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Miles saß schweigend da und verdaute, was er gehört hatte. Am Ende sagte er: »Du hast mich was gefragt, Danny, und ich hab' geantwortet. Jetzt hätt' ich mal 'ne Frage an dich.«

»Ich sage nicht, daß ich antworte. Aber versuchen kannst du's.«

»Wer bist du, und was bist du?«

Der alte Mann grübelte nach, ein Daumen strich über sein Kinn, während er Miles abschätzend musterte. Was er dachte, spiegelte sich zum Teil auf seinem Gesicht: Ein Zwang zur Offenheit kämpfte gegen Vorsicht; Stolz mischte sich mit Verschwiegenheit. Mit einem Ruck entschloß Danny sich. »Ich bin 73 Jahre alt«, sagte er, »und ich bin Meister in meinem Handwerk. Bin mein ginzes Leben lang Drucker gewesen. Bin noch immer der beste. Das Drucken ist nicht nur ein Handwerk, es ist eine Kunst.« Er zeigte auf die Zwanzig-Dollar-Scheine, die noch immer auf dem Bett ausgebreitet waren. »Die sind mein Werk. Ich habe die Fotoplatten gemacht. Ich hab' sie gedruckt.«

»Und die Führerscheine und die Kreditkarten?« fragte Miles.

»Verglichen mit dem Drucken von Geld«, sagte Danny, »sind die Dinger leicht wie in 'ne Tonne pissen. Aber, ja - ich hab' die alle gemacht.«

13

Fiebernd vor Ungeduld wartete Miles auf eine Gelegenheit, das, was er erfahren hatte, Nolan Wainwright mitzuteilen, über Juanita. Zu seinem Ärger erwies es sich aber als unmöglich, die Doppelte Sieben zu verlassen, und das Risiko, so wichtige Dinge über das Telefon des Fitness-Clubs mitzuteilen, schien ihm viel zu groß.

Am Donnerstag morgen - dem Tag nach Dannys offenherzigen Enthüllungen - hatte sich der alte Mann anscheinend ganz von seiner alkoholischen Orgie erholt. Er genoß Miles' Gesellschaft offensichtlich, und sie spielten weiter Schach. Auch ihre Gespräche gingen weiter, allerdings war Danny mehr auf der Hut als am Tag zuvor.

Nicht klar war, ob Danny seinen Aufbruch nach Belieben beschleunigen konnte. Selbst wenn er es gekonnt hätte, so zeigte er keinerlei Neigung dazu und schien - jedenfalls vorläufig -mit seiner Internierung in der Zelle des dritten Stocks ganz zufrieden.

In ihren späteren Gesprächen, am Mittwoch und am Donnerstag, versuchte Miles, mehr über Dannys Fälschertätigkeit zu erfahren, und er schnitt andeutungsweise sogar die entscheidende Frage nach dem Sitz des Hauptquartiers an. Aber Danny vermied geschickt jede weitere Diskussion über dieses Thema, und Miles' Instinkt sagte ihm, daß der alte Mann einen Teil seiner früheren Offenheit schon bereute. Er dachte an Wainwrights Rat - nichts überstürzen, immer mit Geduld -, und er nahm sich vor, sein Glück nicht zu strapazieren.

Bei all seiner Hochstimmung bedrückte ihn ein Gedanke. Jedes bißchen von dem, was er entdeckt hatte, bedeutete garantiert die Verhaftung und Verurteilung von Danny. Miles mochte den alten Mann, und er bedauerte das, was kommen mußte. Aber, so sagte er sich, es war auch der einzige Weg, der zu seiner eigenen Rehabilitierung führte.

Ominsky, der Kredithai, und Tony Bär Marino hatten beide etwas mit Danny zu tun, aber unklar war noch immer die genaue Art ihrer Beziehungen. Um den Russen Ominsky oder Tony Bär machte Miles sich nicht die geringsten Gedanken, aber Angst packte ihn mit eisigen Fingern bei dem Gedanken daran, daß sie von seiner eigenen Spitzelrolle erfahren könnten - und irgendwann, dachte er, würden sie es wohl erfahren müssen.

Am späten Donnerstagnachmittag tauchte Jules LaRocca wieder auf. »Soll dir was von Tony sagen. Schickt morgen früh 'ne Karre für dich.«

Danny nickte, aber Miles fragte: »'ne Karre? Wo soll die ihn denn hinbringen?«

Danny und LaRocca warfen ihm beide einen scharfen Blick zu, ohne zu antworten, und Miles wünschte, er hätte diese Frage nicht gestellt.

In der Nacht beschloß Miles, ein einigermaßen akzeptables Risiko einzugehen, und rief Juanita an. Er wartete, bis er Danny kurz vor Mitternacht in seine Zelle eingeschlossen hatte, dann ging er die Treppe hinunter, um ein Münztelefon im Erdgeschoß des Clubs zu benutzen. Miles steckte zehn Cent in den Schlitz und wählte Juanitas Nummer. Nach dem ersten Läuten sagte sie mit leiser Stimme: »Hallo.«

Der Münzapparat hing an der Wand neben der Bar, und Miles flüsterte, damit niemand verstehen konnte, was er sagte: »Du weißt, wer hier spricht. Also keine Namen.«

»Ja«, sagte Juanita.

»Sag unserem gemeinsamen Freund, daß ich hier was Wichtiges entdeckt habe. Es ist wirklich wichtig. Fast alles, was er wissen wollte. Mehr kann ich nicht sagen, aber ich komme morgen abend zu dir.«

»Gut.«

Miles hängte ein. Im selben Augenblick schaltete sich ein im Keller des Clubs verborgenes Tonbandgerät, das sich beim Abheben des Hörers vom Haken automatisch eingeschaltet hatte, ebenso automatisch wieder ab.

14

Einige Zeilen aus der Schöpfungsgeschichte zuckten wie Schleichwerbung in Abständen durch Roscoe Heywards Kopf: Du sollst essen von allerlei Bäumen im Garten; aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen. Denn welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben.

In den letzten Tagen hatte Heyward über die Frage gegrübelt: War sein unerlaubtes sexuelles Verhältnis mit Avril, das in jener unvergeßlichen Mondnacht auf den Bahamas begonnen hatte, zu seinem eigenen Baum des Bösen geworden, von dem er eines Tages die bitterste aller Früchte ernten würde? Und war all das Widrige, das jetzt geschah - die plötzliche, alarmierende Schwäche von Supranational, die seine eigenen Hoffnungen in der Bank zunichte machen konnte -, vielleicht von Gott als Strafe für ihn persönlich gewollt?

Anders herum: Wenn er nun entschlossen und sofort jede Verbindung zu Avril abbrach, wenn er sie aus seinen Gedanken tilgte, würde Gott ihm dann vergeben? Würde er zum Lohn die Supranational wieder stärken und damit das Glück seines Dieners, Roscoe, wiederherstellen? Er gedachte Nehemias... aber Du, mein Gott, vergabest und warest gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Barmherzigkeit... und glaubte, daß Gott vielleicht vergeben würde.

Betrüblicherweise konnte man dessen nicht sicher sein.

Gegen eine Trennung von Avril fiel auch die Tatsache ins Gewicht, daß sie am Dienstag in der Stadt sein würde, wie sie es in der vorigen Woche besprochen hatten. Von seinen derzeitigen Sorgen fast erdrückt, sehnte Heyward sich nach ihr.

Den ganzen Montag über, und auch noch am Dienstag vormittag in seinem Büro, schwankte er; noch konnte er sie in New York anrufen und die Verabredung absagen. Aber dann hatte er den Dienstagmorgen halb verstreichen lassen, und nun war es zu spät dazu, denn er kannte die Flugpläne von New York, und erleichtert sagte er sich, daß es nichts mehr zu ändern gab.

Avril rief am späten Nachmittag an, über den Apparat direkt auf seinem Schreibtisch, dessen Nummer nicht im Buch stand. »Hallo, Rossie! Ich bin im Hotel. Suite 432. Der Champagner steht auf Eis - aber ich bin heiß für dich.«

Hätte er doch ein Zimmer vorgeschlagen, keine Suite, sagte er sich, als er an die Rechnung dachte. Aus dem gleichen Grund kam ihm Champagner unnötig und extravagant vor, und er fragte sich, ob es ungehörig wäre, wenn er ihr vorschlug, ihn zurückgehen zu lassen. Doch, ja, das wäre es wohl.

»Ich bin gleich bei dir, meine Liebe«, sagte er.

Ein wenig sparte er dann doch, indem er sich von einem chauffeurgesteuerten Wagen der Bank zum Columbia Hilton bringen ließ. »Sie brauchen nicht zu warten«, sagte Heyward zu dem Fahrer.

Als er die Suite 432 betrat, legten sich ihre Arme sofort um ihn, und hungrig gruben sich die vollen Lippen in seinen Mund. Er hielt sie ganz fest, und sein Körper reagierte sofort mit jener Erregung, die er nun schon kannte und nach der es ihn verlangte. Durch den Stoff seiner Hose konnte er Avrils lange, schlanke Schenkel und Beine fühlen, die sich bewegten und sich an ihn drängten, ihn aufreizten, sich zurückzogen, dann verheißungsvoll wieder da waren, bis sein ganzes Wesen auf ein paar Quadratzentimeter seines Körpers konzentriert schien. Dann, nach einigen Augenblicken, machte Avril sich von ihm frei, berührte seine Wange und zog sich zurück.