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»Wie es jetzt scheint, sind die letzten paar Dividenden von geborgtem Geld bezahlt worden. Der Rest ist frisierte Bilanz. Wir wissen ja alle, wie so etwas gemacht wird. Es gibt viele große und berühmte Firmen, die nach solchen Methoden arbeiten.«

Der Bankpräsident wog das eben Gehörte ab und erklärte dann düster: »Es gab mal eine Zeit, da die Unterschrift eines Wirtschaftsprüfers auf der Jahresbilanz absolute Integrität bedeutete. Das ist wohl vorbei.«

»Hier« - Alex berührte den Bericht, der auf dem Schreibtisch zwischen ihnen lag - »haben Sie Beispiele für das, wovon wir reden. Am schlimmsten treibt es Horizon Land Development. Das ist eine SuNatCo-Tochter.«

»Ich weiß, ich weiß.«

»Dann wissen Sie vielleicht auch, daß Horizon weiten Grundbesitz in Texas, Arizona, Kanada hat. Das meiste ist entlegen, vielleicht wird bis zur Erschließung noch ein Menschenalter vergehen. Was aber macht Horizon? Die verkaufen an Spekulanten, akzeptieren kleine Anzahlungen mit allen möglichen Vorbehaltsklauseln und verschieben die volle Bezahlung auf ferne Zukunft. Bei zwei Geschäften wird die letzte Zahlung des Gesamtpreises von achtzig Millionen Dollar in vierzig Jahren fällig - wir sind dann schon ein gutes Stück im einundzwanzigsten Jahrhundert. Vielleicht kommt es nie zu diesen Zahlungen. In den Bilanzen von Horizon und Supranational werden diese achtzig Millionen aber als laufende Einnahmen ausgewiesen. Das sind nur zwei dieser Geschäfte. Davon gibt's mehr, nur kleinere, aber genauso chinesisch in der Buchführung. Und was in einer SuNatCo-Tochter passiert, ist von anderen nachgemacht worden.«

Alex machte eine Pause, dann fügte er hinzu: »Das hat natürlich alles zusammen dazu geführt, daß auf dem Papier ein großartiges Bild entsteht, so daß der Börsenkurs der Supranational-Aktien - völlig wirklichkeitsfremd - in die Höhe geschossen ist.«

»Irgend jemand hat da ein Vermögen gemacht«, sagte Patterton mit saurer Miene. »Leider aber nicht wir. Haben wir eine Vorstellung von der Höhe der Summen, die SuNatCo aufgenommen hat?«

»Ja. Jax scheint es gelungen zu sein, einen Blick auf etliche Steuerpapiere zu werfen, aus denen Zinsabschreibungen hervorgehen. Er schätzt die kurzfristige Verschuldung, Tochtergesellschaften inbegriffen, auf eine Milliarde Dollar. Davon sind allem Anschein nach fünfhundert Millionen Dollar Bankkredite. Der Rest sind im wesentlichen Schuldscheine mit 90 Tagen Laufzeit, finanziert nach dem Roll-over-Prinzip.«

Die verzinslichen Schuldscheine waren, wie beide Männer wußten, nur durch den guten Ruf des Borgenden gedeckt. Das Roll-over bedeutete, daß man neue Schuldscheine ausstellt, um ältere - zuzüglich der fällig gewordenen Zinsen - einlösen zu können.

»Ihr Kreditlimit ist fast erreicht«, sagte Alex. »Jedenfalls ist Jax dieser Meinung. Ich selbst habe Bestätigung dafür gefunden, daß die Käufer von kurzfristigen Schuldscheinen anfangen, vorsichtig und mißtrauisch zu werden.«

Patterton sagte nachdenklich: »Auf die Weise ist Penn Central zusammengebrochen. Alle Welt glaubte, daß die Eisenbahn Spitzenwerte ausgab - die sichersten Papiere, die man überhaupt kaufen und besitzen konnte, vergleichbar mit IBM und General Motors. Plötzlich, eines schönen Tages, war Penn Central in der Hand des Konkursverwalters, aus, erledigt.«

»Und dem kann man seither noch ein paar weitere berühmte Namen hinzufügen«, warf Alex ein.

Beide hatten denselben Gedanken: Würde nach Supranational auch die First Mercantile American Bank auf dieser Liste stehen?

Pattertons robustes, sonst immer leicht gerötetes Gesicht war bleich. Fast beschwörend fragte er Alex: »Wo stehen wir jetzt?« Jede Führerpose war dahin. Der Bankpräsident suchte Rat und Hilfe bei dem jüngeren Mann.

»Sehr viel hängt davon ab, wie lange sich Supranational noch über Wasser hält. Behaupten sie sich noch einige Monate lang, könnte es sein, daß wir mit unseren heutigen Verkäufen ihrer Aktien durchkommen, und vielleicht wird dann auch der Verstoß gegen das Reserve-Bank-Gesetz bei der Kreditvergabe nicht allzu genau untersucht. Kommt der Zusammenbruch schnell, sind wir ernstlich in Schwierigkeiten - bei der Börsenaufsicht, weil wir nicht bekanntgeben, was wir wissen, bei der Bankenaufsichtsbehörde wegen Treuhandmißbrauchs und wegen des Kredits bei der Bundes-Reserve-Bank. Außerdem blüht uns, daran brauche ich Sie wohl nicht zu erinnern, der direkte Verlust von fünfzig Millionen Dollar, und Sie wissen selbst, was das für die Gewinnrechnung dieses Jahres bedeutet; die Aktionäre werden wutentbrannt irgend jemandes Kopf fordern. Und außerdem kann es zu Prozessen gegen einzelne Direktoren kommen.«

»Mein Gott!« murmelte Patterton. »Ach du lieber Gott!« Er zog ein Taschentuch hervor und wischte sich das Gesicht und die eiförmige Kuppel seines Schädels.

Unbarmherzig fuhr Alex fort: »Noch etwas dürfen wir nicht vergessen - das öffentliche Aufsehen. Geht Supranational unter, dann wird es alle möglichen Untersuchungen geben. Aber schon vorher wird die Presse Wind von der Sache bekommen und ihre eigenen Recherchen anstellen. Einige Wirtschaftsjournalisten sind sehr gut darin. Wenn erst einmal Fragen gestellt werden, dann wird unsere Bank kaum der Aufmerksamkeit entgehen, das Ausmaß unserer Verluste wird bekannt und veröffentlicht. Nachrichten von der Sorte sind geeignet, Bankkunden zu beunruhigen. Es könnte dazu kommen, daß erhebliche Beträge abgehoben werden.«

»Sie meinen einen Run auf die Schalter? Das ist undenkbar! «

»Nein, keineswegs. Woanders ist das auch passiert. Denken Sie an Franklin in New York. Wenn Sie Geld auf der Bank haben, dann interessiert Sie nur eins, nämlich ob Ihr Geld sicher ist. Wenn Sie daran zweifeln, dann heben Sie es ab - und zwar schnell.«

Patterton trank noch einen Schluck Wasser, dann ließ er sich in einen Sessel fallen. Er sah womöglich noch bleicher aus als bisher.

»Ich schlage vor«, sagte Alex, »daß Sie sofort den finanzpolitischen Ausschuß einberufen und daß wir uns in den nächsten Tagen darauf konzentrieren, ein Höchstmaß an Liquidität sicherzustellen. Dann sind wir vorbereitet, wenn es plötzlich zu Barabhebungen kommt.«

Patterton nickte. »Gut.«

»Davon abgesehen, können wir nicht viel mehr tun als beten.« Zum ersten Mal, seit er hereingekommen war, lächelte Alex. »Darauf sollten wir vielleicht Roscoe ansetzen.«

»Roscoe!« sagte Patterton, als sei ihm plötzlich alles wieder eingefallen. »Er hat die Supranational-Zahlen geprüft, den Kredit empfohlen, uns versichert, daß alles ganz großartig sei.«

»Roscoe stand nicht allein«, erinnerte Alex ihn. »Sie und das Direktorium haben ihn unterstützt. Und viele andere haben die Zahlen geprüft und sind zu dem gleichen Schluß gelangt.«

»Sie nicht.«

»Ich hatte ein ungutes Gefühl - allgemeines Mißtrauen. Aber ich hatte keine Ahnung davon, daß SuNatCo derartig in der Tinte sitzt.«

Patterton nahm wieder das Telefon, das er vorhin benutzt hatte. »Bitten Sie Mr. Heyward herzukommen.« Eine Pause, dann sagte Patterton bissig: »Es ist mir egal, und wenn der liebe Gott bei ihm ist. Ich brauche ihn jetzt.« Er knallte den Hörer auf die Gabel und wischte sich wieder das Gesicht.

Die Bürotür wurde leise geöffnet, und Heyward kam herein.

Er sagte: »Guten Morgen, Jerome«, Alex nickte er nur kühl zu.

Patterton sagte grollend: »Machen Sie die Tür zu.«

Heyward machte ein überraschtes Gesicht und tat es. »Man hat mir gesagt, es sei dringend. Wenn es nicht so dringend ist, dann würde ich... «

»Sagen Sie ihm, was mit Supranational los ist, Alex«, forderte Patterton.

Heywards Gesicht erstarrte.

Ruhig und sachlich wiederholte Alex die Substanz des Jax-Berichts. Sein Zorn der letzten Nacht und dieses Morgens -Zorn über die kurzsichtige Torheit und die Gier, die die Bank an den Rand des Ruins gebracht hatten - war jetzt verflogen. Er empfand nur noch Trauer darüber, daß so vieles verlorengehen, soviel Anstrengung vergeblich gewesen sein sollte. Mit Bedauern dachte er daran, wie andere, lohnende Projekte zurückgeschraubt worden waren, um Geld für den Supranational-Kredit freizumachen. Wenigstens, dachte er, war Ben Rosselli dieser Augenblick erspart geblieben.