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»Meine Damen und Herren« - Alex' Stimme war stark und klar; sie verschaffte sich mühelos Gehör -, »ich habe gehört, daß einige von Ihnen sich Sorgen machen wegen des heutigen Schalterschlusses. Das ist ganz unnötig. Im Namen der Geschäftsleitung unserer Bank gebe ich Ihnen mein Wort, daß wir hier in Tylersville geöffnet bleiben, bis wir Sie alle bedient haben.« Zufriedenes Stimmengemurmel wurde laut, hier und da klatschte jemand Beifall.

»Um eines jedoch möchte ich Sie alle dringend bitten.« Wieder verstummte das Gemurmel, die allgemeine Aufmerksamkeit richtete sich erneut auf Alex. Er fuhr fort: »Ich rate Ihnen mit allem Nachdruck, übers Wochenende keine großen Summen Geldes bei sich zu tragen oder zu Hause zu behalten. Es wäre in vieler Hinsicht unsicher. Deshalb empfehle ich Ihnen dringend, eine andere Bank aufzusuchen und dort einzuzahlen, was Sie hier abgehoben haben. Um Ihnen dabei zu helfen, telefoniert meine Kollegin Mrs. D'Orsey in diesem Augenblick mit anderen Banken in der näheren Umgebung und ersucht sie, die Schalter länger als üblich geöffnet zu halten und Ihnen zur Verfügung zu stehen.«

Wieder erhob sich beifälliges Gemurmel.

Nolan Wainwright trat zu Alex, flüsterte ihm kurz etwas zu, und Alex gab bekannt: »Ich erfahre soeben, daß zwei Banken bereits unserer Bitte entsprochen haben. Mit anderen werden wir noch Kontakt aufnehmen.«

Aus der Schar, die noch auf der Straße wartete, erhob sich eine Männerstimme: »Können Sie eine gute Bank empfehlen?«

»Ja«, sagte Alex. »Ich selbst würde die First Mercantile American wählen. Die kenne ich am besten, da weiß ich, daß ich am sichersten bin, und sie hat eine lange und ehrenhafte Tradition. Ich wünschte nur, daß Sie alle auch so denken.« Zum ersten Mal schwang ein Hauch von Emotion in seiner Stimme mit. Ein paar Menschen lächelten oder lachten ein wenig unsicher, aber die meisten Gesichter, die ihn beobachteten, waren ernst.

»Ich habe auch immer so gedacht«, meldete sich eine Stimme hinter Alex. Er wandte sich um. Gesprochen hatte ein alter Mann, wohl eher achtzig als siebzig, runzlig, weißhaarig, gebeugt, auf einen Stock gestützt. Aber die Augen des alten Mannes waren klar und scharf, seine Stimme fest. Neben ihm stand eine Frau etwa gleichen Alters. Beide waren ordentlich gekleidet, wenn auch etwas altmodisch und abgetragen. Die Frau hatte ein Einkaufsnetz in der Hand, das, wie jeder sehen konnte, Bündel von Geldscheinen enthielt. Sie waren gerade vom Schalter der Bank gekommen.

»Meine Frau und ich haben schon seit mehr als dreißig Jahren ein Konto bei der FMA«, sagte der alte Mann, »'n komisches Gefühl, es jetzt da wegzunehmen.«

»Warum tun Sie's dann?«

»Kann all die Gerüchte doch nicht einfach übergehen. Zuviel Rauch, irgendwo wird schon ein Funke Wahrheit sein.«

»Ein Funke Wahrheit ist da, und wir haben es zugegeben«, sagte Alex. »Wegen eines Kredits an die Supranational Corporation wird unsere Bank wahrscheinlich einen Verlust erleiden. Aber die Bank kann ihn tragen, und sie wird ihn tragen.«

Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Wäre ich jünger, könnte ich noch arbeiten, würde ich's vielleicht riskieren und Ihnen glauben. Aber ich bin alt. Was da drin steckt« er zeigte auf das Einkaufsnetz -, »ist so ziemlich alles, was wir noch haben, bis wir sterben. Es ist auch so nicht viel. Die Dollars da reichen nicht halb so weit wie damals, als wir gearbeitet und sie verdient haben.«

»Ganz gewiß«, sagte Alex. »Die Inflation trifft gute Leute wie Sie am schwersten. Aber da hilft es Ihnen auch nichts, wenn Sie die Bank wechseln.«

»Ich will Sie mal was fragen, junger Mann. Wenn Sie an meiner Stelle wären, nehmen wir mal an, und das Geld da wäre Ihr Geld, würden Sie da nicht dasselbe tun wie ich?«

Alex spürte, daß andere sich näher heranschoben und zuhörten. Einen Kopf oder zwei entfernt sah er Margot. Und genau hinter ihr waren Lampen der Fernsehkameras eingeschaltet. Irgend jemand beugte sich mit einem Mikrofon vor.

»Ja«, gab er zu. »Ich glaub' schon.«

Der alte Mann schien überrascht. »Auf jeden Fall sind Sie ehrlich. Ich hab' eben gehört, wie Sie geraten haben, zu 'ner anderen Bank zu gehen, und das weiß ich zu schätzen. Ich denk', wir gehen und zahlen da unser Geld ein.«

»Warten Sie«, sagte Alex. »Haben Sie einen Wagen?«

»Nee. Wir wohnen gleich da hinten. Wir gehen zu Fuß.«

»Aber nicht mit dem Geld. Sie könnten überfallen werden. Ich lasse Sie zu einer anderen Bank fahren.« Alex winkte Nolan Wainwright heran und setzte ihn ins Bild. »Das hier ist unser Sicherheitschef«, sagte er zu dem alten Ehepaar.

»Ich fahre Sie selbst«, sagte Wainwright. »Macht mir nichts aus.«

Der alte Mann rührte sich nicht von der Stelle. Er sah von einem Gesicht zum anderen. »Das tun Sie für uns? Wo wir gerade unser Geld von Ihrer Bank abgehoben haben? Wenn wir Ihnen praktisch gesagt haben, daß wir Ihnen nicht mehr vertrauen?«

»Sagen wir, das gehört zu unserem Kundendienst. Außerdem«, sagte Alex, »wenn Sie dreißig Jahre bei uns waren, dann sollten wir uns als Freunde trennen.«

Noch immer hielt der alte Mann unsicher inne. »Vielleicht ist das nicht nötig. Ich möchte Ihnen noch eine Frage stellen, von Mann zu Mann.« Die klaren, scharfen, ehrlichen Augen betrachteten Alex mit festem Blick.

»Schießen Sie los.«

»Sie haben mir schon einmal die Wahrheit gesagt, junger Mann. Nun sagen Sie noch mal die Wahrheit, und denken Sie daran, was ich gesagt habe von meinem Alter und was die Ersparnisse da für uns bedeuten. Ist unser Geld in Ihrer Bank sicher? Absolut sicher?«

Man konnte die Sekunden zählen, während Alex die Frage in allen ihren Konsequenzen abwog. Er wußte, daß nicht nur das alte Ehepaar ihn gespannt ansah, sondern viele andere auch. Die allgegenwärtigen Fernsehkameras waren noch eingeschaltet. Aus den Augenwinkeln sah er Margot; auch sie war angespannt, auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck, der schwer zu deuten war. Er dachte an die Menschen, die hier waren, und an andere, anderswo, die von diesem Augenblick direkt betroffen würden; an diejenigen, die auf ihn bauten an Jerome Patterton, Tom Straughan, an das Direktorium, Edwina, andere; daran, was geschehen konnte, wenn die FMA zusammenbrach, von den weitreichenden und schädlichen Folgen, nicht nur hier in Tylersville, sondern weit darüber hinaus. Trotz alledem erhob sich Zweifel. Er zwang ihn nieder, dann antwortete er mit knapper und zuversichtlicher Stimme: »Ich gebe Ihnen mein Wort. Diese Bank ist absolut sicher.«

»Mein Gott noch mal, Freda«, sagte der alte Mann zu seiner Frau. »Sieht so aus, als ob wir uns unnötig den Kopf heiß gemacht haben. Komm, wir zahlen das verdammte Geld wieder ein.«

In allen nachträglichen Untersuchungen und Diskussionen der folgenden Wochen blieb eine Tatsache unangefochten: Der Run auf die Schalter in Tylersville war praktisch beendet, als der alte Mann und seine Frau sich umdrehten, in die FMA-Filiale zurückmarschierten und das Geld aus dem Einkaufsnetz wieder am Schalter einzahlten. Leute, die lange gewartet hatten, um ihr eigenes Geld abzuheben, und die das Gespräch zwischen dem alten Mann und dem Bankdirektor verfolgt hatten, vermieden es entweder, einander in die Augen zu sehen, oder, wenn sie das nicht taten, lächelten sie verlegen und gingen. Die Nachricht breitete sich rasch unter den Restlichen aus, die draußen und drinnen noch warteten; wie auf Kommando begannen sich die Warteschlangen aufzulösen, so schnell und so geheimnisvoll, wie sie sich gebildet hatten. Wie irgend jemand später sagte: Es war Herdeninstinkt, nur in umgekehrter Richtung. Als die wenigen, noch in der Bank verbliebenen Menschen abgefertigt waren, schloß die Filiale nur zehn Minuten später als normal an einem Freitagabend. Ein paar FMA-Leute in Tylersville und in der Zentrale hatten mit Sorge an den kommenden Montag gedacht. Ob die Menschen wiederkommen, der Ansturm wieder von neuem beginnen würde? Es zeigte sich, daß es dazu nicht kam.