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Wainwright, das Gesicht verzerrter, als sie es je gesehen hatte, löste, so sanft er nur konnte, die Nägel und befreite Miles' zerschlagene Hände. Dalrymple, aschfahl, leise vor sich hin fluchend, hielt Eastin fest, während die Nägel, einer nach dem anderen, aus dem Holz gezogen wurden. Juanita hatte undeutlich wahrgenommen, daß da noch andere Männer im Haus waren, an der Wand aufgereiht, mit Handschellen gefesselt, aber es war ihr gleichgültig gewesen. Als der Krankenwagen kam, war sie dicht neben der Trage geblieben, die sie für Miles hereingebracht hatten. Sie folgte ihr nach draußen, dann in den Krankenwagen. Niemand versuchte, sie aufzuhalten.

Jetzt fing sie an zu beten. Die Worte gingen ihr leicht von den Lippen; Worte aus längst vergangener Zeit... Acordaos, oh piadosisima Virgen Maria... nie ist ohne Trost geblieben, wer sich in deine Obhut begeben hat, deine Hilfe erfleht hat, gebetet hat, daß du ihm beistehst. Fest in diesem Glauben fliehe ich zu dir...

Was hatte der Krankenträger gesagt? Sie hatte es nicht aufgenommen, aber es ging in ihrem Unterbewußtsein um. Miles' Augen. Sie waren verbrannt, verbrannt wie sein Gesicht. Ihre Stimme zitterte. »Wird er blind?«

»Das müssen Ihnen die Fachärzte sagen. Sobald wir ihn in der Unfallstation haben, bekommt er die allerbeste Behandlung. Hier kann ich jetzt nicht viel mehr tun.«

Juanita dachte: auch sie konnte nichts tun. Sie konnte nur bei Miles bleiben, und das wollte sie auch, erfüllt von Liebe und Treue, so lange er wollte, so lange er sie brauchte. Das konnte sie - und beten... jOh Virgen Madre de las virgines! Zu dir komme ich, vor dir stehe ich, sündenbeladen und leiderfüllt. O Mutter des fleischgewordenen Wortes, verachte meine Gebete nicht, sondern erhöre mich und antworte mir. Amen.

Gebäude mit Säulengängen davor huschten draußen vorbei. »Wir sind gleich da«, sagte der Krankenträger. Er hatte die Finger an Miles' Puls. »Er lebt jedenfalls noch.«

24

In den fünfzehn Tagen seit Beginn der offiziellen Untersuchung des Irrgartens der Supranational-Finanzen durch die Börsenaufsicht hatte Roscoe Heyward gebetet, es möge ein Wunder geschehen, das die totale Katastrophe abwendete. Heyward selbst nahm an Versammlungen mit anderen SuNatCo-Gläubigern teil, deren Ziel es war, den multinationalen Riesen nach Möglichkeit betriebs- und lebensfähig zu erhalten. Das hatte    sich    als unmöglich erwiesen. Je tiefer die Prüfer sondierten, um so schlimmer erschien das finanzielle Debakel. Es sah nun auch so aus, als würde es zu strafrechtlicher Verfolgung einiger Supranational-Direktoren wegen Betruges kommen, zu denen auch G. G. Quartermain gerechnet wurde; dazu mißte er allerdings erst einmal aus    seinem Versteck in Costa Rica    herausgelockt werden - und darauf bestand im Augenblick wenig Aussicht.

Deshalb wurde Anfang November ein Konkurseröffnungsantrag gemäß Paragraph 77 des Konkursgesetzes namens der Supranational Corporation gestellt. Obwohl man das befürchtet und sogar damit gerechnet hatte, löste das Ereignis prompte Erschütterungen rund um den Erdball aus. Es galt als wahrscheinlich, daß mehrere große Gläubiger sowie angegliederte Gesellschaften und viele Einzelpersonen zusammen mit SuNatCo in den Untergang gerissen werden würden. Ob die First Mercantile American Bank dazugehören würde oder ob die Bank ihren enormen Verlust überleben konnte, das war eine noch offene Frage.

Keine offene Frage mehr war - wie Heyward genau wußte -das Thema seiner eigenen Karriere. In der FMA war er als der Urheber der größten Kalamität in der einhundertjährigen Geschichte der Bank praktisch erledigt. Noch ungeklärt war nur, ob er nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen persönlich haftbar war. Offensichtlich gab es Leute, die das annahmen. Am Vortag hatte ein Beamter der Börsenaufsicht, den Heyward gut kannte, ihm eindringlich geraten: »Roscoe, ich glaube, Sie sollten sich jetzt einen Anwalt nehmen.«

Als Heyward kurz nach Beginn des Geschäftstages in seinem Büro den Bericht über den Supranational-Konkursantrag auf Seite eins des »Wall Street Journal« las, zitterten seine Hände. Er wurde von seiner Chefsekretärin, Mrs. Callaghan, unterbrochen. »Mr. Heyward - Mr. Austin ist hier.«

Ohne die Aufforderung abzuwarten, betrat Harold Austin eilig das Büro. Im Gegensatz zu seiner normalen Erscheinung wirkte der alternde Playboy heute nur noch wie ein zu auffällig gekleideter alter Mann. Sein Gesicht war angespannt, ernst und blaß; die Säcke unter seinen Augen waren Altersringe, und sie zeugten von Mangel an Schlaf.

Er verschwendete keine Zeit mit einleitenden Worten. »Haben Sie irgendwas von Quartermain gehört?«

Heyward zeigte auf das »Journal«. »Nur, was ich lese.« Während der letzten beiden Wochen hatte er mehrere Male versucht, Big George telefonisch in Costa Rica zu erreichen; ohne Erfolg. Der SuNatCo-Vorsitzende ließ sich von niemandem sprechen. In den kargen Berichten, die an die Außenwelt drangen, hieß es, er lebe inmitten feudaler Pracht, geschützt von einer kleinen Armee von Schlägern, und habe -nach seinen eigenen Worten - nicht die Absicht, jemals in die Vereinigten Staaten zurückzukehren. Es galt als allgemein bekannt, daß Costa Rica auf Auslieferungsanträge der Vereinigten Staaten nicht reagierte. Das hatten andere Schwindler und Flüchtlinge schon bewiesen.

»Ich bin ruiniert«, sagte The Hon. Harold. Seine Stimme schien ihm jeden Augenblick den Dienst versagen zu wollen. »Ich habe einen großen Teil des Familientrusts in SuNatCo gesteckt, und ich selbst bin verschuldet, weil ich Geld aufgenommen habe, um Q-Investments zu kaufen.«

»Wie steht es mit Q-Investments?«

Heyward hatte schon versucht, Klarheit über die Situation von Quartermains privater Gruppe zu gewinnen, die der FMA zwei Millionen Dollar schuldete, zusätzlich zu den fünfzig Millionen Schulden der Supranational.

»Soll das heißen, daß Sie es noch nicht gehört haben?«

»Meinen Sie, ich würde sonst fragen?« entgegnete Heyward aufbrausend.

»Ich habe es gestern abend von Inchbeck erfahren. Das Schwein Quartermain hat den gesamten Aktienbesitz von Q-Investments - zum größten Teil Aktien von SuNatCo-Töchtern - abgestoßen, als die Notierung der Gruppe auf dem Gipfelpunkt war. Er muß ein Schwimmbad voll Bargeld gehabt haben.«

Und darunter die zwei Millionen von der FMA, dachte Heyward. Er fragte: »Was hat er damit gemacht?«

»Er hat alles an seine eigenen Briefkastenfirmen im Ausland überwiesen, der Hund, und dann hat er das Geld von ihnen abgezogen, so daß Q-Investments jetzt nur noch Anteile an diesen Briefkastenfirmen besitzt - also wertloses Papier.« Heyward empfand Ekel, als Austin zu schluchzen begann. »Das gute Geld... mein Geld... kann in Costa Rica sein, auf den Bahamas, in der Schweiz... Roscoe, Sie müssen mir helfen, es wiederzubekommen... Sonst bin ich erledigt... pleite.«

Mit harter Stimme sagte Heyward: »Ich habe keine Möglichkeit, Ihnen zu helfen, Harold.« Er hatte mit seiner eigenen Rolle in Q-Investments genug Sorgen; da konnte er sich nicht auch noch mit Austin belasten.

»Aber wenn Sie etwas Neues hören... wenn es irgendeine Hoffnung gibt... «

»Wenn es die gibt, sage ich es Ihnen.«

So schnell, wie er konnte, schob Heyward Austin aus dem Büro. Kaum war er gegangen, als Mrs. Callaghan über die Sprechanlage meldete: »Hier ist ein Reporter vom >Newsday< in der Leitung.    Er    heißt    Endicott.    Es    handelt sich um Supranational, und er sagt, es sei sehr wichtig, daß er mit Ihnen persönlich spricht.«