weniger als ein Wilder ist.“

Luise gab hierauf keine Erwiederung, sondern blickte fortwährend auf den Gegenstand, der diese Bemerkung veranlaßt hatte. Außer der hellen, zirkelrunden Flamme wurde nun eine schwächere sichtbar, die jedoch gleichfalls ein lebhastes Licht verbreitete und an dem obern Ende dieselbe Breite hatte, wie die erstere, nach unten hin aber sich zu einer mehrere Fuß langen Spitze ausdehnte. Zwischen beiden befand sich ein dunkler Raum; das neue Licht stand unter dem andern, und das Ganze bildete eine Erscheinung, die einem umgekehrten Ausrufungszeichen nicht unähnlich sah. Die Mädchen entdeckten jedoch bald, daß die letztere weiter nichts als der Reflex der ersteren im Wasser war, und daß der Gegenstand, was es auch immer seyn mochte, sich über den See weg bewegte, denn er schien um mehrere Fuße von dessen Oberfläche abzustehen und gerade auf sie zuzukommen. Die Bewegung ging erstaunlich schnell von statten; denn die Damen hatten sich kaum über die Wirklichkeit derselben Gewißheit verschafft, als sie gewahr wurden, daß das Licht seine regelmäßige Gestalt verlor, und sich in eine wehende Flamme umwandelte, welche immer größer wurde, je näher sie heran kam.