Выбрать главу

Ein- oder zweimal auf der Fernstraße, als ihm Streifenwagen der Polizei des Bundesstaates begegneten, schlug sein Herz schneller, aber niemand hielt ihn an, und er erreichte Louisville

kurz vor Morgengrauen nach einer ereignislosen Fahrt.

Nur eins geschah, was nicht im Plan vorgesehen war. Ungefähr fünfzig Kilometer vor Louisville verließ Miles die Fernstraße und öffnete den Kofferraum des Wagens. Im Licht der Taschenlampe sah er zwei schwere Koffer, beide gut verschlossen. Er erwog kurz den Gedanken, eins der Schlösser aufzusprengen, doch siegte die Vernunft - es wäre viel zu gefährlich gewesen. So schloß er den Kofferraum wieder, notierte sich nur das Kennzeichen des Impala und fuhr weiter.

Ohne Schwierigkeit fand er den Flughafen Louisville, und nachdem er den Rest seiner Anweisungen befolgt hatte, ging er an Bord eines Flugzeuges und war kurz vor zehn Uhr vormittags wieder im Club. Niemand fragte ihn, wo er gewesen sei.

Obwohl sich bei ihm der mangelnde Schlaf bemerkbar machte, gelang es Miles, seine Arbeit zu erledigen. Am Nachmittag erschien LaRocca, strahlend, im Mund eine dicke Zigarre.

»Das war 'n sauberer Job, Milesy. Alle sind zufrieden.«

»Na prima«, sagte Miles. »Wann krieg' ich die zweihundert Dollar?«

»Haste schon gekriegt. Ominsky hat sie mit deinen Schulden verrechnet.«

Miles seufzte. Darauf hätte er auch allein kommen können, dachte er, aber es war schon etwas grotesk, soviel riskiert zu haben, zum alleinigen Nutzen des Russen. »Wieso hat Ominsky das gewußt?« erkundigte er sich.

»Gibt nich' viel, was der nich' weiß.«

»Eben hast du gesagt, daß alle zufrieden sind. Wer ist das, >alle<? Bei einem Job wie dem von gestern weiß ich ganz gern, für wen ich arbeite.«

»Hab' dir ja gesagt, es ist unklug, nach gewissen Dingen zu fragen.«

»Mag sein.« Es war klar, daß er nicht mehr erfahren würde, und er zwang sich, LaRocca zuzulächeln, obwohl Miles' sonstige Fröhlichkeit an diesem Tag in Bedrückung umgeschlagen war. Die Nachtfahrt war anstrengend gewesen, und trotz der ungeheuren Risiken, die er auf sich genommen hatte, war, wie er sich eingestehen mußte, wenig Neues dabei herausgekommen.

Etwa achtundvierzig Stunden später, noch zerschlagen und mutlos, teilte er seine Befürchtungen und Bedenken Juanita mit.

8

Schon zweimal hatten Eastin und Juanita sich in dem Monat, in dem er jetzt im Fitness-Club Doppelte Sieben arbeitete, getroffen.

Das erste Mal - wenige Tage nach Juanitas abendlicher Fahrt mit Nolan Wainwright und ihrer Zusage, als Zwischenträger zu fungieren - waren beide verlegen und unsicher gewesen. In Juanitas Wohnung war zwar prompt ein Telefon angeschlossen worden, wie Wainwright versprochen hatte, aber Miles hatte nichts davon gewußt und war unangemeldet gekommen, spät abends, nachdem er mit dem Bus hinausgefahren war. Nach einer vorsichtigen Inspektion durch die einen Spaltbreit geöffnete Wohnungstür hatte Juanita die Sicherheitskette abgenommen und ihn eingelassen.

»Hallo«, sagte Estela. Das kleine dunkelhaarige Kind - eine Miniaturausgabe der Mutter - sah von einem Malbuch auf und musterte Miles mit großen feuchten Augen. »Du bist der dünne Mann, der schon mal hier war. Du bist jetzt dicker.«

»Ich weiß«, sagte Miles. »Ich habe Zauberfutter für Riesen gegessen.«

Estela kicherte, aber Jaanita runzelte die Stirn. Er glaubte, sich entschuldigen zu müssen: »Ich hatte keine Möglichkeit, mich anzumelden. Aber Mr. Wainwright sagte, daß Sie mich erwarten.«

»Der Heuchler!«

»Mögen Sie ihn nicht?«

»Ich kann ihn nicht ausstehen.«

»Den Weihnachtsmann stell' ich mir auch anders vor«, sagte Miles. »Aber daß ich ihn nicht ausstehen könnte, wäre zuviel gesagt. Er tut wohl auch nur seine Arbeit.«

»Dann soll er es doch machen. Nicht andere ausnutzen.«

»Wenn Ihnen das so nahegeht, warum haben Sie dann zugestimmt... ?«

Juanita fauchte ihn an: »Glauben Sie, das habe ich mich nicht auch gefragt? Maldito sea el dia que lo conoci. Ich muß verrückt gewesen sein, ihm diese Zusage zu geben, und ich hab' es auch schon oft bereut.«

»Kein Grund zu bereuen. Wer sagt denn, daß Sie es nicht rückgängig machen können?« Miles sprach mit sanfter Stimme. »Ich werde es Wainwright schon erklären.« Er ging einen Schritt zur Tür hin.

Juanita sah ihn mit blitzenden Augen an. »Und Sie? An wen wollen Sie Ihre Mitteilungen weitergeben?« Außer sich vor Ärger schüttelte sie den Kopf. »Sie müssen den Verstand verloren haben, sich auf so eine Dummheit einzulassen.«

»Nein«, sagte Miles. »Für mich war das eine Chance; vielleicht die einzige Chance, aber es gibt keinen Grund, Sie da hineinzuziehen. Als ich das vorschlug, hatte ich es nicht richtig überlegt. Es tut mir leid.«

»Mammi«, sagte Estela, »warum bist du so böse?«

Juanita griff nach ihrer Tochter und schloß sie in die Arme. »No te preocupes, mi cielo. Ich bin böse auf das Leben, mein Kleines. Auf Leute, die andern etwas antun.« Unvermittelt sagte sie zu Miles: »Setzen Sie sich schon.«

»Meinen Sie das wirklich?«

»Ob Sie sich setzen sollen? Ich weiß nicht, ob ich das wirklich meine. Nicht mal das weiß ich. Aber setzen Sie sich!«

Er gehorchte.

»Sie haben Temperament, Juanita, das gefällt mir.« Miles lächelte, und einen Augenblick lang, dachte sie, sah er so aus, wie er früher in der Bank ausgesehen hatte. Er fuhr fort: »Aber das ist nicht das einzige, was mir an Ihnen gefällt. Ehrlich gesagt, ich hab's gemacht, um Sie wiederzusehen.«

»Na, das haben Sie ja nun.« Juanita zuckte die Achseln. »Und das wird wohl noch häufiger geschehen. Also her mit Ihrem Geheimagenten-Bericht, und ich werd' ihn Mr. Wainwright weitergeben, der wie eine Spinne im Netz hockt und auf Beute lauert.«

»Mein Bericht ist, daß es nichts zu berichten gibt. Jedenfalls noch nicht.« Miles erzählte ihr vom Fitness-Club Doppelte Sieben, wie er aussah und roch, und er sah, wie sie angewidert die Nase rümpfte. Er beschrieb ihr auch seine Begegnung mit Jules LaRocca, dann das Treffen mit dem Kredithai, dem Russen Ominsky, und seiner eigenen neuen Aufgabe als Buchhalter des Fitness-Clubs. Zu dem Zeitpunkt ihrer Begegnung hatte Miles erst ein paar Tage in der Doppelten Sieben gearbeitet, und das war alles, was er wußte. »Aber ich bin drin«, versicherte er Juanita. »Und das wollte Mr. Wainwright.«

»Reinkommen ist manchmal leichter als wieder rauskommen«, sagte sie. »Denken Sie an einen Hummerkorb.«

Estela hatte mit ernster Miene zugehört. Jetzt fragte sie Miles: »Kommst du wieder?«

»Ich weiß nicht.« Er sah Juanita fragend an, die sie beide musterte und dann seufzte.

»Ja, amorcito, ja, er kommt wieder.«

Juanita ging in das Schlafzimmer, dann kam sie mit den beiden Umschlägen zurück, die Nolan Wainwright ihr anvertraut hatte. Sie gab sie Miles. »Die sind für Sie.«

Der größere Umschlag enthielt Geld, der    andere    die Keycharge-Kreditkarte auf den erfundenen Namen H. E. LYNCOLP. Sie erklärte ihm den Zweck der Karte - ein Signal, um Hilfe zu rufen.

Miles steckte die Kreditkarte aus Plastik ein, schob aber das Geld wieder in den ersten Umschlag und gab ihn Juanita zurück. »Behalten Sie das. Wenn ich damit erwischt werde, könnte jemand Verdacht schöpfen. Kaufen Sie sich was dafür, für sich und Estela. Das schulde ich Ihnen.«

Juanita zögerte. Dann sagte sie mit sanfterer Stimme als bisher: »Ich werde es für Sie aufheben.«

Am nächsten Tag, in der First Mercantile American Bank, hatte Juanita Wainwright über Haustelefon angerufen und seine Nachricht weitergegeben. Sie achtete darauf, weder sich selbst noch Miles, noch den Fitness-Club Doppelte Sieben mit Namen zu nennen. Wainwright hörte sich an, was sie zu sagen hatte, bedankte sich, und das war alles.