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»Danke für Ihre klare Antwort.« Alex schwieg eine Sekunde, dann fuhr er fort: »Wenn ich es recht verstehe, dann ist Celia jetzt - so nennt man es ja wohl - >institutionalisiert<. Sie hat sich von den Menschen zurückgezogen. Sie weiß nichts von Dingen, die sich außerhalb ihres eigenen Ich abspielen, und sie kümmert sich auch nicht darum.«

»Mit dem institutionalisiert haben Sie recht«, sagte der Psychiater, »mit dem anderen nicht. Ihre Frau hat sich nicht total zurückgezogen, jedenfalls bis jetzt noch nicht. Sie weiß immer noch ein wenig von dem, was draußen geschieht. Sie weiß auch, daß sie einen Mann hat, und wir haben über Sie gesprochen. Aber sie glaubt, daß Sie auch ohne ihre Hilfe durchaus in der Lage sind, mit allem fertig zu werden.«

»Sie macht sich also um mich keine Sorgen?«

»Im großen und ganzen, nein.«

»Was würde sie empfinden, wenn sie erführe, daß ihr Mann sich von ihr hat scheiden lassen und daß er wieder geheiratet hat?«

Dr. McCartney zögerte, dann sagte er: »Es würde den totalen Bruch mit dem geringen Kontakt nach außen bedeuten, den sie noch hat. Es könnte sie über die Schwelle treiben, die sie noch von der totalen geistigen Verwirrung trennt.«

In der entstandenen Stille beugte Alex sich vor und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Dann ließ er sie wieder sinken und hob den Kopf. Mit einer Spur von Ironie sagte er: »Wenn man offene Antworten verlangt, dann bekommt man sie wohl auch.«

Der Psychiater nickte; sein Gesichtsausdruck war ernst. »Alex, ich habe Ihnen das Kompliment gemacht, davon auszugehen, daß Sie wirklich meinen, was Sie sagen. Nicht jedem gegenüber wäre ich so offen gewesen. Außerdem, das muß ich hinzufügen, ist es durchaus möglich, daß ich mich irre.«

»Tim, zum Teufel noch mal, was soll man da tun!«.

»Ist das eine Frage oder nur rhetorisch gemeint?«

»Eine Frage. Sie können sie auf meine Rechnung setzen.«

»Heute abend gibt's keine Rechnung.« Der jüngere Mann lächelte kurz, dann dachte er nach. »Sie fragen mich: Was tut ein Mann, der sich in Ihrer Lage befindet? Nun, zunächst einmal informiert er sich so gut wie nur irgend möglich - wie Sie es ja getan haben. Dann trifft er Entscheidungen auf der Grundlage dessen, was er allen Beteiligten gegenüber, sich selbst eingeschlossen, für fair und gut hält. Aber während er seine Entscheidung vorbereitet, sollte er zweierlei bedenken. Erstens, wenn er ein anständiger Mensch ist, werden seine eigenen Schuldgefühle wahrscheinlich übertrieben groß sein, denn ein gut entwickeltes Gewissen hat die Angewohnheit, sich selbst über Gebühr hart zu strafen. Zweitens sollte er bedenken, daß sich nur wenige Menschen für das Leben eines Heiligen eignen; den meisten von uns fehlt dazu die Ausrüstung.«

Alex fragte: »Und weiter wollen Sie nicht gehen? Spezifischer wollen Sie sich nicht ausdrücken?«

Dr. McCartney schüttelte den Kopf. »Nur Sie allein können die Entscheidung treffen. Die letzten Schritte geht jeder von uns allein.«

Der Psychiater warf einen Blick auf die Uhr und stand auf. Wenig später gaben sie einander die Hand und sagten gute Nacht.

Draußen vor der Klinik warteten Limousine und Fahrer auf Alex - der Motor lief, im Wagen war es warm und behaglich.

10

»Ohne jeden Zweifel«, verkündete Margot Bracken, »ist das ein Sammelsurium von verflucht geschickten Lügen.«

Sie blickte auf die vor ihr liegenden Blätter, die Ellbogen aggressiv abgewinkelt, die Hände in ihre schlanke Taille gestützt, der kleine, aber resolute Kopf vorgeschoben. Sie war körperlich aufreizend, dachte Alex Vandervoort - ein Irrwisch von einem Mädchen, mit angenehm scharfen Gesichtszügen, einem aggressiven Kinn und eher dünnen Lippen, obwohl der Mund insgesamt sinnlich war. Am auffälligsten an Margot waren die Augen; sie waren groß, grün, mit goldenen Flecken und die Wimpern dicht und lang. In diesem Augenblick sprühten ihre Augen Feuer. Ihr kraftvoller Zorn weckte sein Begehren.

Margots vernichtendes Urteil galt der Auswahl von AnzeigenAbzügen für Keycharge-Kreditkarten, die Alex von der FMA mitgebracht hatte und die jetzt in seiner Wohnung auf dem Wohnzimmerteppich ausgebreitet lagen. Margots Gegenwart und Vitalität schufen außerdem ein dringend benötigtes Gegengewicht zu dem, was Alex vor mehreren Stunden durchgemacht hatte.

»Ich hab's mir gleich gedacht, Bracken, daß dir diese Werbethemen nicht zusagen würden«, sagte er.

»Nicht zusagen! Ich finde sie ekelhaft.«.

»Warum?«

Sie schob ihr langes kastanienbraunes Haar mit einer vertrauten, ihr aber nicht bewußten Bewegung zurück. Vor einer Stunde hatte Margot ihre Schuhe abgestreift und stand jetzt, zu ihrer ganzen Größe von 1,55 Meter aufgereckt, auf Strümpfen da.

»Bitte, sieh dir das an!« Sie zeigte auf die Anzeige, die mit den Worten begann:

 WARUM    WARTEN?

IHR ZUKUNFTSTRAUM WIRD WIRKLICHKEIT - SCHON HEUTE!

»Ich will dir sagen, was das ist. Das ist gefährlicher, verlogener Mist; da wird irgendwelchen einfältigen und gutgläubigen Schweinen vorgegaukelt und eingehämmert, wie herrlich es ist, Schulden zu machen! Zukunftsträume haben es an sich, daß sie teuer sind. Deshalb sind es ja auch Träume.

Und kein Mensch kann sich solche Träume leisten, es sei denn, er hat das Geld dazu oder wird es mit Sicherheit bald haben.«

»Sollte man es nicht jedem einzelnen überlassen, das zu beurteilen?«

»Nein! - Nicht den Menschen, die sich von der beschissenen Anzeige da beeinflussen lassen, nicht den Menschen, auf die ihr damit abzielt. Das sind die Unkomplizierten, die man leicht überreden kann, Menschen, die alles glauben, was sie schwarz auf weiß sehen. Ich kenne das. Viele von ihnen sind meine Klienten in meiner Anwaltspraxis. In meiner uneinträglichen Anwaltspraxis.«

»Vielleicht ist das nicht die Sorte Mensch, die unsere Keycharge-Karten besitzt.«

»Verdammt noch mal, Alex, du weißt doch selbst, daß das nicht stimmt! Die unwahrscheinlichsten Leute haben heute Kreditkarten, weil ihr so tüchtig seid mit eurer Werbung! Fehlt bloß noch, daß ihr eure Karten gratis an der Straßenecke verteilt, und es würde mich durchaus nicht wundern, wenn ihr demnächst damit anfangt.«

Alex grinste. Ihm machten solche Streitgespräche mit Margot Spaß, und er bemühte sich, sie in Gang zu halten. »Ich werde unseren Leuten sagen, daß sie es sich noch mal überlegen, Bracken.«

»Mir war's lieber, wenn andere Leute mal über die halsabschneiderischen achtzehn Prozent Zinsen nachdenken würden, die für alle Bankkreditkarten berechnet werden.«

»Das haben wir schon oft genug durchgekaut.«

»Ja, allerdings. Und bis heute habe ich keine zufriedenstellende Erklärung zu hören bekommen.«

Etwas scharf entgegnete er: »Vielleicht, weil du nicht richtig zuhörst.« Streitgespräche mit ihr mochten Spaß machen, aber Margot hatte eine Art, ihm unter die Haut zu gehen. Gelegentlich wuchsen sich ihre Debatten zu echtem Streit aus.

»Ich habe dir doch gesagt, daß Kreditkarten ein Angebotspaket darstellen, das aus einer ganzen Serie von Dienstleistungen besteht«, sagte Alex mit Nachdruck. »Siehst du diese Dienstleistungen als Summe, dann ist unser Zinssatz nicht unmäßig.«

»Er ist verflucht unmäßig, wenn du der bist, der berappen muß.«

»Niemand muß berappen. Weil niemand borgen muß.«

»Ich hör' dich sehr gut. Du brauchst nicht zu brüllen.«

»Na gut.«

Er holte tief Luft, entschlossen, die Diskussion diesmal nicht in Streit ausarten zu lassen. Außerdem fand er immer wieder, daß Margots Offenheit und die Schärfe ihres Juristenverstandes seinen eigenen Gedanken zugute kamen, wenn er einige ihrer Ansichten anfocht, die sich in Wirtschaft, Politik und allen anderen Gebieten links von der Mitte bewegten. Ihre Praxis verschaffte Margot auch Kontakte, die ihm fehlten - sie kam direkt in Berührung mit den Armen der Stadt und den Unterprivilegierten, deren Nöte den Löwenanteil ihrer Arbeit als Anwältin beanspruchten.