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Nun wieder in der Lage, in seinen Büchern blättern zu können, die er in seiner Kammer im dritten Stock verwahrte, erzählte Miles seinen lauschenden Zuhörern von selteneren Formen des Geldes. Die schwerste aller Währungen, berichtete er, war das mühlsteinähnliche Geld, das bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges auf der Pazifik-Insel Jap im Umlauf war. Die meisten steinernen Scheiben aus Korallenkalk, erklärte er, hatten einen Durchmesser von dreißig Zentimetern, aber es gab auch welche mit einem Durchmesser von zwei Meter sechzig; solche mußten, wenn sie für einen Kauf benötigt wurden, an einem Pfahl hängend transportiert werden. »Was is' mit Wechselgeld?« fragte einer unter allgemeinem Gelächter, und Miles versicherte ihm, daß auch auf Jap herausgegeben wurde -in kleineren Steinscheiben.

Das leichteste Geld dagegen, belehrte er sie, waren seltene Federn, die auf den Neuen Hebriden benutzt wurden. Außerdem war jahrhundertelang Salz als Zahlungsmittel verwendet worden, vor allem in Äthiopien, und die Römer entlohnten damit ihre Arbeiter; das Wort »Salär« leite sich daher ab. Und auf Borneo, erzählte Miles den anderen, galten noch im neunzehnten Jahrhundert menschliche Schädel als gesetzliche Währung.

Aber keine Sitzung dieser Art endete, ohne daß die Unterhaltung sich wieder der Falschmünzerei zuwandte.

Nach einem solchen Gespräch nahm ein vierschrötiger Chauffeur und Leibwächter, der im Club herumlungerte, während sein Boss oben Karten spielte, Miles beiseite.

»Hör mal, Junge, du quatschst immer so große Töne von Falschgeld. Guck dir das hier mal an.« Damit hielt er ihm eine saubere, knisternd frische Zwanzig-Dollar-Note hin.

Miles nahm den Geldschein und betrachtete ihn genau. Die Situation war nicht neu für ihn. Früher, in der First Mercantile American Bank, pflegte man ihm wegen seiner Spezialkenntnisse alle verdächtigen Scheine zu zeigen.

Der stämmige Mann grinste. »Ziemlich gut, was?«

»Wenn das 'ne Fälschung ist«, sagte Miles, »dann ist es die beste, die mir je unter die Augen gekommen ist.«

»Willste 'n paar kaufen?« Aus einer Innentasche zog der Leibwächter neun weitere Zwanziger hervor. »Gib mir vierzig echte Eier, Junge, und die ganzen zweihundert gehör'n dir.«

Das war so ungefähr der gängige Tarif, wußte Miles, für Blüten von hoher Qualität. Er sah auch sofort, daß die anderen Scheine ebenso gut waren wie der erste.

Schon wollte er das Angebot ausschlagen, dann zögerte er. Er hatte keinerlei Absicht, Falschgeld in Umlauf zu setzen, aber ihm fiel ein, daß er hier etwas in die Hand bekam, was er Wainwright schicken konnte.

»Wart mal«, sagte er zu dem vierschrötigen Mann und ging nach oben in seine Kammer, wo er etwas mehr als vierzig Dollar beiseite gebracht hatte. Ein Teil davon war der Rest von Wainwrights fünfzig Dollar; das übrige stammte aus Trinkgeldern, die Miles in den Spielzimmern bekommen hatte. Er nahm das Geld, zum größten Teil kleine Scheine, und tauschte es unten gegen die zweihundert gefälschten ein. Später an diesem Abend versteckte er das Falschgeld in seiner Kammer.

Am nächsten Tag bemerkte Jules LaRocca grinsend: »Hab' gehört, daß du 'n kleines Geschäft gemacht hast.« Miles saß an seinem Buchhalterschreibtisch in einem der Büros des zweiten Stocks.

»'n kleines«, gab er zu.

LaRocca schob seinen Schmerbauch näher heran und senkte die Stimme. »Willste 'n bißchen was Größeres machen?«

Miles sagte mit Vorsicht: »Kommt drauf an.«

»Wie wär's mit 'ner Tour nach Louisville? 'n bißchen von dem Zeug transportieren, das du gestern abend gekauft hast.«

Miles spürte, wie sich sein Magen zusammenzog; wenn er sich darauf einließ und man ihn schnappte, würde er nicht nur wieder in den Knast zurückwandern, sondern für sehr viel längere Zeit als beim ersten Mal, wie er genau wußte. Aber andererseits, wie sollte er jemals etwas in Erfahrung bringen und das Vertrauen der anderen in diesem Haus erwerben, wenn er jedem Risiko aus dem Weg ging?

»Kinderleicht, brauchst nur 'n Auto von hier nach da steuern. Zwei Hunderter springen dabei raus.«

»Und wenn sie mich anhalten? Ich hab' Bewährung und darf »'n Führerschein is' doch kein Problem, wenn du 'n Foto hast - von vorn, Kopf und Schultern.«

»Hab' ich nicht, kann ich aber beschaffen.«

»Na, dann aber fix.«

In seiner Mittagspause ging Miles zu einer Bushaltestelle in der Stadt und holte sich ein Automatenfoto. Noch am selben Nachmittag gab er es LaRocca.

Zwei Tage später, als Miles wieder bei der Arbeit saß, legte eine Hand lautlos ein kleines rechteckiges Papier auf das Buch. Staunend sah er, daß es ein bundesstaatlicher Führerschein war, komplett mit dem Foto, das er geliefert hatte.

Als er sich umwandte, stand LaRocca grinsend hinter ihm. »Der Service is' besser als bei der Behörde, was?«

Ungläubig sagte Miles: »Willst du etwa behaupten, das hier is' 'ne Fälschung?«

»Kannste 'n Unterschied seh'n?«

»Nee, kann ich nicht.« Er kniff die Augen zusammen und betrachtete den Führerschein, der sich in nichts von einem amtlichen Papier zu unterscheiden schien. »Wo haste den denn her?«

»Kann dir Wurst sein.«

»Nee«, sagte Miles, »das würd' ich schon gern wissen. Du weißt doch, daß mich solche Sachen interessieren.«

LaRoccas Gesicht verdüsterte sich; zum ersten Mal zeigte sich Mißtrauen in seinen Augen. »Warum willste das wissen?«

»Interessiert mich. Hab' dir doch gesagt, warum.« Miles hoffte, daß man ihm seine plötzliche Nervosität nicht anmerkte.

»Es gibt Fragen, die sind verdammt unklug. Wenn einer zuviel Fragen stellt, fangen die Leute an, sich zu wundern. So was kann verdammt übel ausgehn.«

Miles hielt den Mund. LaRocca beobachtete ihn. Dann, schien es, war der Moment des Mißtrauens vorbei.

»Morgen abend geht's los«, teilte Jules LaRocca ihm mit. »Du kriegst Bescheid, was du zu tun hast und wann.«

Am frühen Abend des nächsten Tages wurden ihm seine Instruktionen überbracht - wieder von dem ewigen Boten LaRocca, der Miles ein Paar Autoschlüssel gab, einen Parkschein von einem städtischen Parkplatz und ein Flugticket. Miles sollte den Wagen - einen kastanienbraunen Chevrolet Impala - vom Parkplatz abholen und ihn noch in der Nacht nach Louisville fahren. Dort sollte er ihn auf dem Parkplatz des Flughafens Louisville abstellen. Parkschein und Autoschlüssel sollte er unter dem Fahrersitz verstecken. Alle Fingerabdrücke sollte er sorgfältig abwischen. Mit einer Morgenmaschine sollte er zurückfliegen.

Die schlimmsten Minuten für Miles kamen gleich zu Anfang, als er den Wagen gefunden hatte und ihn vom städtischen Parkplatz herunterfuhr. Nervös fragte er sich: Ließ die Polizei den Chevrolet beobachten? Vielleicht stand der, der den Wagen geparkt hatte, unter Verdacht, vielleicht war man ihm bis dorthin gefolgt. Wenn ja, dann würde sich das Netz in diesem Augenblick höchstwahrscheinlich zusammenziehen. Miles wußte, daß der Auftrag mit einem größeren Risiko verbunden sein mußte, sonst hätte man sich einen anderen als Kurier ausgesucht. Obwohl man ihm nichts dergleichen mitgeteilt hatte, nahm er an, daß sich das Falschgeld - wahrscheinlich eine ganze Menge - im Kofferraum befand.

Doch es passierte nichts. Dennoch beruhigte er sich erst, als er den Parkplatz weit hinter sich gelassen hatte und sich der Stadtgrenze näherte.

Ein- oder zweimal auf der Fernstraße, als ihm Streifenwagen der Polizei des Bundesstaates begegneten, schlug sein Herz schneller, aber niemand hielt ihn an, und er erreichte Louisville

kurz vor Morgengrauen nach einer ereignislosen Fahrt.

Nur eins geschah, was nicht im Plan vorgesehen war. Ungefähr fünfzig Kilometer vor Louisville verließ Miles die Fernstraße und öffnete den Kofferraum des Wagens. Im Licht der Taschenlampe sah er zwei schwere Koffer, beide gut verschlossen. Er erwog kurz den Gedanken, eins der Schlösser aufzusprengen, doch siegte die Vernunft - es wäre viel zu gefährlich gewesen. So schloß er den Kofferraum wieder, notierte sich nur das Kennzeichen des Impala und fuhr weiter.

Ohne Schwierigkeit fand er den Flughafen Louisville, und nachdem er den Rest seiner Anweisungen befolgt hatte, ging er an Bord eines Flugzeuges und war kurz vor zehn Uhr vormittags wieder im Club. Niemand fragte ihn, wo er gewesen sei.

Obwohl sich bei ihm der mangelnde Schlaf bemerkbar machte, gelang es Miles, seine Arbeit zu erledigen. Am Nachmittag erschien LaRocca, strahlend, im Mund eine dicke Zigarre.

»Das war 'n sauberer Job, Milesy. Alle sind zufrieden.«

»Na prima«, sagte Miles. »Wann krieg' ich die zweihundert Dollar?«

»Haste schon gekriegt. Ominsky hat sie mit deinen Schulden verrechnet.«

Miles seufzte. Darauf hätte er auch allein kommen können, dachte er, aber es war schon etwas grotesk, soviel riskiert zu haben, zum alleinigen Nutzen des Russen. »Wieso hat Ominsky das gewußt?« erkundigte er sich.

»Gibt nich' viel, was der nich' weiß.«

»Eben hast du gesagt, daß alle zufrieden sind. Wer ist das, >alle<? Bei einem Job wie dem von gestern weiß ich ganz gern, für wen ich arbeite.«

»Hab' dir ja gesagt, es ist unklug, nach gewissen Dingen zu fragen.«

»Mag sein.« Es war klar, daß er nicht mehr erfahren würde, und er zwang sich, LaRocca zuzulächeln, obwohl Miles' sonstige Fröhlichkeit an diesem Tag in Bedrückung umgeschlagen war. Die Nachtfahrt war anstrengend gewesen, und trotz der ungeheuren Risiken, die er auf sich genommen hatte, war, wie er sich eingestehen mußte, wenig Neues dabei herausgekommen.

Etwa achtundvierzig Stunden später, noch zerschlagen und mutlos, teilte er seine Befürchtungen und Bedenken Juanita mit.