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Wenige Tage danach war Margot auf einer Cocktailparty, zu der Edwina und Lewis D'Orsey eingeladen hatten, von Bewunderern und Kritikern umringt. Sie war allein zu der Party gekommen. Das galt auch für Alex, der von Margot gehört hatte, aber erst später entdeckte, daß sie Edwinas Kusine war. Während er den ausgezeichneten Schramsberg der D'Orseys trank, hatte er eine Weile zugehört und sich dann auf die Seite der Kritiker geschlagen. Es dauerte nicht lange, dann traten die anderen zurück und überließen Alex und Margot die Fortsetzung der Debatte. Sie standen einander gegenüber wie Gladiatoren in der Arena.

Irgendwann hatte Margot dann gefragt: »Und wer zum Teufel sind Sie eigentlich?«

»Ein ganz gewöhnlicher Amerikaner, der glaubt, daß es beim Militär nicht ohne Disziplin geht.«

»Sogar in einem unmoralischen Krieg wie in Vietnam?«

»Der Soldat kann nicht über die Moral der erteilten Befehle entscheiden. Er hat zu gehorchen. Die Alternative ist das Chaos.«

»Ich weiß nicht, wer Sie sind, aber Sie reden wie ein Nazi. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben wir Deutsche hingerichtet, die uns mit diesem Argument gekommen sind.«

»Die Situation war eine völlig andere.«

»Ganz und gar nicht. Im Nürnberger Prozeß haben die Alliierten auf ihrem Standpunkt beharrt, daß die Deutschen ihrem Gewissen hätten folgen und die Ausführung von Befehlen hätten verweigern müssen. Und genau das haben diejenigen getan, die den Kriegsdienst verweigerten, genau das haben die Vietnam-Deserteure getan.«

»Die amerikanische Armee hat keine Juden ausgerottet.«

»Nein, nur Dorfbewohner. Wie in My Lai und anderswo.«

»Kein Krieg ist sauber.«

»Aber der in Vietnam ist schmutziger als die meisten. Vom Oberbefehlshaber angefangen bis ganz nach unten. Und aus diesem Grunde sind so viele junge Amerikaner, ganz besonders mutige junge Amerikaner, ihrem Gewissen gefolgt und haben sich geweigert, daran teilzunehmen.«

»Sie werden keine bedingungslose Amnestie erhalten.«

»Das sollten sie aber. Eines Tages, wenn der Anstand die Oberhand gewinnt, wird es soweit kommen.«

Sie debattierten immer noch leidenschaftlich, als Edwina sie trennte und sie erst einmal miteinander bekannt machte. Später nahmen sie den Streit wieder auf, und sie setzten ihn fort, während Alex sie nach Hause fuhr. Dort wären sie an einem Punkt ihrer Auseinandersetzung beinahe mit den Fäusten aufeinander losgegangen, aber statt dessen merkten sie, daß physisches Verlangen alles andere überwog, und aufgeregt, hitzig liebten sie einander, bis sie erschöpft waren, und schon in dem Augenblick wußten sie, daß etwas Neues, unendlich Wichtiges in ihr Leben getreten war.

Übrigens revidierte Alex später seine einst so entschieden vertretene Meinung, als er zusammen mit anderen desillusionierten Gemäßigten erkennen mußte, wie hohl Nixons Phrase vom »ehrenvollen Frieden« war. Und noch später, als Watergate und die damit verbundenen Infamien sichtbar wurden, begann es überdeutlich zu werden, daß diejenigen in höchsten Regierungsstellungen, die da verfügt hatten: Keine Amnestie! - daß diese Männer sich weitaus schlimmerer Schurkereien schuldig gemacht hatten als irgendein VietnamDeserteur.

Es blieb nicht das einzige Beispiel dafür, daß Margots Argumente ihn zu einer Änderung oder Erweiterung seines Denkens bewogen.

Jetzt, im Schlafzimmer seiner Wohnung, wählte sie aus einem Schubfach, das Alex ihr eingeräumt hatte, ein Nachthemd aus. Als sie es übergestreift hatte, löschte Margot das Licht.

Schweigend lagen sie in der tröstlichen Gemeinsamkeit des dunklen Zimmers nebeneinander. Dann sagte Margot: »Du hast heute Celia besucht, nicht wahr?«

Überrascht drehte er sich zu ihr um. »Woher weißt du das?«

»Man merkt es jedesmal. Es ist nicht leicht für dich.« Sie fragte: »Möchtest du darüber sprechen?«

»Ja«, sagte er, »ich glaube schon.«

»Du machst dir noch immer Vorwürfe, nicht wahr?«

»Ja.« Er erzählte ihr von seiner Begegnung mit Celia, von dem anschließenden Gespräch mit Dr. McCartney und der Meinung des Psychiaters darüber, wie sich eine Scheidung und seine Wiederverheiratung wahrscheinlich auf Celia auswirken würden.

Margot sagte mit Entschiedenheit: »Dann darfst du dich nicht von ihr scheiden lassen.«

»Wenn ich es nicht tue«, erwiderte Alex, »dann kann es für dich und für mich nichts Beständiges geben.«

»Wieso denn nicht? Ich habe dir von Anfang an gesagt, es wird zwischen uns genauso beständig sein, wie wir beide es wollen. Die Ehe ist keine Garantie für Beständigkeit mehr. Wer glaubt denn heute wirklich noch an die Ehe, abgesehen von ein paar alten Bischöfen?«

»Ich glaube dran«, sagte Alex. »Und zwar stark genug, um sie für uns zu wollen.«

»Na gut, dann führen wir eben eine Ehe - auf unsere Art. Liebling, ich brauche absolut kein amtliches Papier, auf dem mir bescheinigt wird, daß ich verheiratet bin, denn amtliche Papiere sehe ich jeden Tag genug, und sie imponieren mir nicht mehr sehr. Ich habe dir gesagt, daß ich bereit bin, mein Leben mit dir zu teilen - von ganzem Herzen und von ganzer Seele. Aber das, was von Celias geistiger Gesundheit noch vorhanden ist, in eine Grube ohne Boden zu stoßen, das will ich nicht auf mein Gewissen laden, und ich will auch nicht, daß du dir so etwas auflädst.«

»Ich weiß, ich weiß. Es stimmt ja alles, was du sagst.« Seine Antwort klang nicht überzeugend.

Mit leiser Stimme versuchte sie ihn zu trösten: »Mit dem, was wir haben, bin ich so glücklich wie noch nie in meinem ganzen Leben. Du bist es, der mehr will; ich nicht.«

Alex seufzte, und wenig später schlief er ein.

Als sie ganz sicher war, daß er fest und tief schlief, zog Margot sich an, küßte ihn ganz zart und verließ die Wohnung.

11

Während Alex Vandervoort einen Teil jener Nacht allein schlief, sollte Roscoe Heyward die ganze Nacht in Einsamkeit verbringen.

Noch aber schlief er nicht.

Heyward war zu Hause, in seinem geräumigen zweistöckigen Haus in dem Vorort Shaker Heights. Er saß an einem lederbezogenen Schreibtisch in dem etwas steif möblierten kleinen Zimmer, das ihm als Arbeitszimmer diente. Vor ihm waren Papiere ausgebreitet.

Seine Frau Beatrice war vor fast zwei Stunden nach oben und zu Bett gegangen. Die Schlafzimmertür hatte sie hinter sich verschlossen, wie sie es nun schon seit zwölf Jahren tat, seit dem Tag, an dem sie - in gegenseitiger Übereinstimmung - getrennte Schlafquartiere bezogen hatten.

Daß Beatrice ihre Tür zu verschließen pflegte, und zwar in einer für sie typischen herrischen Art, hatte Heyward nie als Kränkung empfunden. Schon lange vor ihrem Auszug aus dem gemeinsamen Schlafzimmer waren ihre sexuellen Begegnungen immer seltener geworden und hatten sich schließlich im Nichts verloren.

Im wesentlichen, meinte Heyward, wenn er gelegentlich darüber nachdachte, war es Beatrices Entscheidung gewesen, mit dem Sexuellen endgültig Schluß zu machen. Schon in den ersten Jahren ihrer Ehe hatte sie zu verstehen gegeben, daß sie im Prinzip eine Abneigung gegen dieses Tasten und Keuchen empfand, wenn auch ihr Körper zuzeiten danach verlangte. Früher oder später, ließ sie durchblicken, werde ihr Wille dieses ziemlich widerwärtige Verlangen überwinden, und so war es auch gekommen.

In einem seiner seltenen selbstironischen Momente war Heyward die Erkenntnis gekommen, daß Elmer, ihr einziger Sohn, eigentlich genau das widerspiegelte, was Beatrice zum Thema seiner Empfängnis und Geburt empfand - nämlich Abneigung gegen ein ziemlich kränkendes, durch nichts zu rechtfertigendes Eindringen in ihre körperliche Privatsphäre. Elmer, nun bald dreißig Jahre alt und ein staatlich examinierter Wirtschaftsprüfer, verbreitete eine Aura der absoluten Mißbilligung um sich und stolzierte durchs Leben, als hielte er sich die Nase mit Zeigefinger und Daumen zu, um sich vor dem Gestank zu schützen. Sogar Roscoe Heyward konnte Elmer bisweilen nur schwer ertragen.