„Zieht Euch zurück, zieht Euch zurück, Meister Bumppo,“ rief Benjamin. „Euer Feuer erschreckt die Fische, die, wenn sie das Netz sehen, einen sicheren Ankergrund suchen. Ein Fisch ist so klug als ein Pferd und vielleicht noch klüger, wenn er etwas Unheimliches im Wasser wittert, in dem er groß geworden ist; zieht Euch zurück, Meister Bumppo, zieht Euch zurück, sage ich, und macht Platz für unser Stellnetz.“
Mohegan lenkte den kleinen Kahn nach einer Stelle, wo sie die Bewegungen der Fischer mit ansehen konnten, ohne dieselben zu stören, und ließ ihn daselbst Halt machen, wo er, wie ein fantastisches, in der Luft schwebendes Fahrzeug, liegen blieb. Unter der Bemannung des Boots schien nicht die beste Harmonie zu herrschen, denn Benjamin schrie viel, und zwar mit einer Stimme, in welcher sich der Unmuth des Ehrenmannes nicht verkennen ließ.
„An den Backbord das Ruder, Meister Kirby,“ rief der alte Seemann; „Backbord, so gut Ihr könnt! Es würde den ältesten General in der britischen Flotte in Verlegenheit bringen, ein Netz hübsch auszuwerfen, wenn das Kielwasser wie ein Korkzieher hinter einem herkömmt, Steuerbord, Bursche! an's Stenerbord das Ruder — wollt Ihr?“
Hört. Meister Benny,“ sagte Kirby trotzig, indem er zu rudern aufhörte; „ich verlange eine höfliche Sprache und eine manierliche Behandlung, wie es zwischen Mann und Mann recht und billig ist. Wenn Ihr hott wollt, so sagt's, und ich fahre hott, um des Allgemeinen willen; aber ich bin's nicht gewohnt, mich commandiren zu lassen, wie das unvernünftige Vieh.“
„Wer ist ein unvernünftiges Vieh?“ entgegnete Benjamin, indem er sein abstoßendes Gesicht zornig dem Lichte des Kahnes zuwandte, von wo aus man in jedem seiner Züge den Ausdruck des Unmuthes zu unterscheiden vermochte. „Wenn Ihr mir so kommt, und die Richtung des Boots bestimmen wollt, so hol Euch der Henker; Ihr würdet mir ein schönes Steuern zu Wege bringen. Wir brauchen nur noch das Netz in den Sternschoten zu heben, und die Sache ist im Reinen. Ich frage Euch noch einmal, ob Ihr noch um ein paar Faden weiter rudern wollt? Wenn ich aber wieder ein solches Wallroß, wie Ihr seyd, an Bord nehme, so soll mich alle Welt einen Schiffsesel nennen.“
Wahrscheinlich durch die Aussicht einer baldigen Beendigung seines Geschäfts ermuthigt, nahm der Holzfäller sein Ruder wieder auf und führte mit demselben einen so kräftigen Schlag ins Wasser, daß das Boot nicht nur von dem Netze; sondern auch in demselben Augenblicke von dem Majordomo befreit wurde. Benjamin hatte sich hinten an der kleinen Platform, wo das noch nicht ausgesteckte Netz lag, anfgestellt, und der gewaltige, durch den kräftigen Arm des Holzfällers veranlaßte Ruck, hatte jenen Ehrenmann vollkommen aus dem Gleichgewicht gebracht. Die beiderseitigen Lichter ließen diesen Vorfall sowohl im Kahn, als an der Küste gewahr werden, und der schwere Sturz in's Wasser zog Aller Augen nach dem Majordomo, den man einen Augenblick auf der Oberfläche zappeln sah. Ein lautes Gelächter erscholl, zu welchem Kirbys Lungen keinen kleinen Theil beitrugen, und hallte an den östlichen Bergen wieder, bis es in der Ferne unter den Felsen und Wäldern dahinstarb. Man sah den Körper des Hausmeisters langsam verschwinden — als aber die durch seinen Fall veranlaßten Wellenschläge ruhig wurden, und das Wasser über seinem Kopfe eine ununterbrochene Ebene bildete, bemächtigten sich der Zuschauer ganz andere Gefühle. „Wie gehts Euch, Benjamin?“ brüllte Richard von dem Ufer aus. „Der dumme Teufel kann nicht schwimmen!“ rief Kirby, indem er aufsprang und die Kleider bei Seite zu werfen begann. „Rudert drauflos, Mohegan!“ sagte der junge Edwards. „Das Licht wird zeigen, wo er ist; ich will dann nach ihm hinunter.“ „O, rettet ihn! Um Gotteswillen rettet ihn!“ rief Elisabeth indem sie entsetzt ihren Kopf über den Rand des Kahnes beugte. Einige kräftige und gewandte Schläge von Mohegan's Ruder brachten den Kahn rasch zu der Stelle, wo der Hausmeister ins Wasser gefallen war, und ein lauter Schrei von Lederstrumpf kündigte an, daß er den Körper sah.
„Haltet mit dem Boot, bis ich untergetaucht habe,“ rief Edwards wieder. „Gemach, Junge; gemach,“ sagte Natty. „Ich will den Burschen in der halben Zeit mit meiner Gabel herauf geholt haben; und so geht es, ohne daß Jemand sein Leben in Gefahr setzt.“
Benjamins Körper lag zur Hälfte auf dem Grund, während seine Hände krampfhaft einige Binsenstümpfe gefaßt hielten. Elisabeth überlief es eiskalt, als sie die Gestalt eines Mitmenschen so unter den Wassermassen ausgestreckt sah, denn seine Bewegungen schienen nur noch von den Wellen herzurühren, während sein Gesicht und seine Hände im Scheine des Lichtes und durch das Wasser angesehen, bereits die Farbe des Todes zeigten.
In demselben Augenblick bemerkte man, wie sich die Zinken von Nattys Gabel dem Kopfe des Verunglückten näherten und rasch in die Haare seines Zopfes und in den Kragen seines Rockes eindrangen. Der Körper wurde nun langsam in die Höhe gezogen, und die geisterbleichen Züge traten an die Oberfläche. Die Ankunft von Benjamin's Nasenlöcher in ihrer eigenen Atmosphäre wurde durch ein Schnauben verkündet, das einem Meerschweine Ehre gemacht hätte. Natty hielt den Majordomo eine kleine Weile mit dem Kopf über dem Wasser schwebend, und inzwischen öffneten sich dessen Augen langsam, wobei er um sich stierte, als sey er in einem neuen, nie gesehenen Lande angelangt.
Da Altes zugleich handelte und sprach, so wurde diese Rettung in weit kürzerer Zeit bewerkstelligt, als wir zu ihrer Erzählung gebraucht haben. In einem Nu befand sich das Boot an der Seite der Gabel, das sofort Benjamin aufnahm und rasch dem Ufer zu ruderte. Kirby brachte unter Richards Beistand, der in der Angst um seinen Lieblingsgehülfen demselben in's Wasser entgegen gesprungen war, den besinnungslosen Hausmeister an's Gestade und setzte ihn ans Feuer, während der Sheriff jene Belebungsmittel anordnete, welche man damals bei Ertrunkenen für die erprobtesten hielt.
„Lauft, Billy,“ rief er, „lauft ins Dorf und holt den vor der Thüre liegenden Rumkrug, in welchem ich den Weinessig angesetzt habe. Sputet Euch, Junge, und haltet Euch nicht damit auf den Essig in ein anderes Gefäß zu füllen; und nehmt bei Herrn Le Quoi ein Päckchen Taback und ein halb Duzend Pfeifen mit; — und laßt Euch von Remarkable etwas Salz und einen ihrer Flanellunterröcke geben; — und sagt zu Doctor Todd, er solle seine Lanzette schicken und selbst heraus kommen; und — ha! 'Duke was machst Du? Willst Du einen Mann, der voll Wasser ist, umbringen, daß Du ihm Rum gibst? Hilf mir seine Hand öffnen, daß ich sie reiben kann.“
Während dieser ganzen Zeit saß Benjamin starr mit verbissenem Mund und krampfhaft geschlossenen Händen da, in denen sich noch Reste der Binsen befanden, welche er in der Verwirrung des Augenblicks ergriffen und wie ein ächter Seemann so fest gehalten hatte, daß sein Körper nicht wieder an die Oberfläche auftauchen konnte. Seine Augen stunden jedoch offen und stierten gräßlich auf die Gruppe um das Feuer, während seine Lungen wie Schmideblasebälge arbeiteten, als wollten sie sich für die Minute einer unfreiwilligen Unthätigkeit schadlos halten. Die gewaltsam zusammengepreßten Lippen nöthigten die Luft, durch die Nasenlöcher ihren Aus- und Eingang zu nehmen, was denn auch mit einem so gewaltsamen Schnauben geschah, daß nichts als die übermäßige Aufregung des Sheriffs seine voreiligen Anordnungen rechtfertigen konnte.
Die Flasche, welche Marmaduke an die Lippen des Hausmeisters brachte, wirkte wie ein Zauber. Sein Mund öffnete sich instinktartig. Seine Hände ließen die Binsen fallen und griffen nach dem Glase, seine Augen erhoben sich aus ihrem horizontalen Stieren zu dem Himmel, — und der ganze Mann schien für den Augenblick in einem neuen Gefühle verloren zu seyn. Zum Unglück für Benjamins Liebhaberei war nach einem dieser Züge, ebenso gut als nach seinem Untertauchen, ein neues Athmen nöthig, und so mußte er endlich die Flasche fahren lassen.
„Ei. Benjamin!“ rief der Sheriff; „das ist ja etwas Schreckliches! Wie kann ein Mann, der schon so viele Ertrunkene hat behandeln sehen, so thöricht verfahren? Schüttet Ihr jetzt, der Ihr halb voll Wasser seyd, den Rum hinunter — —“