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Er überlegte. Das Geld, oder richtiger, die Hälfte des Geldes war gefälscht. Das galt offensichtlich auch für die drei Führerscheine; wahrscheinlich stammten sie aus derselben Quelle wie Miles' eigener gefälschter Führerschein, den ihm Jules LaRocca vorige Woche gegeben hatte. War es dann nicht auch zu vermuten, daß die Kreditkarten ebenfalls gefälscht waren? Vielleicht war er jetzt doch dem Ursprung der falschen Keycharge-Karten nahe, den Nolan Wainwright so dringend suchte. Miles' Aufregung wuchs, gleichzeitig mit seiner Nervosität, die sein Herz hämmern ließ.

Er mußte sich die neu erlangten Informationen notieren. Auf ein Papierhandtuch schrieb er die Einzelangaben von den Kreditkarten und Führerscheinen ab, gelegentlich sich durch einen Blick vergewissernd, daß die Gestalt auf dem Bett sich nicht rührte.

Wenig später knipste Miles das Licht aus, verschloß die Tür von außen und nahm Brieftasche und Kreditkarten mit nach unten.

Er schlief unruhig in dieser Nacht, bei nur angelehnter Tür, sich seiner Verantwortung für den Bewohner der Zelle jenseits des Korridors bewußt. Miles verbrachte auch einige Zeit damit, Vermutungen über Rolle und Identität des alten Mannes anzustellen, den er in Gedanken Danny zu nennen begann. In welcher Beziehung stand Danny zu Ominsky und Tony Bär Marino? Warum hatten sie ihn hierher geschafft? Tony Bär hatte erklärt: Er ist wichtig für uns. Warum?

Miles wachte auf, als es hell wurde, und warf einen Blick auf die Uhr: 6.45 Uhr. Er stand auf, wusch sich rasch, rasierte sich, zog sich an. Kein Laut kam von jenseits des Korridors. Er ging hinüber, steckte leise den Schlüssel ins Schloß und warf einen Blick hinein. Danny hatte sich im Schlaf herumgedreht, aber er schlief noch, sanft schnarchend. Miles raffte die Plastiktüten mit Kleidung zusammen, schloß wieder ab und ging nach unten.

Zwanzig Minuten später war er wieder da mit einem Frühstückstablett - starker Kaffee, Toast und Rühreier.

»Danny!« Miles packte den alten Mann an der Schulter und schüttelte ihn. »Danny, wach auf!«

Keine Reaktion. Miles versuchte es noch einmal. Endlich öffneten sich mißtrauisch zwei Augen, inspizierten ihn, schlossen sich dann wieder fest. »Geh weg«, murmelte der alte Mann. »Geh weg. Bin noch nicht reif für die Hölle.«

»Ich bin nicht der Teufel«, sagte Miles. »Ich bin dein Freund. Tony Bär und Russe Ominsky haben gesagt, ich soll für dich sorgen.«

Wäßrige Augen öffneten sich wieder. »Die Ausgeburten von Sodom haben mich gefunden, was? Mußte ja so kommen. Finden einen immer.« Das Gesicht des alten Mannes verzog sich vor Schmerzen. »Jesses! Mein armer Schädel!«

»Ich hab' Kaffee gebracht. Laß mal sehen, ob der hilft.« Miles legte einen Arm um Dannys Schultern, half ihm, sich aufzurichten, trug dann den Kaffee zu ihm. Der alte Mann nahm einen kleinen Schluck und zog eine Grimasse.

Plötzlich schien er hellwach zu sein. »Hör mal, mein Sohn. Was mich aufmöbelt, weiß ich. Ein Schluck von dem, was mich umgehauen hat. Jetzt nimmst du 'n bißchen Geld...« Er sah sich suchend um.

»Dein Geld ist sicher«, sagte Miles. »Es liegt im Club-Safe. Ich hab's gestern abend unten abgegeben.«

»Das hier die Doppelte Sieben?«

»Ja.«

»Haben mich schon mal hergeschafft. Na, da weißt du ja, daß ich zahlen kann, mein Sohn, also spring mal schnell an die Bar... «

Miles sagte mit fester Stimme: »Nix spring mal. Weder für dich noch für mich.«

»Es wird dein Schaden nicht sein.« Die alten Augen blitzten schlau. »Sagen wir, vierzig Dollar für die Flasche. Na, was meinste?«

»Tut mir leid, Danny. Ich habe meine Vorschriften.« Miles wog ab, was er jetzt sagen sollte, dann tat er den Sprung ins kalte Wasser. »Außerdem - wenn ich mit den Zwanzigern von dir zahle, könnten sie mich verhaften.«

Es war, als hätte er eine Pistole abgedrückt: Danny schoß kerzengerade in die Höhe, sein Gesicht drückte höchste Unruhe und Mißtrauen aus. »Wer hat dir erlaubt, das...« Er hielt inne, stöhnte auf, verzog das Gesicht und preßte eine Hand an den schmerzenden Schädel.

»Irgend jemand mußte ja das Geld zählen. Also hab' ich's getan.«

Mit schwacher Stimme sagte der alte Mann: »Das sind gute Zwanziger.«

»Na klar«, stimmte Miles ihm zu. »So ziemlich die besten, die ich je gesehen habe. Fast so gut wie die von der staatlichen Münzdruckerei.«

Danny schlug die Augen zu ihm auf. Erwachendes Interesse mischte sich mit Argwohn. »Woher verstehste denn was davon?«

»Bevor ich in den Knast kam, hab' ich für eine Bank gearbeitet.«

Schweigen. Dann fragte der alte Mann: »Warum warste denn im Knast?«

»Unterschlagung. Vorzeitig entlassen, zur Bewährung.«

Danny entspannte sich sichtlich. »Na, da biste wohl in Ordnung. Sonst würdste ja auch nicht für Tony Bär und den Russen arbeiten.«

»Stimmt«, sagte Miles. »Ich bin in Ordnung. Jetzt müssen wir nur noch dich in Ordnung bringen. Nun gehen wir erst mal ins Dampfbad.«

»Ich brauch' keinen Dampf. Ich brauch' 'n Schnaps. Nur einen einzigen, mein Sohn«, flehte Danny. »Ich schwöre, das ist alles. Du wirst doch 'nem alten Mann den kleinen Gefallen nich' ausschlagen.«

»Wir schwitzen was von dem aus, was du schon getrunken hast. Dann kannst du dir die Finger ablecken.«

Der alte Mann stöhnte. »Herzlos! Herzlos!«

Es war beinahe so, als habe er ein Kind zu versorgen. Den nur halb ernstgemeinten Protest ignorierend, wickelte Miles den alten Mann in einen Bademantel und führte ihn die Treppen hinab, dann begleitete er ihn durch eine Reihe von Dampfräumen, rieb ihn mit Handtüchern ab und half ihm schließlich auf einen Massagetisch, wo Miles selbst ihn tüchtig und ziemlich geschickt bearbeitete und abrieb. So früh am Tage waren Sporthalle und Dampfräume wie ausgestorben, und von den Club-Angestellten waren erst wenige da. Kein anderer Mensch war zu sehen, als Miles den alten Mann wieder die Treppen hinauf begleitete.

Miles bezog das Bett mit frischen Laken, und Danny, inzwischen beruhigt und gehorsam, kletterte hinein. Fast im selben Augenblick schlief er ein, wenn auch heute, im Gegensatz zu gestern abend, ruhevoll, fast engelhaft. Seltsamerweise hatte Miles, ohne ihn eigentlich zu kennen, schon eine Zuneigung zu dem alten Mann gefaßt. Während er schlief, stopfte Miles ihm behutsam ein Handtuch unter den Kopf und rasierte ihn.

Später an diesem Vormittag, während er in seiner Kammer auf der anderen Seite des Korridors in einem Buch las, nickte Miles ein.

»He, Milesy! Baby, raus mit dir, du fauler Arsch!« Die schnarrende Stimme gehörte Jules LaRocca.

Aufgeschreckt fuhr Miles hoch und sah die vertraute Schmerbauchgestalt im Türrahmen. Miles streckte die Hand aus, suchte den Schlüssel für die Zelle auf der anderen Seite des Korridors. Erleichtert fand er ihn, wo er ihn gelassen hatte.

»Hab' da 'n paar Fetzen für den alten Penner«, sagte LaRocca. Er trug einen Pappkoffer in der Hand. »Ominsky sagt, ich sollse dir geben.«

LaRocca, der allgegenwärtige Bote.

»Okay.« Miles reckte sich und ging zu einem Waschbecken, wo er sich mit beiden Händen kaltes Wasser ins Gesicht spritzte. Dann öffnete er, gefolgt von LaRocca, die Tür gegenüber. Als die beiden hereinkamen, richtete Danny sich vorsichtig auf. Er war noch immer schlapp und bleich, aber es schien ihm jetzt besserzugehen als bei seiner Ankunft. Er hatte das Gebiß im Mund und die Brille auf der Nase.