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Als sie einstiegen, sprintete Nolan Wainwright an ihnen vorbei zu seinem eigenen, dort geparkten Mustang. Der Sicherheitschef war über den Tylersville- Einsatz informiert worden, und weil es hier um zwanzig Millionen Dollar in bar ging, wollte er die Sicherungsmaßnahmen selbst überwachen. Nicht weit hinter ihm würde ein Kombi mit einem halben Dutzend bewaffneter Wächter folgen. Die städtische Polizei und ihre Kollegen vom Bundesstaat in Tylersville waren alarmiert.

Alex Vandervoort und Tom Straughan blieben, wo sie waren: in der FMA-Zentrale. Straughans Büro in der Nähe der Geldhandels-Zentrale war zum Befehlsstand geworden. Alex' Hauptsorge im sechsunddreißigsten Stock war es, das ganze übrige Filialsystem genau im Auge zu behalten und sofort Bescheid zu wissen, wenn neue Schwierigkeiten auftauchten.

Alex hatte Patterton auf dem laufenden gehalten, und jetzt wartete der Bankpräsident in höchster Spannung zusammen mit Alex. Beide Männer grübelten über die unausgesprochene Frage nach: Gelang die Eindämmung in Tylersville? Würde die First Mercantile American den Geschäftstag überstehen, ohne daß es an anderer Stelle zu neuen Runs auf die Schalter kam?

Fergus W. Gatwick, Leiter der Filiale Tylersville, hatte damit gerechnet, daß die paar noch verbleibenden Jahre bis zu seiner Pensionierung gemächlich und ohne Aufregung verstreichen würden. Er war in den Sechzigern, ein rundlicher Apfel von einem Mann, mit rosa Wangen, blauen Augen, grauen Haaren, ein freundlicher Rotarier. In seiner Jugend war er nicht ohne Ehrgeiz gewesen, aber den hatte er längst abgestreift, denn er war zu der klugen Einsicht gelangt, daß ihm im Leben eine Nebenrolle beschieden war; er war ein Gefolgsmann, der nie selbst neue Wege erschließen würde. Die Leitung einer kleinen Filiale entsprach seinen Fähigkeiten und Grenzen auf ideale Weise.

Er war immer glücklich gewesen in Tylersville, wo bisher nur eine Krise einen Schatten auf seine Amtsführung geworfen hatte. Vor wenigen Jahren mietete eine Frau mit einem eingebildeten Groll auf die Bank ein Stahlschließfach. In dem Fach deponierte sie einen in Zeitungspapier gewickelten Gegenstand und reiste dann, ohne eine Adresse zu hinterlassen, nach Europa ab. Nach wenigen Tagen zog ein ekelerregender Geruch durch die Bank. Anfangs hatte man Abwasserleitungen in Verdacht und inspizierte sie, ohne Erfolg, während der Gestank immer schlimmer wurde. Kunden beschwerten sich, Angestellten wurde übel. Am Ende konzentrierte sich der Verdacht auf die Stahlschließfächer, wo der fürchterliche Geruch am stärksten zu sein schien. Dann erhob sich die entscheidende Frage - welches Fach?

Fergus W. Gatwick, von der Pflicht gerufen, schnüffelte sich von Fach zu Fach vor und entschied sich schließlich für eines, in dessen unmittelbarer Nähe der üble Duft besonders stark war. Danach bedurfte es viertägiger rechtlicher Schritte, bis endlich ein gerichtlicher Befehl vorlag, der es der Bank gestattete, das Schließfach aufzubohren. Darin befanden sich die Überreste eines großen, einst frischen Seebarsches. Manchmal, auch jetzt noch in der Erinnerung, witterte Gatwick Spuren jenes ekelhaften Augenblicks.

Die Not dieses Tages aber, das wußte er, war weitaus ernster als ein Fisch in einem Schließfach. Er sah auf die Uhr. Eine Stunde und zehn Minuten waren vergangen, seit er die Hauptverwaltung angerufen hatte. Obwohl vier Kassierer stetig Geld ausgezahlt hatten, strömten immer mehr Menschen herein und drängten sich in der Bank.

»Mr. Gatwick!« Eine Kassiererin winkte ihn heran.

»Ja?« Er verließ den durch eine Schranke abgeteilten Bereich der Filialleitung, wo er normalerweise arbeitete, und ging zu ihr hinüber. Auf der anderen Seite des Schalters, am Kopf der wartenden Schlange, stand ein Geflügelfarmer, ein Stammkunde der Bank, den Gatwick gut kannte. Gutgelaunt sagte der Filialleiter: »Guten Morgen, Steve.«

Ihm antwortete ein kühles Kopfnicken, während die Kassiererin ihm wortlos zwei Schecks zeigte, gezogen auf zwei Konten. Der Geflügelmann hatte sie präsentiert. Sie beliefen sich zusammen auf eine Summe von 23000 Dollar.

»Sind gedeckt«, sagte Gatwick. Er nahm die Schecks und zeichnete sie beide ab.

Leise, aber auf der anderen Seite des Schalters noch hörbar, sagte die Kassiererin: »Wir haben nicht mehr genug Geld, um so viel auszuzahlen.«

Er hätte es natürlich wissen müssen. Seit Schaltereröffnung war unausgesetzt Bargeld abgeflossen, und viele große Summen waren abgehoben worden. Aber es war eine bedauerliche Bemerkung. Es erhoben sich jetzt zornig grollende Stimmen, und die Äußerung der Kassiererin ging von Mund zu Mund weiter. »Hören Sie sich das an! Die sagen, sie haben kein Geld.«

»Gott ist mein Zeuge!« Der Geflügelfarmer lehnte sich voller Zorn vor, und seine geballte Faust hämmerte auf den Schaltertisch. »Zahlen Sie die Schecks aus, Gatwick, oder ich komm' da rüber und schlag' die ginze gottverdammte Bank in Stücke!«

»Das ist durchaus nicht nötig, Steve. Drohungen und Gebrüll können Sie sich auch sparen.« Fergus W. Gatwick sprach jetzt auch mit lauter Stimme und versuchte, sich in der plötzlich bösartig gewordenen Szene Gehör zu verschaffen. »Meine Damen, meine Herren, wegen ungewöhnlich hoher Auszahlungen ist ein vorübergehender Mangel an Bargeld eingetreten, aber ich versichere Ihnen, daß sehr viel mehr Geld auf dem Wege hierher ist und bald eintreffen wird.«

Die letzten Worte gingen in zornigen Protesten unter. »Wie kann denn einer Bank das Geld ausgehen?«... »Sofort her mit dem Geld!«... »Sparen Sie sich den Schmus! Wo ist das Geld?«... »Wir kampieren hier, bis die Bank zahlt, was sie uns schuldet!«

Gatwick hob beide Arme. »Ich versichere Ihnen noch einmal... «

»Mich interessieren Ihre fadenscheinigen Versicherungen nicht.« Sprecherin war eine adrett gekleidete Frau, von der Gatwick wußte, daß sie noch nicht allzu lange hier wohnte. Sie sagte mit Nachdruck: »Ich will mein Geld jetzt haben.«

»Ganz richtig!« rief ein Mann, der hinter ihr stand. »Das wollen wir alle.«

Wieder andere drängten nach vorn, Stimmen wurden laut, auf den Gesichtern lagen Zorn und Angst. Irgend jemand warf eine Zigarettenschachtel, die Gatwick im Gesicht traf. Plötzlich, so wurde ihm klar, war aus einer Schar gewöhnlicher Bürger, von denen er viele gut kannte, ein feindseliger Mob geworden. Es war natürlich das Geld; Geld, das bei Menschen seltsame Dinge bewirkte, sie gierig machte, in Panik versetzte, sie manchmal zu Untermenschen werden ließ. Auch echte Furcht war da - die Möglichkeit, wie manche es sahen, alles zu verlieren, was sie besaßen, und damit ihre Sicherheit. Gewalt, vor Augenblicken noch undenkbar, hing jetzt fast greifbar in der Luft. Zum ersten Mal seit vielen Jahren empfand Gatwick körperliche Angst.

»Bitte!« rief er beschwörend. »Bitte, so hören Sie doch!« Seine Stimme ging im wachsenden Tumult unter.

Mit einem Schlag, unerwartet, verringerten sich Lärm und Geschrei. Draußen auf der Straße schien irgend etwas im Gange zu sein, und diejenigen, die ganz hinten standen, verrenkten sich die Hälse, um zu sehen, was es war. Dann flogen mit theatralischem Schwung die Außentore der Bank auf, und eine Prozession marschierte herein.

An der Spitze schritt Edwina D'Orsey. Ihr folgten Cliff Castleman und die beiden jungen Kassiererinnen, eine davon die zierliche Gestalt von Juanita Nunez. Dahinter schritt eine Phalanx von Sicherheitswächtern mit schweren Leinensäcken auf der Schulter, eskortiert von anderen, nach allen Seiten sichernden Wächtern mit gezogenem Revolver. Sechs weitere Angestellte, die von anderen Filialen eingetroffen waren, folgten den Wächtern im Gänsemarsch. Im Kielwasser dieser Schar -ein wachsamer, mißtrauischer Lordprotektor - kam Nolan Wainwright.

Edwinas klare Stimme hallte durch die überfüllte, jetzt nahezu lautlose Bank. »Guten Morgen, Mr. Gatwick. Es tut mir leid, daß wir so lange gebraucht haben, aber es herrschte dichter Verkehr. Ich habe gehört, daß Sie möglicherweise zwanzig Millionen Dollar brauchen. Etwa ein Drittel davon ist eben eingetroffen. Der Rest ist unterwegs.«