„Und noch obendrein mit dem Blute eines der eingeborenen Herrn dieses Bodens?“ rief Elisabeth, welche augenscheinlich seiner Abstammung von den Ureingeborenen nur wenig Glauben schenkte.
„Sind die Merkmale meiner Abkunft so offen in meinem Aeußeren abgedrückt? Meine Haut ist dunkel, aber nicht sonderlich roth — nicht mehr als gewöhnlich.“
„Doch, doch — gerade im gegenwärtigen Augenblick.“
„Ich bin überzeugt, Miß Temple,“ rief Luise, „daß Sie Herrn Edwards noch nicht genau ins Auge gefaßt haben. Seine Augen sind nicht so schwarz wie Mohegan's — nicht einmal so wie Ihre eigenen; und ebenso wenig ist dieß bei seinem Haare der Fall.“
„Sehr möglich; ich könnte also auf eine gleiche Abkunft Anspruch machen. Auch würde es mir zu einem großen Troste gereichen, wenn ich es thun dürfte, denn ich gestehe, es berührt mich schmerzlich, wenn ich den alten Mohegan in diesen Gegenden umher streifen sehe, wie den Geist eines ihrer alten Besitzer, und wenn ich dabei bedenke, wie wenig statthaft meine Eigenthumsrechte sind.“
„Wirklich?“ rief der Jüngling mit einer Heftigkeit, ob der die Damen erschracken.
„Allerdings,“ erwiederte Elisabeth, als sie sich in einer kleinen Weile von ihrer Ueberraschung erholt hatte. „Aber was kann ich thun? Was kann mein Vater thun? Wenn wir auch dem alten Manne eine Heimath und ein anständiges Auskommen anböten, so würde er es schon um seiner Gewohnheiten willen ausschlagen. Auch könnten wir, wenn wir einen so thörichten Wunsch hegten, diese Lichtungen und Meiereien nicht wieder in Jagdgründe verwandeln, wie es Lederstrumpf so gerne zu sehen wünschte.“
„Sie haben Recht, Miß Temple. Was wäre da wohl zu thun? Aber doch gibt es eines, was Sie gewiß thun können und wollen, wenn Sie Herrin dieser schönen Thäler geworden sind: — verwenden Sie ihren Reichthum zum Wohle der Armen und Nothleidenden; — weiter können sie in der That nicht thun.“
„Und damit ist schon viel geschehen,“ entgegnete Luise, indem jetzt die Reihe des Lächelns an ihr war. „Aber zweifelsohne wird sich Jemand einstellen, der ihr die Leitung solcher Angelegenheiten abnimmt.“
„Es fällt mir nicht ein, dem Ehestande absagen zu wollen wie ein thörichtes Mädchen, das gleichwohl vom Morgen bis in die Nacht an nichts Anderes denkt; aber ich bin hier eine Nonne, ohne das Gelübde der Ehelosigkeit abgelegt zu haben; wie sollte ich in diesen öden Wäldern einen Gatten finden?“
„Hier ist Keiner, Miß Temple,“ sagte Edwards rasch, „der sich vermessen dürfte, um ihre Hand zu werben, und ich bin überzeugt, daß Sie zuwarten, bis Sie von einem Ihres Gleichen aufgesucht werden — oder sterben, wie Sie gelebt haben, geliebt und geachtet von allen, welche Sie kennen.“
Der junge Mann schien zu glauben, er habe alles gesagt, was die Galanterie forderte, denn er stand auf, nahm seinen Hut und eilte aus dem Gemache. Luise mochte denken, daß er mehr als nöthig gesagt, denn sie seufzte mit einem so leisen Athemzuge, daß sie es wohl kaum gewahrte, und beugte ihr Antlitz wieder über ihre Arbeit. Möglich, daß Miß Temple noch mehr zu hören gewünscht hätte, denn ihre Augen hafteten noch eine geraume Weile auf der Thüre, durch welche der junge Mann verschwunden war, und wandten sich sodann rasch auf ihre Gefährtin. Das nun folgende lange Stillschweigen bewies, wie sehr die Unterhaltung zweier Mädchen unter achtzehn Jahren durch die Gegenwart eines Jünglings von dreiundzwanzig belebt werden kann.
Die erste Person, welcher Herr Edwards begegnete, als er aus dem Hause stürzte, war der kleine viereckiggebaute Rechtsgelehrte, mit einem großen Aktenbündel unter dem Arm und einer grünen Brille mit Seitengläsern auf der Nase, als wolle er durch diese scharfe Bewaffnung seines Auges seine Fähigkeit, die Hinterlist eines Gegners aufzuspüren, multipliciren.
Herr Van der School war ein Mann von Bildung, aber langsamer Fassungsgabe, der den Collisionen mit seinen lebhafteren und fähigeren Collegen, welche den Grund zu ihrem practischen Takte an den östlichen Gerichtshöfen gelegt und die Verschlagenheit mit der Muttermilch eingesogen hatten, seine Vorsicht in Reden und Thun verdankte. Die Behutsamkeit dieses Herrn sprach sich in letzterer Hinsicht als pedantische Methodik und Pünktlichkeit aus, wobei freilich auch ziemlich viel Schüchternheit mit einfloß, während er in seinen Reden so sehr den parenthetischen Styl beobachtete, daß seine Zuhörer oft lange suchen mußten, bis sie den Sinn seiner Worte fanden.
„Guten Morgen, Herr Van der School,“ sagte Edwards. „Es scheint, wir haben heute einen rührigen Tag in dem Herrenhause.“
„Guten Morgen, Herr Edwards, (wenn dies wirklich Ihr Name ist. [denn da Sie fremd sind, so haben wir kein anderes Zeugniß für die Thatsache, als Ihre eigene Aussage] wie ich auch bereits dem Richter Temple zu verstehen gegeben); guten Morgen Sir. Augenscheinlich ist's ein rühriger Tag (aber einem Mann von Ihrer Klugheit braucht man nicht zu sagen [sintemal Sie ohne Zweifel selbst schon diese Entdeckung gemacht haben], daß derr Schein oft trügt) in dem Hause droben.“
„Haben Sie wichtige Papiere, welche abgeschrieben werden müßen? Ist man in irgend einer Weise meines Beistandes benöthigt?“
„Da sind wohl Papiere (wie Sie ohne Zweifel [denn ihre Augen sind jung] an der Außenseite sehen), welche copirt werden sollten. —
„Nun so will ich Sie auf ihre Schreibstube begleiten und mir das Nöthigste herausgeben lassen. Wenn es Eile hat, so soll es bis auf den Abend gefertigt seyn.“
„Es wird mich immer freuen, Sir, Sie in meinem Geschäftslokal zu sehen, (wie nicht mehr als billig [nicht als ob es mir lieber wäre, einen Mann wie Sie (wenn Sie nicht wollen) in Ihrer eigenen Wohnung, welche [um mich höflich auszudrücken] ein Schloß ist, zu empfangen, sintemal mir jeder Platz gelegen kömmt]; aber die Papiere sind mir im Vertrauen übergeben (als solche dürfen sie natürlich von Niemand gelesen werden), und wenn es nicht (in Folge eines feierlichen Befehls von Seite des Richters Temple) angeordnet wird, so sind sie für alle Augen unsichtbar — diejenigen ausgenommen, welche durch Obliegenheiten (ich meine gesetzlich übertragene Obliegenheiten) dazu berechtigt sind.“
„Nun, Sir, wie ich bemerke, bedarf man meiner Dienste nicht, und so wünsche ich Ihnen abermals guten Morgen. Ich bitte jedoch, nicht zu vergessen, daß ich gegenwärtig ganz müßig bin, weshalb es mir lieb wäre, wenn Sie dem Richter Temple bedeuteten, daß ich mich anheischig machte, seine Aufträge in irgend einem Theile der Welt zu besorgen, wenn — wenn — er nicht allzuweit von Templeton liegt.“
„Ich will ihm dies eröffnen, Sir, in Ihrem Namen (mit Ihren eigenen Ausdrücken) als Ihr Agent. Guten Morgen, Sir — aber halten Sie, Herr Edwards (wenn Sie so heißen) nur einen Augenblick. Wünschen Sie, daß ich Ihr Anerbieten vorbringe, in Maßgabe eines zu schließenden Contrakts (in Folge dessen [durch zu bezahlende Vorschüsse] eine Verbindlichkeit eingegangen wird,) oder als eine Dienstleistung, für welche (nach später erfolgender Uebereinkunft unter den Partien) nach Lösung der Bedingungen Entschädigung gereicht würde?“
„Mir gleichgültig, mir gleichgültig,“ versetzte Edwards. „Er scheint in Sorgen zu seyn, und ich möchte ihm Beistand leisten.“
„Der Beweggrund ist gut, Sir (dem Anscheine nach [welcher freilich oft trügt] so viel mir vorkömmt) und gereicht Ihnen zur Ehre. Ich will Ihres Wunsches erwähnen, junger Gentleman (denn ein solcher scheinen Sie zu seyn) und werde (so Gott will) nicht ermangeln. Ihnen um fünf Uhr post meridiem des gegenwärtigen Tages die Antwort mittheilen, wenn Sie mir Gelegenheit dazu geben.“
Das Ungewisse in Oliver's Stellung und Charakter hatte ihn für den Rechtsgelehrten zu einem Gegenstand besonderen Argwohns gemacht, weßhalb auch der Jüngling viel zu sehr an solche zweideutige und behutsame Reden gewöhnt war, um sich durch das vorstehende Gespräch ärgern zu lassen. Er sah wohl ein, daß der Rechtsgelehrte die Absicht hatte, die Natur seines Geschäftes sogar vor dem Privatsecretär des Richters Temple geheim zu halten, und wußte zu gut, wie schwierig es war, den Sinn von Herrn Van der School's Worten zu begreifen, selbst wenn dieser Ehrenmann sich Mühe gab, recht deutlich zu seyn, um nicht jeden Gedanken an irgend einen Aufschluß aufzugeben, zumal er sah, daß der Anwalt sich Mühe gab, Alles zu vermeiden, was zu einem verfänglichen Examen führen konnte. Sie trennten sich an der Hausthüre des Advokaten, und Letzterer verfügte sich mit wichtigthuender Eile nach seinem Schreibzimmer, indem er die Papiere mit seinem rechten Arme so fest an sich drückte, als gewärtige er in jedem Augenblicke, daß man ihm dieselben entreißen wolle.