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„und wo ist der Hirsch? Rief Hiram, mit wirren Blicken um sich sehend.

„Welcher Hirsch?“ entgegnete Natty.

„Ei, ist nicht von Wildpret die Rede gewesen, und habt Ihr nicht einen Bock geschossen?“

„Warum nicht gar! Ist das nnicht durch das Gesetz verboten?“ erwiederte der alte Jäger. „Oder gibt es vielleicht auch ein Gesetz welches das Erlegen eines Panthers verbietet?“

„Nein; es steht sogar ein Preis auf den Scalpen; — aber — sind denn Eure Hunde auf Panther dressirt, Natty?“

„Auf Alles; ich habe Euch ja vorhin gesagt, daß sie sogar auf den Mann gehen. Heran, heran, Jungen Heran, heran, — —“

„Ja, ja, ich entsinne mich. Nun ich muß sagen, Ihr habt seltsame Hunde — ich bin ganz erstaunt.“

Natty hatte sich inzwischen auf die Erde gesetz, den grimmigen Kopf des todten Feindes in seinen Schooß gelegt und schickte sich nunmehr an, mit geübter Hand einen Zirkelschnitt um die Ohren zu machen, welche er in einer Weise von dem Schädel des Thieres riß, daß über das Geschöpf, von welchem es kam, kein Zweifel mehr obwalten konnte; dann entgegnete er:

„Wie so Squire? Habt Ihr nie zuvor den Scalp eines Panthers gesehen? Nun, Ihr seyd eine Magistratsperson, und ich wünsche, daß Ihr mir ein Certificat für die Belohnung ausstellt.“

„Die Belohnung?“ wiederholte Hiram, indem er die Ohren einen Augenblick mit der Fingerspitze betastete, als wisse er nicht, wie er sich weiter zu benehmen habe. „Nun ja, wir wollen in Eure Hütte hinuntergehen, wo ich Euch beeidigen und die Anweisung ausstellen kann. Ihr habt doch vermuthlich eine Bibel? Zwar verlangt das Gesetz nicht weiter als die vier Evangelien und das Gebet des Herrn.“

„In meiner Wohnung finden sich keine Bücher,“ sagte Nattykaltblütig; „und daher auch keine solche Bibel, wir Ihr sie für nöthig erachtet.“

„O, es gibt nur eine Art von Bibel, die vor dem Gesetze gilt,“ erwiederte die Magistratsperson, „und die Eurige wird den Dienst so gut als eine andere thun. Kommt, das Aas ist nichts werth, wir wollen hinunter gehen, damit ich Euch den Eid abnehmen kann.“

„sachte, sachte Squire,“ entgegnete der Jäger, indem er bedächtig seine Siegeszeichen von der Erde aufhub und die Büchse auf die Schultern warf. „wozu bedarf es überhaupt eines Eides in einer Sache, die Ihr mit eigenen Augen angesehen habt? Setzt Ihr denn ein Mißtrauen in Euch selbst, daß ein anderer Mann etwas beschwören soll, dessen Wahrheit Ihr bezeugen könnt? Ihr habt gesehen, daß ich den Bestien die Schädelhäute abzog, und wenn ein Eid erforderlich ist, so will ich ihn vor dem Richter Temple schwören.“

„Aber wir haben hier weder Feder, noch Papier; wir werden daher doch in die Hütte gehen müssen, denn wie kann ich sonst die Anweisung schreiben?“

Natty lachte der schlauen Magistratsperson abermals auf seine eigenthümliche Weise in's Gesicht, und sprach:

„Ei, was sollte ich mit solch gelehrtem Zeug anfangen? Ich brauche weder Feder noch Papier, da ich sie nicht zu benützen weiß, und führe deshalb auch nichts dergleichen. Nein, nein, ich will die Scalpe in's Dorf bringen., Squire, und dann könnt Ihr die Anweisung aus einem Eurer Gesetzbücher herausnehmen; sie wird in diesem Falle nur um so besser seyn. — Hole der Henker das Leder an dem Hals des Hundes; es wird den alten Narren noch erdrosseln. Könnt Ihr mir ein Messer leihen. Squire?“

Hiram, dem besonders viel daran gelegen zu seyn schien, mit seinem Gefährten in gutem Einvernehmen zu bleiben, willfahrte dem Verlangen.

Natty, schnitt den Riemen an dem Halse des Hundes durch und als er das Werkzeug dem Eigenthümer wieder einhändigte, bemerkte er leichthin —

„Ein gutes Stückchen Stahl, das gewiß seiner Zeit schon mehr derartiges Leder durchschnitten hat?“

„Ihr wollt damit doch nicht sagen, daß ich Eure Hunde losgelassen hätte?“ rief Hiram, den das Bewußtseyn seiner Schuld alle Vorsicht vergessen ließ.

„Die Hunde losgelassen?“ entgegnete der Jäger, „Das hab' ich selbst gethan. Ich lasse sie immer los, ehe ich die Hütte verlasse.“

Das nicht zu bewältigende Erstaunen, womit Herr Doolittle diese Unwahrheit vernahm, würde an sich schon seine Mitwirkung an der Befreiung der Hunde verrathen haben, wenn Natty einer weitern Bestätigung bedurft hätte, und die ruhige Mäßigung des alten Mannes machte nun einem offenen Zornausbruche Platz.

„Seht Euch vor, Meister Doolittle,“ sagte er, indem er den Schaft seiner Flinte ungestüm auf den Boden stieß. „Ich weiß nicht, was es in dem Wigwam eines armen Mannes, wie ich bin, gibt, daß ein Bursche, wie Ihr, sich so darnach sehnen kann. Ich sage Euch aber unverholen, Ihr sollt nie mit meiner Einwilligung einen Fuß unter das Dach meiner Hütte setzen, und wenn Ihr fortfahrt, so um sie herum zu lungern, wie Ihr in der letzten Zeit gethan habt, so könnte Euch eine Behandlung blühen, die Euch wenig behagen wird.“

„Und ich sage Euch, Meister Bumppo,“ entgegnete Hiram, indem er eilig den Rückzug antrat. „daß es mir bekannt ist, wie Ihr das Gesetz übertreten habt. Ich bin eine Magistratsperson, und will es Euch fühlen lassen, ehe Ihr noch um einen Tag älter werdet.“

„Ich scheere mich nicht so viel um Euch und um Euer Gesetz,“ rief Natty, indem er nach dem Friedensrichter mit den Fingern schnippte. „Fort mit Dir, Du Gewürm, ehe mich der Teufel versucht. Dir Deinen Lohn zu geben! Sieh Dich vor, daß ich Dich nicht für eine Eule nehme und niederschieße, wenn Du je wieder Deine Glotzaugen in den Wäldern blicken lässest.“

Es liegt immer etwas Gebieterisches in einem gerechten Zorne, und Hiram blieb nicht stehen, um den Grimm des alten Jägers auf die Spitze zu treiben. Sobald der Aufdringling verschwunden war, kehrte Natty zu der Hütte zurück, wo er eine Grabesruhe antraf. Er legte seine Hunde an, pochte an die Thüre und fragte, als Edwards öffnete, ob Alles in Ordnung sey.

„Alles,“ entgegnete der Jüngling. Man hat zwar versucht, das Schloß zu öffnen, aber der Naseweis mußte es wohl bleiben lassen, weil es zu stark für ihn war.“

„Ich kenne jetzt den Kerl,“ erwiederte Natty; „hoffentlich wird er sich aber in den nächsten Tagen nicht in den Bereich meiner Büchse wagen — —“

Was Lederstrumpf grollend noch weiter vor sich hin murmelte, wurde unhörbar, da der Jäger die Thüre der Hütte laut hinter sich zuschlug.

Neunundzwanzigtes Kapitel.

Man sagt, er habe eine Masse Schätze.

Timon von Athen.

Als Marmaduke Temple und sein Vetter ihre Straße ritten, war das Herz des Vaters noch zu lebhaft von den edelsten Gefühlen unserer Natur ergriffen, um ihn sogleich zu einer Unterhaltung geneigt zu machen, und in Richards Miene lag eine Wichtigkeit, die dem Sheriff nicht gestattet haben würde, ein Gespräch anzuknüpfen, das nicht im Zusammenhang mit der Großartigkeit seiner Entwürfe gestanden hätte. Die beiden Reiter sprengten daher wohl eine Meile in tiefem Schweigen dahin. Endlich wich der weiche Ausdruck der väterlichen Liebe aus den schönen Zügen des Richters und machte allmählig der gutmüthigen Heiterkeit Platz, welche gewöhnlich auf Temple's Antlitz lagerte.

„Nun, Dickon,“ sagte er, „da ich mich so weit herangelassen habe, mich unbedingt Deiner Führung anheim zu stellen, so denke ich wohl, daß der Augenblick gekommen ist, welcher mich zu weiterem Vertrauen berechtigt. Warum und weßwegen machen wir in so feierlicher Weise diesen Ritt?“

Der Sheriff ließ ein lautes Hem vernehmen, das weit in den Wald hinein klang, und seine Blicke auf die nach vorn liegenden Gegenstände heftend, einem Manne ähnlich, welcher tief in die Zukunft schaut, erwiederte er:

„Es hat stets, — ich möchte sagen, von unserer Geburt an, einen Punkt gegeben, über den wir nicht einig werden konnten, Richter Temple. Nicht als ob ich Dich für die Fügungen der Natur verantwortlich machen wollte; denn ein Mann kann um angeborener Fehler willen eben so wenig verdammt werden, als man angeborene Vorzüge, die er vielleicht besitzt, auf seine eigene Rechnung zu schreiben berechtigt ist: aber über einen Punkt sind wir so zu sagen von unserer Geburt an, die, wie Du weißst, nur zwei Tage von einander fällt, verschiedener Ansicht.“