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„In der That, das ist eine Erzählung ganz in Vetter Dickens Weise. Aber was weiter?“

„Ich glaube, er leitete die Freundschaft der Beiden von einer Schlacht ab, in welcher Lederstrumpf John's Leben rettete.“

„Nichts ist leichter möglich,“ versetzte Elisabeth etwas ungeduldig. „Aber wie gehört all dieß zur Sache?“

„Ach, Elisabeth, Sie müssen Geduld tragen mit meiner Unwissenheit; Sie sollen dann Alles hören, was ich noch im Gedächtniß behalten habe, denn ich habe keine weitere Quelle, als das, was zwischen dem Sheriff und meinem Vater bei ihrer letzten Zusammenkunft gesprochen wurde. Er sagte noch weiter, es wäre bei den Königen von England üblich gewesen, Leute von Stand, bisweilen auch Officiere aus der Armee, als Agenten unter die verschiedenen Indianerstämme zu schicken und diese Sendlinge hätten nicht selten die Hälfte ihres Lebens in der Wildniß zugebracht.“

„Mit wunderbarer geschichtlicher Genauigkeit erzählt; und schloß er hiemit seine Geschichte?“

„O, nein! — er sagte dann, diese Agenten hätten selten geheirathet; und — und — sie müssen schlimme Menschen gewesen seyn, Elisabeth! Aber ich kann Sie versichern, daß er so sagte.“

„Gleichviel,“ entgegnete Miß Temple, indem sie erröthete und lächelte, aber nur so leicht, daß ihre Gefährtin weder des einen noch des andern gewahr werden konnte. „Uebergehen Sie das.“

„Nun, dann erzählte er, sie hätten sich's oft zur Ehrensache gemacht, ihre Kinder gut zu erziehen und dieselben nach England, ja sogar auf Hochschulen zu schicken. Und von einem solchen Umstande leitet er die Bildung ab, welche Herr Edwards genossen; denn er gibt zu, daß derselbe fast so viel wisse, als Ihr Vater — der meinige — oder gar er selbst.“

„Eine wundervolle Steigerung der Gelehrsamkeitsgrade! Und so machte er wohl Mohegan zu dem Großoheim oder Großvater von Oliver Edwards?“

„Sie haben das wohl von ihm selbst gehört?“ erwiederte Luise.“

„Etwas Aehnliches wohl zum öftern, nur nicht gerade über diesen Gegenstand. Sie wissen, meine Liebe, daß Herr Jones für Alles gleich eine Theorie bereit hat. Weiß er aber auch zu erklären, warum diese Hütte die einzige Wohnung im Umkreise von fünfzig Meilen ist, dessen Thüre sich nicht Jedem öffnet, der auf die Klinke drücken will?“

„Ich habe ihn nie über diesen Gegenstand sprechen hören,“ antwortete die Tochter des Geistlichen; „aber ich denke, es kömmt daher, weil sie arm und daher ganz natürlich sehr besorgt sind, ihr kleines, ehrlich erworbenes Eigenthum zu erhalten. Es ist bisweilen gefährlich, reich zu seyn. Miß Temple; aber Sie können nicht wissen, was es heißt, wenn man so recht arm ist.“

„Dies wird auch bei Ihnen nicht der Fall seyn, Luise? Wenigstens hoffe ich, daß in diesem Lande des Ueberflusses kein Diener der Kirche völligen Mangel zu leiden hat.“

„Wo Vertrauen zum Schöpfer ist, kann keine wirkliche Noth Platz greifen,“ erwiederte die Andere in leisem und ergebungsvollem Tone; ..aber doch gibt es Entbehrungen, die das Herz schwer ankommen.“

„Sie reden doch nicht von sich selbst?“ rief Elisabeth hastig. „Nein, nein, meine Liebe; Sie können unmöglich das Elend erfahren haben, das mit der Armuth begleitet ist!“

„Ach, Miß Temple! Sie kennen, wie mir scheint, die Mühseligkeiten dieses Lebens wenig. Mein Vater hat viele Jahre als Missionär in diesen neuen Landen zugebracht, wo seine Gemeinde so arm war, daß es uns oft an trockenem Brode gebrach, ohne daß wir im Stande gewesen wären, welches zu kaufen; und betteln wollte er nicht, weil er seinen heiligen Beruf nicht entehren mochte. Aber wie oft habe ich ihn sein Haus verlassen sehen, während seine kranken und hungrigen Angehörigen bei seiner Entfernung fühlten, daß sie ihren einzigen Erdenfreund verloren; und doch that er dieß, weil er seine Pflicht wegen häuslichen Nothstandes nicht verabsäumen mochte. Ach, wie schwer muß es seyn, Anderen Trost zu bringen, wenn das eigene Herz vor Kummer brechen will!“

„Aber es ist jetzt doch Alles vorüber! Ihres Vaters Einkommen muß nun seinen Bedürfnissen entsprechen , es muß — es soll — —

„Ja,“ entgegnete Luise? indem sie das Haupt sinken ließ, um die Thränen zu verbergen, die trotz ihres ergebungsvollen Sinnes ihren Augen entströmten; „denn es ist Niemand übrig geblieben, den er zu ernähren hätte, als ich.“

Die Wendung, welche das Gespräch genommen, hatte alle anderen Gedanken, als die einer heiligen Rührung, aus den Gemüthern der jungen Mädchen verscheucht, und Elisabeth schloß ihre Freundin in ihre Arme, als diese ihrem Schmerz durch ein hörbares Schluchzen Luft machte. Nachdem sich dieser Gefühlsausbruch beschwichtigt hatte, erhob Luise ihr sanftes Antlitz, und sie setzten schweigend ihren Spaziergang fort.

Sie hatten indessen die Spitze des Berges erreicht, wo sie die Straße verließen und unter dem Schatten der stattlichen Bäume weiter gingen. Der Tag war warm, und die Mädchen vertieften sich immer mehr in den Wald, da die belebende Kühle des Dickichts in einem angenehmen Gegensatze zu der Hitze stand, welcher sie beim Bergansteigen ausgesetzt gewesen waren. Die Unterhaltung beschränkte sich — als geschehe es in Folge wechselseitiger Uebereinkunft — ganz auf das, was ihnen ihr Spaziergang bot, und jede hohe Fichte, jedes Gebüsch, oder allenfalls eine Blume entlockte ihnen irgend einen einfachen Ausdruck der Bewunderung.

In dieser Weise wandelten sie am Felsenrande hin, indem sie gelegentlich Blicke nach der ruhigen Fläche des Otsego warfen, der inne hielten, um auf das Rasseln der Räder und die Schläge der Hämmer zu horchen, die vom Thale herauf tönten und die Merkzeichen menschlichen Treibens unter die Scenen der Natur mischten, als Elisabeth plötzlich mit dem Ausrufe zusammenfuhr —

„Horch! ich höre ein Kind auf diesem Berge schreien. Ist etwa eine Lichtung in der Nähe? oder sollte sich vielleicht ein Kleines von seinen Aeltern verirrt haben?“

„So etwas kömmt oft vor,“ versetzte Luise. „Wir wollen den Tönen nachgehen. Vielleicht ist's ein Wanderer, der in den Bergen verschmachtet.“

Durch diesen Gedanken angetrieben, folgten die Mädchen mit raschen und ungeduldigen Schritten den dumpfen und kläglichen Tönen, die aus dem Walde hervor drangen. Mehr als einmal stand die voraneilende Elisabeth im Begriffe, auszurufen, sie sehe den Nothleidenden, als plötzlich Luise ihren Arm erfaßte und mit dem Ausrufe hinter sich wies —

„Sehen Sie ihren Hund an!“

Brave war, seit ihn die Stimme seiner jungen Gebieterinn aus der Hütte gelockt hatte, bis auf diesen Augenblick nicht von ihrer Seite gewichen. Sein vorgerücktes Alter hatte ihn schon längst seiner Rührigkeit beraubt; und wenn die beiden Mädchen Halt machten, um die Landschaft zu betrachten, oder ihre Blumensträuße zu vergrößern, so pflegte sich der mächtige Bullenbeißer auf die Erde zu legen, indem er mit halb geschlossenen Augen und einer Trägheit in seinem ganzen Wesen, welche übel zu dem Charakter eines Beschützers paßte, ihre Bewegungen beobachtete. Als aber Miß Temple bei Luisens Ausruf sich umwandte, bemerkte sie, daß der Hund seine Augen scharf auf irgend einen fernen Gegenstand heftete, während er den Kopf zur Erde senkte und seine Haare, sey es nun aus Furcht oder Zorn, sich sträubten. Wahrscheinlich war das Letztere der Fall, denn er ließ ein dumpfes Knurren vernehmen, wobei er hin und wieder in einer Weise, welche seine Gebieterin erschreckt haben würde, wenn sie nicht die guten Eigenschaften des Thieres gekannt hätte — die Zähne zeigte.

„Brave!“ rief sie ihm zu. „Sei ruhig, Brave! Was siehst du, alter Bursche?“

Bei dem Ton ihrer Stimme mehrte sich augenscheinlich die Wuth des Bullenbeißers, statt sich zu mindern. Er eilte vor die Damen hin, legte sich seiner Gebieterinn zu Füßen, heulte noch lauter als vorher und machte hin und wieder seinem Zorne durch ein kurzes, bissiges Bellen Luft.