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Als Miles das Büro des Managers betrat, waren außer ihm noch zwei Personen anwesend. Der eine war der Wucherer, der Russe Ominsky. Der andere war ein untersetzter Mann mit groben Gesichtszügen, den Miles schon mehrfach im Club gesehen hatte; hin und wieder hatte er seinen Namen gehört: Tony Bär Marino. Der Name »Bär« schien angemessen. Marino war von schwerer, mächtiger Gestalt, mit lockeren Bewegungen und einer unterschwelligen Wildheit in seinem Wesen. Daß Tony Bär Autorität besaß, war offensichtlich, schon aus der Unterwürfigkeit, mit der ihn alle behandelten. Traf er vor der Doppelten Sieben ein, dann stets in einer Cadillac-Limousine mit Chauffeur und einem Begleiter - beide offensichtlich Leibwächter.

Nathanson wirkte nervös, als er das Wort ergriff. »Miles, ich habe Mr. Marino und Mr. Ominsky berichtet, wie nützlich Sie sich hier gemacht haben. Sie möchten, daß Sie für...«

Ominsky befahl dem Manager kurz angebunden: »Warten Sie draußen.«

»Ja, Sir.« Nathanson verschwand eilig.

»Da sitzt ein alter Knacker draußen in einem Auto«, wandte sich Ominsky an Miles. »Lassen Sie sich von Mr. Marinos Leuten helfen. Tragen Sie ihn herein, aber sorgen Sie dafür, daß niemand ihn sieht. Bringen Sie ihn hinauf in eins der Zimmer in der Nähe von Ihrem. Sorgen Sie dafür, daß er da bleibt. Lassen Sie ihn nicht länger allein, als Sie unbedingt müssen, und schließen Sie ihn ein, wenn Sie weggehen. Sie sind mir dafür verantwortlich, daß er dieses Haus nicht verläßt.«

Voller Unbehagen fragte Miles: »Soll ich ihn mit Gewalt hier festhalten?«

»Sie werden keine Gewalt anwenden müssen.«

»Der Alte weiß, wie es steht. Er wird keine Schwierigkeiten machen«, sagte Tony Bär. Es war überraschend, daß jemand von seiner Körpermasse eine Falsettstimme hatte. »Wohlgemerkt, er ist wichtig für uns, behandeln Sie ihn also anständig. Aber geben Sie ihm keinen Schnaps. Er wird welchen verlangen. Geben Sie ihm keinen Tropfen. Kapiert?«

»Ich denke, doch«, sagte Miles. »Heißt das, was Sie sagen, daß er jetzt bewußtlos ist?«

»Er ist stockbesoffen«, erwiderte Ominsky. »Er säuft seit einer Woche. Ihr Job ist es, für ihn zu sorgen und ihn trockenzulegen. Solange er hier ist - drei, vier Tage -, kann Ihre andere Arbeit warten.« Er fügte hinzu: »Machen Sie's gut, kriegen Sie wieder einen Pluspunkt.«

»Ich werde mein Bestes tun«, versprach Miles. »Hat der alte Mann einen Namen? Irgendwie muß ich ihn ja anreden.«

Die beiden anderen tauschten Blicke aus. Ominsky sagte: »Danny. Mehr brauchen Sie nicht zu wissen.«

Draußen vor der Doppelten Sieben spuckte Tony Bär Marinos

Leibwächter-Chauffeur angewidert auf den Fußweg: »Mein Gott! Der alte Furz stinkt wie ein Scheißhaus.«

Er, der zweite Leibwächter und Miles Eastin betrachteten die reglose Gestalt auf dem Rücksitz einer Dodge-Limousine, die am Bordstein geparkt war. Die rechte hintere Tür des Wagens stand offen.

»Ich werd' versuchen, ihn sauberzumachen«, sagte Miles. Auch sein Gesicht verzog sich, als ihm der Gestank von Erbrochenem in die Nase stieg. »Aber erstmal müssen wir ihn reinschaffen.«

Der zweite Leibwächter trieb zur Eile: »Verdammt noch mal! Dann mal los, damit wir's hinter uns haben.«

Zusammen griffen sie hinein und packten den Mann. In der schlecht beleuchteten Straße war von ihrer Last nicht mehr zu erkennen als wirres graues Haar, teigig hohle Wangen mit Bartstoppeln, geschlossene Augen und ein schlaffer, offener Mund, der zahnlose Kiefer zeigte. Die Kleider des Bewußtlosen waren beschmutzt und zerrissen.

»Ob der wohl abgekratzt ist?« überlegte der zweite Leibwächter laut, als sie die Gestalt aus dem Wagen hoben.

Genau in dem Augenblick, ausgelöst wahrscheinlich durch die Bewegung, schoß ein Strom gelber Flüssigkeit aus dem offenen Mund und ergoß sich über Miles.

Der Chauffeur und Leibwächter, der nichts abbekommen hatte, lachte glucksend. »Der is' nicht hin. Noch nicht.« Dann, als es Miles vor Übelkeit in der Kehle würgte: »Besser, es trifft dich als mich, Junge.«

Sie trugen die reglose Gestalt in den Club hinein und über eine Hintertreppe in den dritten Stock hinauf. Miles hatte einen Zimmerschlüssel mitgebracht und schloß eine Tür auf. Sie führte in eine Zelle, die seiner Kammer glich; die einzige Möblierung bestand aus einem schmalen Bett, einer Kommode, zwei Stühlen, einem Waschbecken und ein paar Regalen. Die Holzverschalung der Zelle endete einen Fuß unter der Decke und ließ einen Spalt frei. Miles warf einen Blick hinein, dann sagte er zu den beiden anderen: »Moment mal.« Während sie warteten, rannte er nach unten und holte ein Gummilaken aus der Sporthalle. Zurückgekehrt, breitete er es über das Bett. Sie luden den alten Mann darauf ab.

»Da, der gehört dir nun allein, Milesy«, sagte der Chauffeur. »Los, raus hier, bevor ich auch noch kotzen muß.«

Miles bezwang seinen Widerwillen und entkleidete den alten Mann, dann, während er noch in tiefem, bewußtlosem Schlaf auf dem Gummilaken lag, wusch Miles ihn mit einem Schwamm. Als das getan war, entfernte er mit einigem Heben und Zerren das Gummilaken und packte die jetzt saubere, weniger übelriechende Gestalt ins Bett. Während der Prozedur stöhnte der alte Mann, und einmal rebellierte sein Magen, aber dieses Mal rann ihm nur ein Speichelfaden aus dem Mund, den Miles wegwischte. Als Miles ihn mit Laken und Decke zugedeckt hatte, schien der alte Mann zur Ruhe zu kommen.

Als er ihn auszog, hatte Miles die Kleider auf den Boden der Kammer fallen lassen. Nun raffte er sie zusammen und begann, sie in zwei Plastiktüten zu stopfen, um sie am nächsten Tag in die Reinigung und in die Wäsche zu geben. Dabei leerte er alle Taschen. Eine Manteltasche enthielt ein künstliches Gebiß. In anderen Taschen fand er verschiedene Gegenstände - einen Kamm, eine Brille mit dicken Gläsern, ein Etui mit goldenem Füller und Drehbleistift, mehrere Schlüssel an einem Ring und -sie steckten in einer Innentasche - drei Keycharge-Kreditkarten und eine dick mit Geld vollgestopfte Brieftasche.

Miles nahm die Zähne, spülte sie ab und tat sie in ein Glas Wasser, das er neben das Bett stellte. Daneben legte er die Brille. Dann untersuchte er die Bankkredit-Karten und die Brieftasche.

Die Kreditkarten waren auf die Namen Fred W. Riordan, R. K. Bennett und Alfred Shaw ausgestellt. Jede Karte trug auf der Rückseite eine Unterschrift, aber trotz der unterschiedlichen Namen war es in jedem Falle dieselbe Handschrift. Miles drehte die Karten wieder um und sah sich die Gültigkeitsdaten an, aus denen hervorging, daß alle drei Karten nicht abgelaufen waren. Soweit er es beurteilen konnte, waren sie echt.

Er wandte seine Aufmerksamkeit der Brieftasche zu. In einem Klarsichtfach steckte ein Führerschein, ausgestellt von der Verkehrsbehörde des Bundesstaates. Der Kunststoff des Brieftaschenfachs war vergilbt und kaum noch durchsichtig, deshalb nahm Miles den Führerschein heraus, entdeckte darunter einen zweiten und unter dem einen dritten. Die Namen auf den Führerscheinen waren dieselben wie auf den Kreditkarten, aber die Paßfotos auf allen drei Führerscheinen, die Kopf und Schultern zeigten, waren alle von derselben Person. Er sah genauer hin. Die Bilder waren zu verschiedenen Zeiten aufgenommen, aber sie zeigten zweifellos alle den alten Mann, der jetzt auf dem Bett lag.

Miles nahm das Geld aus der Brieftasche, um es zu zählen. Er hatte vor, Nate Nathanson zu bitten, die Kreditkarten und die Brieftasche in den Tresor des Clubs zu legen, aber vorher wollte er wissen, wieviel er ihm übergab. Die Summe war unerwartet groß - fünfhundertzwölf Dollar, davon etwa die Hälfte in neuen Zwanzig-Dollar-Noten. Die Zwanziger ließen ihn stutzen. Miles sah sich mehrere davon genau an und fühlte die Textur des Papiers mit den Fingerspitzen. Dann warf er dem alten Mann auf dem Bett einen Blick zu, aber er schlief anscheinend tief. Leise verließ Miles den Raum und ging über den Korridor des dritten Stocks zu seiner eigenen Kammer. Augenblicke später kehrte er mit einer Leuchtlupe zurück und betrachtete noch einmal die Zwanzig-Dollar-Scheine. Seine Ahnung war richtig. Es handelte sich um Fälschungen, und zwar von der gleichen hohen Qualität wie die anderen, die er vor einer Woche hier in der Doppelten Sieben gekauft hatte.