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»Aber die Bank hast du damit gerettet, nicht wahr? Und das ging vor. Es war dir wichtiger als die alten Leute und die anderen alle; wichtiger auch als Aufrichtigkeit, denn das allerwichtigste war: Das Geschäft geht weiter.« Plötzlich schwang in Margots Stimme tiefes Gefühl mit. »Und deshalb wirst du auch weiter versuchen, die Bank zu retten, Alex - denn das ist dir das allerwichtigste. So war es bei dir und Celia. Und«, sagte sie langsam, »so würde es auch - wenn du wählen müßtest - bei dir und mir sein.«

Alex schwieg. Was konnte er sagen, was konnte irgendein Mensch schon sagen, wenn er mit der nackten Wahrheit konfrontiert wurde?

»Am Ende also«, sagte Margot, »bist du gar nicht so viel anders als Roscoe. Oder als Lewis.« Mit Unbehagen nahm sie »The D'Orsey Newsletter« auf. »Stabilität im Geschäftsleben, solides Geld, Gold, hohe Aktienpreise. Das alles geht vor. Die Menschen - vor allem kleine, unwichtige Menschen - kommen erst sehr viel später. Das ist der tiefe Graben zwischen uns, Alex. Den wird es immer geben.« Er sah, daß sie weinte.

Im Korridor draußen ertönte ein Summer.

Alex fluchte. »Verdammt, ewig wird man unterbrochen!«

Mit langen Schritten ging er zu der Sprechanlage, die die Wohnung mit dem Pförtner verband. »Ja, was ist?«

»Mr. Vandervoort, eine Dame fragt nach Ihnen. Mrs. Callaghan.«

»Ich kenne keine...« Er hielt inne. Heywards Sekretärin? »Fragen Sie sie, ob sie von der Bank ist.«

Eine Pause.

»Ja, Sir.«

»Gut. Schicken Sie sie rauf.«

Alex sagte Margot, wer da kam. Neugierig warteten sie. Als er den Fahrstuhl ankommen hörte, ging er an die Tür und machte sie auf.

»Bitte kommen Sie herein, Mrs. Callaghan.«

Dora Callaghan war eine attraktive, gepflegte Frau Ende Fünfzig. Sie hatte, wie Alex wußte, viele Jahre für die FMA gearbeitet und mindestens zehn davon für Roscoe Heyward. Normalerweise wirkte sie diszipliniert und selbstsicher, aber an diesem Abend sah sie nervös und müde aus.

Sie trug einen Wildledermantel mit Pelzbesatz, und in der Hand hatte sie einen Aktenkoffer. Alex sah, daß er der Bank gehörte.

»Mr. Vandervoort, es tut mir leid, daß ich Sie jetzt behellige... «

»Sie werden schon Ihre Gründe haben.« Er machte sie mit Margot bekannt, dann fragte er: »Möchten Sie etwas trinken?«

»Sehr gern.«

Einen Martini. Margot machte ihn zurecht. Alex nahm ihr den Wildledermantel ab. Sie setzten sich alle drei ans Feuer.

»Sie können ganz offen reden, auch wenn Miss Bracken dabei ist«, sagte Alex.

»Danke.« Dora Callaghan nahm einen großen Schluck Martini, dann stellte sie das Glas ab. »Mr. Vandervoort, ich habe heute nachmittag Mr. Heywards Schreibtisch aufgeräumt. Ich dachte, es könnte einiges dabei sein, was in Ordnung gebracht werden müßte, Dinge, die vielleicht einem anderen geschickt werden müßten.« Ihre Stimme schlug plötzlich in ein Schluchzen um, dann schwieg sie. Flüsternd sagte sie: »Bitte entschuldigen Sie.«

Begütigend sagte Alex: »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Wir haben Zeit.«

Als sie ihre Fassung wiedererlangt hatte, fuhr sie fort: »Einige Schubfächer waren verschlossen. Die Schlüssel dazu hatten Mr. Heyward und ich, wenn ich meine auch nicht oft benutzt habe.

Heute habe ich sie benutzt.«

Wieder schwieg sie, die beiden anderen warteten.

»In einer der Schubladen... Mr. Vandervoort, ich habe gehört, daß morgen früh Prüfer kommen. Ich dachte... vielleicht ist es besser, Sie sehen, was da drin war, da Sie besser wissen, was zu tun ist, besser als ich.«

Mrs. Callaghan klappte das lederne Aktenköfferchen auf und nahm zwei große Umschläge heraus. Als sie sie Alex hinüberreichte, sah er, daß jemand sie schon geöffnet hatte. Neugierig holte er den Inhalt heraus.

Der erste Umschlag enthielt vier Anteilscheine, jeder über 500 Stammaktien der Q-Investments und unterschrieben von G. G. Quartermain. Obwohl sie offensichtlich auf Namen von Strohmännern ausgestellt waren, hatten sie zweifellos Heyward gehört, dachte Alex. Ihm fielen die Beschuldigungen ein, die der »Newsday«-Reporter heute nachmittag erhoben hatte. Da lag die Bestätigung. Natürlich würde es weiterer Beweise bedürfen, wenn die Sache verfolgt werden sollte, aber es schien festzustehen, daß Heyward, einer der ranghöchsten Direktoren der Bank, ein Mann, dem alle vertraut hatten, sich hatte bestechen lassen. Wäre er noch am Leben, so hätte diese Erkenntnis strafrechtliche Verfolgung bedeutet.

Alex wurde noch deprimierter als vorhin schon. Er hatte Heyward nie gemocht. Sie waren Gegner gewesen, fast von dem Tage an, an dem Alex für die FMA gewonnen worden war. Aber keinen Augenblick lang, bis zu diesem Tage, hatte er an Roscoes persönlicher Integrität gezweifelt. Das bewies ja wohl, dachte er, daß man sich noch so fest einbilden mochte, einen anderen Menschen gut zu kennen, ohne in Wirklichkeit zu wissen, was in ihm vorging.

Alex empfand den Wunsch, dies alles möge gar nicht wahr sein, während er herausnahm, was in dem anderen Umschlag war. Es waren vergrößerte Fotografien von einer Gruppe von Menschen an einem Schwimmbad - vier Frauen und zwei Männer nackt und Roscoe Heyward bekleidet. Alex schoß die Vermutung durch den Kopf, daß es sich bei den Fotos um ein Souvenir von Heywards oft prahlerisch erwähnter Reise nach den Bahamas mit Big George Quartermain handeln müsse. Alex zählte zwölf Abzüge, als er sie auf einem Kaffeetisch ausbreitete, während Margot und Mrs. Callaghan zusahen. Aus den Augenwinkeln heraus erhaschte er einen Blick auf Dora Callaghans Gesicht. Ihre Wangen waren rot; sie war errötet. Errötet? Gab es das wirklich noch, dachte er.

Als er die Fotos betrachtete, hätte er am liebsten laut gelacht. Jeder einzelne auf diesen Bildern - ein anderes Wort gab es nicht - sah lächerlich aus. Auf einem Bild starrte Roscoe fasziniert die nackten Frauen an; auf einem anderen wurde er von einer dieser Frauen geküßt, während seine Finger ihre Brüste berührten. Harold Austin stellte einen schwammigen Körper zur Schau, einen herabhängenden Penis, ein törichtes Lächeln. Ein anderer Mann, mit dem Rücken zur Kamera, betrachtete die Frauen. Und was die Frauen betraf - nun ja, dachte Alex, einige mochten sie schon für attraktiv halten. Ihm selbst war Margot, voll bekleidet, jederzeit lieber.

Aber er lachte nicht - aus Respekt vor Dora Callaghan, die ihren Martini ausgetrunken hatte und jetzt aufstand. »Mr. Vandervoort, ich möchte mich jetzt verabschieden.«

»Es war richtig von Ihnen, daß Sie mir diese Dinge gebracht haben«, sagte er zu ihr. »Ich weiß das zu schätzen, und ich werde sie selbst in Verwahrung nehmen.«

»Ich bringe Sie hinaus«, sagte Margot. Sie holte Mrs. Callaghans Mantel und begleitete sie an den Fahrstuhl.

Alex stand an einem Fenster und sah hinaus auf die Lichter der Stadt, als Margot wieder hereinkam.

»Eine nette Frau«, stellte sie fest. »Und loyal.«

»Ja«, sagte er, und er dachte: Welche Veränderungen morgen und an den folgenden Tagen auch vorgenommen werden mußten, er würde dafür sorgen, daß Mrs. Callaghan rücksichtsvoll behandelt wurde. Auch an andere Leute würde man denken müssen. Auf seinen eigenen bisherigen Posten wollte Alex unverzüglich Tom Straughan befördern. Orville Young würden Heywards Schuhe nicht zu groß sein. Edwina D'Orsey mußte als Direktorin und Vizepräsidentin mit der Führung der Treuhandabteilung beauftragt werden; für diesen Posten hatte Alex Edwina schon seit geraumer Zeit vorgesehen, und er rechnete damit, daß sie bald noch weiter aufsteigen würde. Zunächst einmal mußte sie in das Direktorium aufgenommen werden, sofort.

Plötzlich wurde ihm bewußt: Er ging ja davon aus, daß er die Präsidentschaft der Bank übernahm. Margot hatte ihm das eben auf den Kopf zugesagt. Sie hatte wohl recht.