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Die Risiken, die ein Kredithai einging, waren gering, verglichen mit anderen Formen des Verbrechens. Sehr selten wurde ein Verfahren gegen solche Leute eingeleitet, und nur wenige wurden jemals verurteilt, da die Gerichte nicht genügend Beweise beibringen konnten. Die Kunden des Kredithais waren verschwiegen; teils aus Angst, etliche auch aus Scham, weil sie seine Dienste überhaupt in Anspruch genommen hatten. Und diejenigen, die zusammengeschlagen wurden, erstatteten keine Anzeige, da sie sonst weitere Kostproben zu erwarten hatten, wie ihnen wohl bekannt war.

Also harrte Miles furchtsam aus, während Ominsky seine Seezunge verspeiste.

Unerwartet sagte der Kredithai: »Verstehen Sie was von Buchführung?«

»Buchführung? Aber ja; als ich in der Bank arbeitete... «

Eine Handbewegung gebot ihm Schweigen; kalte, harte Augen musterten ihn abschätzend. »Vielleicht kann ich Sie beschäftigen. Ich brauche einen Buchhalter für die Doppelte Sieben.«

»Für den Fitness-Club?« Es war neu für Miles, daß Ominsky Besitzer oder Manager des Clubs war. Er fügte hinzu: »Ich war heute da, bevor... «

Der andere schnitt ihm das Wort ab. »Wenn ich rede, haben Sie den Mund zu halten und zuzuhören; antworten Sie nur, wenn Sie gefragt werden. LaRocca sagt, daß Sie arbeiten wollen. Wenn ich Ihnen Arbeit verschaffe, geht alles, was Sie verdienen, an mich, als Abzahlung für den Kredit und die Zinsen. Mit anderen Worten, Sie gehören mir. Das möchte ich verstanden wissen.«

»Ja, Mr. Ominsky.« Erleichterung durchflutete Miles. Man wollte ihm also doch Zeit lassen. Das Wie und Warum war unwichtig.

»Sie bekommen Ihr Essen und ein Zimmer«, sagte der Russe Ominsky. »Aber ich warne Sie - Finger weg von der Kasse. Ertappe ich Sie je dabei, daß Sie lange Finger machen, dann werden Sie wünschen, Sie hätten noch einmal die Bank bestohlen, nicht mich.«

Miles lief es unwillkürlich kalt über den Rücken, weniger aus Sorge vor dem Stehlen - er hatte nicht die Absicht, das zu tun -, sondern vielmehr, weil er wußte, was Ominsky tun würde, wenn er jemals erfuhr, daß sich ein Judas in seinem Lager befand.

»Jules wird Sie abholen und unterbringen. Sie werden erfahren, was Sie zu tun haben. Das ist alles.« Ominsky entließ Miles mit einer Handbewegung und nickte LaRocca zu, der sie von der Bar her beobachtet hatte. Während Miles an der äußeren Tür des Restaurants wartete, konferierten die beiden anderen; der Kredithai erteilte Anweisungen, LaRocca nickte.

Jules LaRocca erschien wieder bei Miles. »Da haste Schwein gehabt, Junge. Ab durch die Mitte.«

Als sie gingen, machte sich Ominsky über seinen Nachtisch her, während eine andere wartende Gestalt auf den Platz ihm gegenüber glitt.

Das Zimmer, das man ihm in der Doppelten Sieben angewiesen hatte, lag im obersten Geschoß des Gebäudes und war wenig mehr als eine schäbig möblierte Zelle. Miles machte das nichts aus. Es stellte einen höchst zaghaften Neubeginn dar, eine Chance, sein Leben neu zu gestalten und etwas von dem zurückzuerlangen, was er verloren hatte, wenn er auch wußte, daß es Zeit kosten würde, riskant war und Unternehmungsgeist erforderte. Im Augenblick versuchte er, nicht allzuviel über seine Doppelrolle nachzudenken, sich statt dessen darauf zu konzentrieren, sich nützlich zu machen und akzeptiert zu werden, wie Nolan Wainwright es ihm aufgetragen hatte.

Zunächst erforschte er das Innere des Gebäudes. Der größte Teil des Erdgeschosses - abgesehen von der Bar, in der er zu Anfang gewesen war - wurde von einer Sporthalle und Handballplätzen eingenommen. Im ersten Stock befanden sich Dampfbad- und Massageräume. Der zweite Stock umfaßte Büros; außerdem mehrere andere Räume, deren Verwendungszweck er später kennenlernen sollte. Der dritte Stock, weniger geräumig als die anderen, enthielt mehrere andere Zellen, die Miles' eigener Kammer glichen und in denen Clubmitglieder gelegentlich übernachteten.

Miles fand sich mit Leichtigkeit in die Aufgabe des Buchhalters. Die Arbeit sagte ihm zu; er holte Liegengebliebenes auf und verbesserte die Übertragung in das Hauptbuch, die bisher nachlässig gehandhabt worden war. Er machte dem Clubmanager Vorschläge, wie man andere Bücher vernünftiger führen konnte, vermied es aber, daß ihm selbst das Verdienst an den Verbesserungen zugeschrieben wurde.

Der Manager, ein ehemaliger Boxpromoter namens Nathanson, dem Büroarbeit nicht leicht von der Hand ging, war dankbar. Noch mehr wußte er es zu schätzen, als Miles sich erbot, zusätzliche Arbeiten im Club zu übernehmen, wie Reorganisation des Lagers und des Inventurverfahrens. Nathanson ließ Miles deshalb einen Teil seiner Freizeit auf den Handball-Plätzen verbringen, was ihm zusätzliche Gelegenheit verschaffte, Mitglieder kennenzulernen.

Die ausschließlich männliche Mitgliedschaft des Clubs teilte sich, soweit Miles das übersehen konnte, gewissermaßen in zwei Gruppen. Die eine umfaßte diejenigen, die ernsthaft die Sportanlagen des Clubs benutzten, einschließlich der Dampfbäder und der Massage-Räume. Diese Leute kamen und gingen jeweils allein und schienen sich untereinander kaum zu kennen; Miles vermutete, daß es sich um Angestellte oder kleinere Geschäftsleute handelte, die der Doppelten Sieben ganz schlicht aus Fitness-Gründen angehörten. Er vermutete auch, daß die erste Gruppe eine willkommene legitime Fassade für die zweite abgab, die die Sportanlagen so gut wie nie in Anspruch nahm, mit Ausnahme gelegentlicher Dampfbäder.

Die zur zweiten Gruppe Gehörigen hielten sich vorwiegend in der Bar oder in den Räumen des zweiten Stocks auf. Am zahlreichsten waren sie am späten Abend zugegen, wenn die nach sportlicher Betätigung suchenden Mitglieder selten im Club anzutreffen waren. Miles wurde klar, daß Nolan Wainwright sich auf dieses zweite Element bezogen hatte, als er die Doppelte Sieben einen »Ganoventreff« genannt hatte.

Noch etwas anderes merkte Miles Eastin sehr bald, nämlich daß die oberen Räume für illegale Karten- und Würfelspiele mit hohen Einsätzen benutzt wurden. Es dauerte eine Woche, bis einige der nächtlichen Stammgäste sich an ihn gewöhnt hatten und ihm ohne Mißtrauen begegneten, zumal Jules LaRocca ihnen versichert hatte, daß er »okay« sei, »ein Kerl, der die Schnauze hält«.

Wenig später, immer im Bestreben, sich nützlich zu machen, begann Miles mitzuhelfen, wenn Getränke und Sandwiches in den zweiten Stock getragen werden mußten. Beim ersten Mal, als er das tat, nahm einer von sechs stämmigen Männern, die draußen vor den Spielzimmern standen und offensichtlich dort Wache hielten, ihm das Tablett ab und trug es hinein. Aber am nächsten Abend und an den folgenden durfte er die Räume betreten, in denen gespielt wurde. Miles machte sich auch nützlich, indem er unten Zigaretten kaufte und sie dem hinaufbrachte, der gerade welche brauchte, einschließlich der Wächter.

Er wußte, daß man ihn mit Wohlwollen zu betrachten begann.

Hauptsächlich wegen seiner allgemeinen Hilfsbereitschaft. Aber auch, weil er trotz aller Sorgen und Gefahren etwas von seiner alten gutgelaunten Munterkeit zurückgewonnen hatte. Und ein dritter Grund war, daß Jules LaRocca, der überall an der Peripherie herumzuflitzen schien, zu Miles' Gönner und Förderer geworden war, auch wenn er Miles manchmal das Gefühl verlieh, in einem Schmierentheater mitzuwirken.

Was LaRocca und seine Genossen immer wieder faszinierte, das war Miles Eastins Kenntnis des Geldes und seiner Geschichte. Besonders beliebt war die Saga des im Regierungsauftrag gedruckten Falschgelds, die Miles im Gefängnis zum ersten Mal erzählt hatte. Während der ersten Wochen im Club mußte er sie, von LaRocca aufgefordert, mindestens ein dutzendmal wiederholen. Sie wurde immer mit gläubigem Kopfnicken und Bemerkungen wie »verfluchte Heuchlerbande« und »gottverdammte Gangster, die da oben« begleitet.

Um seinen Vorrat an Geschichten zu ergänzen, ging Miles eines Tages zu dem Wohnblock, in dem er vor seiner Gefängnisstrafe gewohnt hatte, und holte seine Nachschlagebücher. Das meiste von dem wenigen, was er außerdem besessen hatte, war längst verkauft, um rückständige Miete zu bezahlen, aber der Hausmeister hatte die Bücher verwahrt, und er gab sie Miles wieder. Früher hatte Miles eine Münzen- und Banknotensammlung besessen, sie dann aber verkauft, als er tief in Schulden steckte. Eines Tages, hoffte er, würde er wieder sammeln können, wenn das auch in weiter Ferne liegen mochte.