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Der Trick mit den Möbelattrappen, das war eine von Danny Kerrigans Ideen gewesen. Der alte Mann hatte noch ein paar andere gute gehabt, und außerdem hatte er sich als Meisterfälscher erwiesen, seit Tony Bär Marino ihn vor zwölf Jahren in die Organisation geholt hatte. Kurz davor hatte Tony Bär von Kerrigans Ruf als glänzendem Handwerker gehört und daß er heruntergekommen war, ein Säufer, ein Penner. Auf Tony Bärs Befehl hatte man den alten Mann gerettet, ihn trockengelegt und später an die Arbeit gesetzt - mit glanzvollem Resultat.

Es schien nichts zu geben, glaubte Tony Bär mittlerweile, was Danny nicht mit Erfolg drucken konnte - Geld, Briefmarken, Anteilscheine, Schecks, Führerscheine, SozialversicherungsKarten, was man wollte. Es war auch Dannys Idee gewesen, Tausende von falschen Bankkredit-Karten herzustellen. Durch Bestechung und einen sorgfältig geplanten Einbruch hatten sie sich Blanko-Plastikbogen verschafft, und man hatte genug Bogen, auf Jahre hinaus. Die Sache hatte immensen Profit gebracht.

Das einzig Ärgerliche an dem alten Mann war, daß er gelegentlich wieder aufs Saufen verfiel und dann manchmal eine Woche oder länger außer Gefecht war. Wenn das passierte, bestand die Gefahr, daß er redete, deshalb sperrte man ihn ein. Aber er war schlau, und manchmal gelang es ihm zu verschwinden, wie letztes Mal. Neuerdings aber hatte er diese Touren immer seltener, hauptsächlich wohl deshalb, weil Danny seinen Anteil an den Moneten vergnügt auf eine Schweizer Bank packte und davon träumte, in ein, zwei Jahren dahin zu reisen, seinen Kies einzusammeln und sich zur Ruhe zu setzen. Nun wußte aber Tony Bär, daß es sich da um eine Idee des alten Trunkenbolds handelte, aus der nichts werden würde. Er hatte fest vor, den alten Mann zu nutzen, so lange es ging. Außerdem wußte Danny viel zuviel; ihn durfte man nie laufenlassen.

Danny Kerrigan war zwar wichtig, aber es war doch die Organisation, die ihn geschützt und das meiste aus seinen Produkten gemacht hatte. Ohne ein leistungsstarkes Verteilersystem wäre der alte Mann nichts anderes gewesen als die meisten anderen seiner Art - ein kleiner Ganove oder ein Nichts. Deshalb ging es Tony Bär vor allem um die Sicherheit der Organisation. Hatte man einen Spion eingeschmuggelt, einen Spitzel? Und wenn ja, woher kam er? Und wieviel hatte er - oder sie - erfahren?

Seine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf die Vorgänge jenseits des Spiegelglases. Angelo hatte die brennende Zigarre. Seine dicken Lippen waren zu einem Grinsen verzogen. Mit der Seite seines Fußes verschob er die beiden Stühle, so daß diese Nunez und ihr Balg jetzt einander gegenüber saßen. Angelo zog an der Zigarre, bis die Spitze hell glühte. Beiläufig schlenderte er zu dem Stuhl, auf dem das gefesselte Kind saß. Estela blickte auf, sie zitterte sichtbar, in ihren Augen flackerte wilde Angst. Ohne Hast nahm Angelo die kleine rechte Hand, hob sie hoch, betrachtete die Handfläche, drehte sie dann um. Immer noch ganz langsam nahm er die glühende Zigarre aus dem Mund und drückte sie, wie in einen Aschenbecher, auf ihren Handrücken. Estela schrie auf - ein durchdringender Schrei der Qual. Ihr gegenüber stemmte sich Juanita, wild weinend, zusammenhanglos schreiend, verzweifelt gegen ihre Fesseln.

Die Zigarre war nicht erloschen. Angelo paffte sie zu neuer Röte, dann hob er, ebenso gemächlich wie gerade eben, Estelas andere Hand hoch.

Juanita kreischte: »Nein, nein, dejela quieta. Ich sage es.« Angelo wartete, die Zigarre in Bereitschaft, während Juanita keuchend sagte: »Der Mann, den Sie wollen... ist Miles Eastin.«

»Für wen arbeitet er?«

Ihre Stimme war nur noch ein verzweifeltes Flüstern, als sie antwortete: »First Mercantile American Bank.«

Angelo ließ die Zigarre fallen und zertrat sie mit dem Absatz. Fragend sah er in die Richtung, wo, wie er wußte, Tony Bär saß, dann ging er um die Sichtblende herum.

Tony Bärs Gesicht war angespannt. Leise sagte er: »Holt ihn. Holt das Schwein. Bringt ihn her.«

21

»Milesy«, sagte Nate Nathanson brummig, wie es bei ihm selten war, »ich weiß nicht, wer dein Freund ist, der hier dauernd anruft, aber sag ihm, diese Bude wird nicht für die Angestellten betrieben, die ist für die Mitglieder da.«

»Welcher Freund?« Miles Eastin, der einen Teil des Vormittags in der Stadt allerlei Besorgungen für den Club erledigt hatte, sah den Manager unsicher an.

»Verdammt, woher soll ich das wissen? Derselbe Kerl hat viermal angerufen und hat nach dir gefragt. Wollte keinen Namen hinterlassen, keine Nachricht.« Ungeduldig sagte Nathanson: »Wo ist das Einzahlungsbuch?«

Miles gab es ihm. Zu den Dingen, die er erledigt hatte, gehörte auch das Einzahlen von Schecks bei einer Bank.

»Ladung Konserven ist gerade gekommen«, sagte Nathanson. »Kisten stehen im Lager. Vergleiche sie mit den Rechnungen.« Er gab Miles Papiere und einen Schlüssel.

»Wird gemacht, Nate. Und das mit den Anrufen tut mir leid.«

Aber der Manager hatte sich schon abgewandt und war auf dem Weg zu seinem Büro im zweiten Stock. Miles fühlte mit ihm. Er wußte, daß Tony Bär Marino und der Russe Ominsky, denen die Doppelte Sieben gemeinsam gehörte, in letzter Zeit Nathanson schwer unter Druck gesetzt hatten, weil sie mit der Führung des Clubs nicht zufrieden waren.

Auf seinem Weg zum Lager, das sich im Erdgeschoß an der Rückseite des Gebäudes befand, dachte Miles über die Anrufe nach. Wer sollte ihn anrufen? Und gleich viermal. Soweit er wußte, hatten nur drei Leute, die mit seinem früheren Leben in Verbindung standen, eine Ahnung davon, daß er hier war - sein Bewährungshelfer; Juanita; Nolan Wainwright. Der Bewährungshelfer? Höchst unwahrscheinlich. Als Miles seinen letzten vorgeschriebenen allmonatlichen Besuch bei ihm machte, war der Bewährungshelfer sehr in Eile, und alles war ihm gleichgültig gewesen; ihm schien es nur darum zu gehen, daß man ihm keine Schwierigkeiten machte. Er hatte sich notiert, wo Miles arbeitete, das war alles. Juanita also? Nein. Sie würde sich hüten; außerdem hatte Nathanson gesagt, es war ein Mann. Blieb also Wainwright.

Aber auch Wainwright würde keinesfalls anrufen... Oder vielleicht doch? Würde er das Risiko nicht eingehen, wenn es sich um etwas wirklich Dringendes handelte... eine Warnung zum Beispiel?

Eine Warnung wovor? Daß Miles in Gefahr war? Daß man ihn als Spion erkannt hatte oder kurz davor war? Plötzlich packte ihn eisige Angst. Sein Herz hämmerte schneller. Ihm wurde plötzlich bewußt: Er hatte sich in letzter Zeit für unverwundbar gehalten, hatte seine Sicherheit als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt. Aber in Wirklichkeit gab es hier keine Sicherheit, hatte es sie nie gegeben; nur Gefahr -größere Gefahr jetzt als zu Anfang, denn jetzt wußte er zuviel.

Als er sich dem Lagerraum näherte und der Gedanke nicht von ihm wich, begannen seine Hände zu zittern. Er mußte sich selbst zur Ruhe zwingen, um das Schlüsselloch zu finden. Er fragte sich: Fing er an, sich ohne Grund zu fürchten, zitterte er feige vor Schatten? Vielleicht. Aber eine Vorahnung sagte ihm -nein. Was sollte er also tun? Wer angerufen hatte, würde es wahrscheinlich noch einmal versuchen. Aber war es klug, das abzuwarten? Miles nahm sich vor: Risiko oder nicht, er würde Wainwright direkt anrufen.