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Er fragte: »Noch einen Cognac?«

»Bitte.«

Es ging auf Mitternacht. Ein Feuer aus mächtigen Holzscheiten, das anfangs lichterloh gebrannt hatte, flackerte jetzt nur noch mit kleiner Flamme im Kamin des behaglichen Zimmers in der kleinen, luxuriösen Junggesellenwohnung.

Vor anderthalb Stunden hatten sie sich vom ServiceRestaurant des Apartmenthauses ein Dinner heraufschicken lassen. Dazu einen ausgezeichneten Bordeaux - Alex hatte ihn gewählt, Chateau Gruaud Larose 1966.

Abgesehen von der Stelle, an der die Keycharge-Werbetexte ausgebreitet waren, herrschte Dämmerlicht.

Als er Cognac nachgeschenkt hatte, nahm Alex das Gespräch wieder auf. »Wenn die Menschen ihre Kreditkarten-Rechnungen bei Erhalt begleichen, werden überhaupt keine Zinsen berechnet.«

»Du meinst, wenn sie den vollen Rechnungsbetrag zahlen.«

»Allerdings.«

»Aber wie viele tun das schon? Zahlen die meisten Kreditkartenbenutzer nicht nur die bequeme >Mindestsumme<, die auf den Kontoauszügen angegeben wird?«

»Ziemlich viele zahlen das Minimum, ja.«

»Und tragen den Rest als Kredit auf neue Rechnung vor und genau das ist euch Bankern am liebsten. Stimmt's?«

Alex gab zu: »Ja, es stimmt. Aber die Banken müssen ja auch irgendwo ihren Gewinn machen.«

»Ich liege nachts wach«, sagte Margot, »und frage mich voller Bangen, ob die Banken auch genug Gewinn erzielen.«

Während er lachte, fuhr sie ernsthaft fort: »Schau, Alex, Tausende von Leuten, die es sich überhaupt nicht leisten können, türmen durch die Benutzung von Kreditkarten langfristige Schuldenberge auf. Oft genug, indem sie irgendwelchen Plunder kaufen - Kosmetika und Wundermittel, Schallplatten, Haushaltsnovitäten, neues Werkzeug, Bücher, ein Abendessen im Restaurant, andere Kleinigkeiten; sie tun es zum Teil, weil sie gar nicht darüber nachdenken, und zum Teil, weil Kleinkredite so lächerlich einfach zu bekommen sind. Und diese kleinen Beträge, die man besser bar bezahlen sollte, summieren sich zu lähmenden Schulden, die unbedachte Leute auf Jahre hinaus belasten.«

Alex nahm sein Cognacglas in beide Hände, um es zu wärmen, trank einen Schluck, stand dann auf und warf ein neues Scheit aufs Feuer. »Du grübelst zuviel, und außerdem ist das Problem so gewaltig nun auch wieder nicht«, protestierte er.

Und doch mußte er sich eingestehen, daß manches von dem, was Margot sagte, seine Richtigkeit hatte. Wo die Leute früher -wie hieß es doch in dem alten Bergarbeiterlied: »owed their souls to the company store« - ihre Seele beim Kramladen der Bergbaugesellschaft verpfändet hatten, da war jetzt eine neue Rasse chronisch Verschuldeter entstanden, die naiv ihre ganze Zukunft mitsamt ihren künftigen Einnahmen bei irgendeiner »freundlichen Bank nebenan« beliehen hatten. Das ging so leicht und mühelos, weil Kreditkarten in hohem Maße an die Stelle der Kleinkredite getreten waren. Während man den Leuten früher vom übermäßigen Borgen abriet, trafen sie jetzt ihre Kreditentscheidungen selber - und oft ließen sie dabei nicht viel Vernunft walten. Alex wußte, daß manche Beobachter der Szene die Ansicht vertraten, daß dieses System die Moral Amerikas unterminiere.

Natürlich war es für die Bank viel billiger, Kleinkredite nach dem Kreditkartensystem zu vergeben; außerdem zahlte der Kleinkreditkunde, der auf dem Weg über seine Karte Geld borgte, ganz wesentlich mehr Zinsen, als er für einen konventionellen Kredit hinblättern müßte. Die Gesamtzinsen, die die Bank einstrich, beliefen sich tatsächlich oft auf Sätze bis zu 24 Prozent, weil die Geschäftsleute, die Kreditkarten honorierten, auch noch ihre eigenen Bankgebühren entrichteten, die zwischen zwei bis sechs Prozent lagen.

Deshalb nutzten Banken wie die First Mercantile American das Kreditkartengeschäft zur Ausweitung ihrer Gewinne, und sie beabsichtigten, dieses Geschäft noch viel weiter auszubauen. Gewiß, alle Kreditkartensysteme brachten zu Anfang erhebliche Verluste; wie die Banker zu sagen pflegen, »zu Anfang gehen wir baden«. Aber dieselben Banker waren davon überzeugt, daß der warme Regen nicht lange auf sich warten lassen und dann eine Gewinnzone beginnen würde, die so günstig wäre wie in kaum einem anderen Zweig des Bankgeschäfts.

Außerdem wußten die Banker, daß die Kreditkarten eine notwendige Zwischenstation auf dem Wege zum EGS waren -zum Elektronischen Geldüberweisungs-System, das in anderthalb Jahrzehnten die heutigen Lawinen von Bankpapieren ersetzen und die jetzigen Scheck- und Sparbücher so veraltet erscheinen lassen würde wie das »Model T« des alten Ford.

»Schluß jetzt«, sagte Margot. »Wir beide hören uns ja an wie eine Aktionärs-Hauptversammlung.« Sie ging zu ihm und küßte ihn auf die Lippen.

Die Hitze ihres Streits hatte ihn schon vorher erregt, wie es Gefechte mit Margot oft bei ihm bewirkten. Ihre erste physische Begegnung hatte auf die gleiche Art begonnen. Je wütender beide wurden, so schien es manchmal, um so gewaltiger wuchs ihre körperliche Leidenschaft füreinander. Nach einer Weile murmelte er:    »Ich erkläre die Hauptversammlung für geschlossen.«

»Hmmm...« Margot rückte von ihm weg und sah ihn herausfordernd an. »Es gibt aber noch unerledigte Punkte -diese Anzeigen, mein Schatz. Die willst du doch wohl nicht so, wie sie sind, auf die Öffentlichkeit loslassen?«

»Nein«, sagte er, »ich glaube nicht.«

Diese Keycharge-Anzeigen waren harte Verkaufstaktik - zu hart -, und er wollte seine Position nutzen, um am Morgen ein Veto einzulegen. Ihm wurde klar, daß er das ohnehin beabsichtigt hatte. Margot hatte nur seine eigene Ansicht vom Nachmittag bekräftigt.

Das frische Scheit, das er aufs Feuer gelegt hatte, brannte jetzt lichterloh und knisternd. Sie saßen auf dem Teppich vor dem Kamin, genossen die Wärme, beobachteten die emporzüngelnden Flammen.

Margot lehnte ihren Kopf an seine Schulter. »Für einen muffigen alten Banker bist du eigentlich gar nicht so übel«, murmelte sie.

Er legte seinen Arm um sie. »Ich liebe dich auch, Bracken.«

»Wirklich und wahrhaftig? Auf Bankers Ehre und Gewissen?«

»Ich schwöre bei der Prime Rate!«

»Dann liebe mich jetzt.« Sie begann sich auszuziehen.

Er flüsterte belustigt: »Was, hier?«

»Warum denn nicht?«

Alex seufzte zufrieden. »Warum eigentlich nicht.«

Wenig später verwandelten sich Qual und Sorgen des Tages in ein Gefühl der Befreiung und des Glücks.

Und noch später hielten sie einander in den Armen und spürten die Wärme, die vom Feuer und dem Körper des anderen kam. Endlich rührte Margot sich. »Ich hab's schon oft gesagt und werde es immer wieder sagen: Du bist ein wunderbarer Liebhaber.«

»Na, du bist auch okay, Bracken«, sagte er und lächelte. »Bleibst du heute nacht hier?«

Sie tat das oft, ebenso wie Alex häufig in Margots Wohnung blieb. Manchmal kam es ihnen töricht vor, weiter ihre getrennten Haushalte zu führen, aber er hatte das Zusammenziehen immer wieder hinausgeschoben, weil er Margot vorher lieber geheiratet hätte.

»Ich bleibe noch ein bißchen«, sagte sie, »aber nicht die ganze Nacht. Ich muß morgen sehr früh im Gericht sein.«

Margot hatte oft im Gericht zu tun; dadurch hatten sie sich auch vor anderthalb Jahren kennengelernt. Kurz vor jener ersten Begegnung hatte Margot ein halbes Dutzend Demonstranten verteidigt, die sich während eines Protestmarschs für totale Amnestierung der Vietnam-Deserteure mit der Polizei angelegt hatten. Ihre feurige Verteidigung, nicht nur der Demonstranten, sondern auch ihrer Sache, hatte allgemeine Aufmerksamkeit erregt. Und noch mehr ihr Sieg am Ende des Prozesses -Einstellung des Verfahrens in allen Punkten der Anklage.