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Sie starrten sich an. Die Antwort kam ihnen beiden gleichzeitig. »Mein Gott!« schrie Innes. »Der Möbelwagen!«

Wainwright setzte den Wagen schon zurück, ließ das Steuerrad herumsausen, wendete in kurzem, schnellem Kreis.

Innes packte das tragbare Sprechfunkgerät. Er sprach knapp und angespannt: »Gruppenleiter an alle Sondereinheiten. Konzentrisch großem grauen Haus nähern, steht von der Straße zurück, nahe östlichem Ende der Earlham Avenue. Ausschau halten nach Möbelwagen der Alliance Van Lines. Anhalten und Insassen festnehmen. Stadtpolizei: Alle in der Nähe befindlichen Wagen rufen. Code 10-13.«

Code 10-13 bedeutete: Höchstgeschwindigkeit, Scheinwerfer, Sirenen. Innes schaltete ihre eigene Sirene ein. Wainwright trat den Gashebel durch.

»Jesus Christus!« sagte Innes; es hörte sich an, als ob er den Tränen nahe war. »Zweimal sind wir dran vorbeigefahren. Und letztes Mal waren sie fast fertig mit dem Aufladen.«

»Wenn du hier raus bist«, wies Marino den Fahrer des Sattelschleppers an, »fährst du in Richtung Westküste. Laß dir Zeit, fahr genauso wie mit 'ner ganz normalen Fracht, und schlaf dich jede Nacht gut aus. Aber melde dich regelmäßig, du weißt, wo du anzurufen hast. Und wenn du unterwegs keine neuen Anweisungen kriegst, dann kriegst du sie in Los Angeles.«

»Okay, Mr. Marino«, sagte der Fahrer. Er war ein zuverlässiger Bursche, der genau wußte, worauf es ankam, und der auch wußte, daß er eine fette Prämie bekommen würde als Entschädigung für sein persönliches Risiko. Außerdem hatte er das früher schon mehrfach gemacht, wenn Tony Bär die Ausrüstung der Fälscherzentrale mal wieder auf den Weg und in Sicherheit bringen wollte; manchmal ging es dann im ganzen Land herum, von Versteck zu Versteck, bis sich alles wieder beruhigt hatte.

»Also gut«, sagte der Fahrer, »alles ist aufgeladen. Dann woll'n wir mal. Also bis später, Mr. Marino.«

Tony Bär nickte; er fühlte sich erleichtert. Er war ungewöhnlich nervös gewesen während des Packens und Verladens, irgendein Gefühl hatte ihn hier ausharren lassen, er hatte alles selbst überwacht, die Leute zur Eile angetrieben, obwohl er ganz genau wußte, daß es unklug war, noch zu bleiben. Normalerweise achtete er streng darauf, in sicherer Entfernung von der Frontlinie jeder seiner Unternehmungen zu bleiben, stets darauf bedacht, daß es kein Indiz gab, das ihn mit der Sache in Verbindung bringen konnte, falls etwas schieflaufen sollte. Andere wurden dafür bezahlt, solche Risiken auf sich zu nehmen - auch die Urteile, wenn's denn gar nicht zu vermeiden war. Nun war dieses Projekt mit den Fälschungen, zu Anfang wirklich nur Kleinkram, zu so einem dicken Ding aufgelaufen - tatsächlich die reine Geldmacherei -, daß es jetzt fast an der Spitze seiner Interessen stand, aufgestiegen von ziemlich der letzten Position. Gute Organisation hatte das bewirkt; das, und absolute Supervorsicht - Tony Bär liebte dieses Wort -, und dazu gehörte, daß man jetzt abhaute.

Streng genommen glaubte er nicht, daß dieser Umzug wirklich nötig war - jedenfalls noch nicht -, denn er war überzeugt, daß Eastin gelogen hatte, als er sagte, er habe die Adresse von Danny Kerrigan erfahren und sie weitergegeben. Tony Bär war ausnahmsweise geneigt, Kerrigan zu glauben, auch wenn der alte Furz tatsächlich zuviel gequatscht hatte und sich auf ein paar unangenehme Überraschungen gefaßt machen konnte, die ihn ein für allemal vom Quasseln kurieren würden. Hätte Eastin wirklich gewußt, was er angeblich wußte, und hätte er das weitergegeben, dann wären die Bullen und die Bankleute hier schon längst aufgetaucht, und zwar in Schwärmen. Tony Bär wunderte sich überhaupt nicht über die Lüge. Er wußte genau, wie Leute während der Folterung in ihrer Verzweiflung reagierten, wie sie von Lügen zu Wahrheiten übergingen, dann wieder zu Lügen zurückkehrten, weil sie glaubten, ihre Peiniger wollten das hören. Es war schon 'ne interessante Sache, sie dabei zu überlisten. Tony Bär hatte immer viel Freude an solchen Spielen gehabt.

Trotzdem war es schon vernünftig abzuhauen; man brauchte ja nur den Alarmplan in Gang zu setzen, der mit dem Fuhrunternehmen vereinbart war. Das Unternehmen gehörte der Bande. Wie üblich - superklug. Haste Zweifel, dann verdufte. Und jetzt, wo alles verladen war, wurde es Zeit zu beseitigen, was von dem Spitzel Eastin noch vorhanden war. Abfall. Eine Einzelheit, um die Angelo sich kümmern würde. Übrigens war es inzwischen höchste Zeit, fand Tony Bär, daß er selbst hier verschwand. In allerbester Laune kicherte er in sich hinein. Superklug,.

In diesem Augenblick hörte er das schwache, aber rasch lauter werdende Sirenengeheul, das sich aus verschiedenen Richtungen näherte.

Minuten später wußte er, daß er nicht im geringsten klug gewesen war.

»Mach mal 'n bißchen Tempo, Harry!« rief der junge Krankenträger dem Fahrer zu. »Der hier hat nicht mehr viel Zeit zu verlieren.«

»So wie der aussieht«, sagte der Fahrer - er sah unverwandt geradeaus, fuhr aufgeblendet, mit Warnlicht und heulender Sirene und kurvte tollkühn durch den langsam stärker werdenden Verkehr der beginnenden Rush-hour -, »so wie der aussieht, tun wir dem armen Kerl wahrscheinlich nur 'nen Gefallen, wenn wir jetzt parken und in aller Ruhe ein Bierchen zischen.«

»Halt die Klappe, Harry.« Der Träger, dessen Qualifikationen etwas unter denen eines Krankenpflegers im Krankenhaus lagen, warf einen Blick zu Juanita hinüber. Sie saß auf einem Klappsitz angestrengt vorgebeugt, um an ihm vorbei Miles im Auge behalten zu können; ihre Miene war angespannt, ihre Lippen bewegten sich. »Tut mir leid, Miss. Haben ganz vergessen, daß Sie hier sind. Dieser Job härtet ab, wissen Sie.«

Es dauerte einen Augenblick, bis sie in sich aufgenommen hatte, was eben gesagt worden war. Sie fragte: »Wie geht es ihm?«

»Schlecht. Hat keinen Zweck, Ihnen was vorzumachen.« Der junge Halb-Sanitäter hatte ein Viertel Gran Morphium subkutan injiziert. Er hatte Miles einen Blutdruckmesser angelegt und goß ihm jetzt Wasser aufs Gesicht. Miles war halb bei Bewußtsein und stöhnte, trotz des Morphiums, vor Schmerzen. Der Träger redete ohne Pause weiter: »Er hat einen Schock. Das kann ihn umbringen, wenn die Ätzungen das nicht besorgen. Das Wasser soll die Säure wegspülen, wenn's auch ziemlich spät dafür ist. Und was die Augen betrifft, also ich möchte nicht... Sagen Sie mal, was ist da drinnen eigentlich los gewesen?«

Juanita schüttelte den Kopf, sie mochte jetzt weder Zeit noch Mühe aufs Reden verschwenden. Sie streckte die Hand aus, versuchte, Miles zu berühren, und wäre es auch nur durch die Decke, mit der sie ihn zugedeckt hatten. Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie flüsterte, nicht sicher, ob er sie auch hörte: »Verzeih mir! O bitte, verzeih mir!«

»Das Ihr Mann?« fragte der Träger. Er machte sich daran, Schienen an Miles Hände zu legen und sie mit Mullbinden zu umwickeln.

»Nein.«

»Ihr Freund?«

»Ja.« Sie weinte jetzt stärker. War er noch ihr Freund? Mußte sie ihn wirklich verraten? Sie sehnte sich danach, Vergebung zu finden, so wie er einst sie um Vergebung angefleht hatte - es schien eine Ewigkeit her zu sein, in Wirklichkeit lag es noch gar nicht so lange zurück. Sie wußte, es hatte keinen Zweck.

»Halten Sie mal«, sagte der Krankenträger. Er legte eine Maske auf Miles' Gesicht und gab ihr eine tragbare SauerstoffFlasche. Sie hörte es zischen, als der Sauerstoff aufgedreht wurde, und sie umklammerte die Flasche, als könne sie durch die Berührung ihm etwas mitteilen, was sie ihm mitteilen wollte, seit sie Miles gefunden hatten, bewußtlos, blutend, verbrannt, noch immer an den Tisch genagelt.

Juanita und Nolan Wainwright waren den Bundeskriminalbeamten und den Stadtpolizisten in das große graue Herrenhaus gefolgt, nachdem Wainwright sie zurückgehalten hatte, bis klar war, daß es nicht zu einer Schießerei kommen würde. Es war nicht geschossen worden; anscheinend hatte es nicht einmal Widerstand gegeben. Die Leute im Haus hatten rasch begriffen, daß sie umzingelt und an Zahl unterlegen waren.