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Und dann packen Sie sie, dem Zugriff der US-Bürokraten entzogen, auf ein europäisches Bankkonto, am besten wohl in der Schweiz... «

Lewis D'Orsey hatte dieses Thema in den letzten Jahren schon in vielen Varianten hinaustrompetet. Sein neuester Informationsbrief enthielt noch mehr davon und schloß mit detaillierten Ratschlägen über empfehlenswerte Investitionen. Natürlich empfahl er nur Anlagen in nichtamerikanischen Währungen.

Ein anderer Vorgang, der Lewis in Rage versetzt hatte, waren die staatlichen Goldverkäufe gewesen. »In der nächsten Generation«, hatte er geschrieben, »wenn die Amerikaner endlich aufwachen und erkennen, daß ihr nationales Erbe zu Schleuderpreisen verkauft wurde, um dem kindischen Ehrgeiz von gewissen Leuten in Washington zu schmeicheln, werden die dafür Verantwortlichen als Verräter gebrandmarkt und für alle Zeiten verdammt werden.«

Lewis' Bemerkungen hatten in ganz Europa starke Beachtung gefunden, waren jedoch in Washington und in der amerikanischen Presse totgeschwiegen worden.

Nun, am Frühstückstisch, setzte Edwina ihre Lektüre des »Monitor« fort. Ein Artikel behandelte eine Gesetzesvorlage im Repräsentantenhaus, die eine Änderung der Steuergesetze mit dem Ziel einer verringerten Abschreibung bei Haus- und Grundbesitz anstrebte. Ein solches Gesetz könnte sich auf die Hypothekengeschäfte der Bank auswirken, und sie fragte Lewis um seine Meinung, ob diese Vorlage Chancen habe, zum Gesetz erhoben zu werden.

»Nie und nimmer«, antwortete er entschieden. »Selbst wenn das Haus zustimmt, kommt die Vorlage nicht durch den Senat. Ich habe gestern ein paar Senatoren angerufen. Die nehmen die Sache nicht ernst.«

Lewis hatte eine staunenswerte Zahl von Freunden und Informanten - und das war einer der Gründe für seinen Erfolg. Er hielt sich auch stets in Steuerfragen auf dem laufenden, so daß er seinen Lesern raten konnte, wie sich bestimmte Situationen zu ihrem Vorteil nutzen ließen.

Lewis selbst zahlte im Jahr nur eine quasi symbolische Einkommensteuer - niemals mehr als ein paar hundert Dollar, und damit brüstete er sich auch. Dabei hatte er tatsächlich ein siebenstelliges Einkommen. Er schaffte das, indem er alle gesetzlichen Steuervorteile, alle Vergünstigungen geschickt ausnutzte und dort anlegte, wo es Steuerschutzwälle gab - Öl, Land, Holz Wirtschaft, Landwirtschaft, steuerfreie Staatspapiere, steuerbegünstigte Teilhaberschaften. Ein kompliziertes Gebäude aus ineinander verzahnten Vorteilen dieser Art ermöglichte es ihm, mit vollen Händen Geld auszugeben, ein großartiges Leben zu führen und dennoch - auf dem Papier - in jedem Jahr immer Verlust zu machen.

Diese Steuerinstrumente waren, wie gesagt, samt und sonders legal. »Nur Dummköpfe verheimlichen Einnahmen oder hinterziehen Steuern auf andere Weise«, hatte Edwina ihn oft sagen hören. »Warum denn ein Risiko eingehen, wenn das Steuergesetz mehr legale Notausgänge hat als ein Schweizer Käse Löcher? Man braucht dazu nichts weiter als Fleiß, um sich mit dem Thema vertraut zu machen, und Unternehmungsgeist, um die gewonnenen Erkenntnisse zu nutzen.«

Bislang hatte Lewis seinen eigenen Ratschlag, im Ausland zu leben und auf die amerikanische Staatsbürgerschaft zu verzichten, nicht befolgt. Aber er verabscheute New York, wo er einst gelebt und gearbeitet hatte, und nannte es jetzt »ein verkommenes, eitles, bankrottes Banditennest, das von Solipsismus lebt und einen schlechten Atem hat«. Außerdem sei es eine »von arroganten New Yorkern propagierte Illusion, daß man die besten Gehirne in dieser Stadt versammelt findet. Das ist nicht der Fall.« Ihm war der Mittlere Westen lieber, wohin er dann übergesiedelt war und wo er vor anderthalb Jahrzehnten Edwina kennengelernt hatte.

Obwohl ihr Mann ihr vorexerzierte, wie man Steuern vermeiden konnte, ging Edwina hier ihre eigenen Wege, füllte ihre eigenen Steuererklärungen aus und zahlte höhere Steuern als Lewis, obwohl sie weit weniger verdiente als er. Aber die gemeinsamen Rechnungen bezahlte Lewis - er zahlte für das Penthouse, für die Angestellten, für die beiden Mercedeswagen und andere Luxusdinge.

Edwina gestand sich selbst gegenüber ehrlich ein, daß der großartige Lebensstil, den sie aus Herzenslust genoß, bei ihrer Entscheidung, Lewis zu heiraten und sich auf diese Ehe einzustellen, eine Rolle gespielt hatte. Doch sie hatten sich beide arrangiert, es funktionierte gut, sie behielten ihre Unabhängigkeit und ihre getrennten Karrieren.

»Im Augenblick wünschte ich«, sagte sie, »deine tiefe Einsicht reichte so weit, daß du mir sagen könntest, wohin am Mittwoch all das viele Geld bei uns verschwunden ist.«

Lewis blickte von seinem Frühstück auf, das er ingrimmig attackiert hatte, so als seien die Eier seine persönlichen Feinde. »Das Geld ist noch immer verschwunden? Dann hat das wackere FBI mal wieder nichts rausgekriegt?«

»So könnte man es auch nennen.« Sie erzählte ihm von der Sackgasse, in der die Ermittlungen jetzt steckten, und von ihrer Absicht, die Kassiererin noch heute zu entlassen.

»Und danach wird wohl keiner sie je wieder einstellen.«

»Eine andere Bank ganz bestimmt nicht.«

»Sagtest du nicht, daß sie ein Kind hat?«

»Ja, leider.«

»Zwei neue Anwärter für die langen Listen der Fürsorge«, bemerkte Lewis düster.

»Ach, nun mach mal 'n Punkt und spar dir die Birch-Klagen für deine Leser auf.«

Ein zerklüftetes Lächeln erschien - was äußerst selten geschah - auf dem Gesicht ihres Mannes. »Verzeih. Aber ich bin es nicht gewöhnt, daß du Rat brauchst. Kommt nicht sehr oft vor.«

Das war ein Kompliment, wie Edwina wohl wußte. Zu den Vorzügen ihrer Ehe gehörte es, daß Lewis sie immer als intellektuell gleichberechtigt behandelt hatte. Er hatte es zwar nie ausgesprochen, aber sie wußte, daß er auf ihren hohen Rang in der FMA-Hierarchie sehr stolz war - schließlich gab es in jenen Höhen auch heute noch nicht viele Frauen in der männerchauvinistischen Welt des Bankgewerbes.

»Natürlich kann ich dir auch nicht verraten, wo das Geld ist«, sagte Lewis; er schien nachgedacht zu haben. »Aber ich gebe dir einen Rat, der mir in ähnlich vertrackten Situationen schon geholfen hat.«

»Ja? Ich höre.«

»Er lautet: Mißtraue dem Offensichtlichen.«

Edwina war enttäuscht. Vielleicht hatte sie unlogischerweise so etwas wie eine Wunderlösung erwartet. Statt dessen hatte Lewis eine lendenlahme alte Bauernweisheit verkündet.

Sie warf einen Blick auf die Uhr. Es war beinahe acht. »Danke«, sagte sie. »Ich muß gehen.«

»Ach, ich fliege übrigens heute abend nach Europa«, sagte er. »Ich bin Mittwoch wieder da.«

»Gute Reise.« Im Gehen gab Edwina ihm einen Kuß. Die beiläufige Mitteilung hatte sie nicht überrascht. Lewis hatte Büros auch in Zürich und London, und sein Kommen und Gehen war das Selbstverständlichste von der Welt.

Sie fuhr in dem Privat-Lift, der das Penthouse mit der Kellergarage verband, nach unten.

Obwohl sie den Ratschlag, den Lewis ihr gegeben hatte, nicht für besonders wertvoll hielt, wollten ihr während der Fahrt zur Bank seine Worte: Mißtraue dem Offensichtlichen nicht aus dem Sinn gehen.

Ein Gespräch mit den beiden FBI-Agenten am Vormittag war kurz und unergiebig.

Es fand im Konferenzraum im hinteren Teil der Bank statt. Hier hatten die FBI-Männer während der vorangegangenen beiden Tage Angestellte vernommen. Am heutigen Gespräch nahmen Edwina und Nolan Wainwright teil.

Der Ranghöhere der beiden Beamten, der Innes hieß und mit dem typischen Akzent der Leute aus New England sprach, gestand Edwina und dem Sicherheitschef der Bank: »Unsere Untersuchung hat sich festgefahren. Der Fall bleibt offen, und Sie hören von uns, wenn neue Tatsachen ans Licht kommen«, setzte er hinzu. »Falls sich hier etwas ergibt, benachrichtigen Sie sofort das Federal Bureau of Investigation.«