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»Natürlich«, sagte Edwina.

»Ach, etwas wäre da doch noch, allerdings etwas Negatives.« Der FBI-Mann schlug sein Notizbuch auf. »Der Mann dieser Mrs. Nünez - Carlos. Einer von Ihren Leuten glaubte, ihn an dem Tag, an dem das Geld verschwunden ist, in der Bank gesehen zu haben.«

Wainwright sagte: »Miles Eastin. Er hat es mir gemeldet. Ich habe die Information weitergegeben.«

»Ja, wir haben Eastin danach gefragt; er gab zu, daß er sich geirrt haben könnte. Wir haben Carlos Nünez ausfindig gemacht. Er lebt jetzt in Phoenix, Arizona; hat da einen Job als Autoschlosser. Unsere Agenten in Phoenix haben ihn befragt. Nach ihren Feststellungen war er am Mittwoch an seinem Arbeitsplatz, wie jeden Tag in dieser Woche. Damit scheidet er als Komplice aus.«

Nolan Wainwright begleitete die FBI-Agenten hinaus. Edwina kehrte zu ihrem Schreibtisch auf der Plattform zurück. Wie die Vorschrift es verlangte, hatte sie den Verlust des Geldes ihrem unmittelbaren Vorgesetzten in der Hauptverwaltung gemeldet, und die Sache schien weiter nach oben bis zu Alex Vandervoort gedrungen zu sein. Alex hatte gegen Abend angerufen und gefragt, ob er ihr in irgendeiner Weise behilflich sein könne. Sie hatte es dankend abgelehnt, da sie schließlich die Verantwortliche war und was zu tun war selber erledigen mußte.

An diesem Morgen hatte sich an der ganzen Sache nichts geändert.

Kurz vor Mittag wies Edwina Tottenhoe an, die Gehaltsabteilung davon in Kenntnis zu setzen, daß das Angestelltenverhältnis von Juanita Nünez mit diesem Tage enden würde. Die Abteilung möge die letzte Gehaltsabrechnung fertigmachen und herüberschicken. Der Scheck, von einem Boten gebracht, lag auf Edwinas Schreibtisch, als sie vom Essen zurückkam.

Zögernd und mit einem unguten Gefühl wendete Edwina den Scheck hin und her.

In diesem Augenblick arbeitete Juanita Nünez noch. Das hatte Edwina gestern entschieden, sehr zum Verdruß Tottenhoes, der brummig eingewandt hatte: »Je eher wir sie los sind, desto sicherer sind wir vor Wiederholungen.« Sogar Miles Eastin, der nun wieder an seinem Schreibtisch saß und seine Arbeit als stellvertretender Innenleiter fortsetzte, hatte die Augenbrauen verwundert hochgezogen. Trotzdem war Edwina bei ihrer Entscheidung geblieben.

Sie wunderte sich über sich selbst. Warum machte sie sich solche Gedanken, wo doch offensichtlich die Zeit gekommen war, einen Schlußstrich zu ziehen und die ganze Sache zu vergessen.

Offensichtlich die Zeit gekommen war... Die offensichtliche Lösung. Wieder fiel ihr ein, was Lewis gesagt hatte - mißtraue dem Offensichtlichen.

Aber wie? Wo sollte sie anfangen mit dem Mißtrauen?

Edwina befahl sich selbst: Durchdenke alles noch einmal. Fange ganz von vorn an.

Welches waren die offensichtlichen Aspekte des Zwischenfalles? Das erste Offensichtliche war die Tatsache, daß Geld verschwunden war. Hier gab es nichts zu deuteln. Das zweite Offensichtliche war die Summe von sechstausend Dollar. Das hatten vier Personen übereinstimmend festgestellt: Juanita Nünez selbst, Tottenhoe, Miles Eastin, schließlich noch der Tresorraum-Kassierer. Nicht strittig.

Das dritte offensichtlich gewordene Moment bezog sich auf die Angabe der Mrs. Nünez, daß sie um 13.50 Uhr die genaue Summe des Geldes kannte, das aus ihrem Fach verschwunden war; sie hatte diese Angabe nach fast fünfstündiger lebhafter Schaltertätigkeit gemacht und bevor sie ihren Bestand durchgezählt und nachgerechnet hatte. Alle anderen in der Filiale, die von dem Verlust wußten, Edwina selbst inbegriffen, erklärten das übereinstimmend für offensichtlich unmöglich; das war von Anfang an ein wichtiges Belastungsmoment gegen Juanita Nünez gewesen.

Belastung... offensichtliche Belastung... offensichtlich unmöglich.

Aber war es wirklich so unmöglich?... Edwina hatte plötzlich eine Idee.

Die Uhr an der Wand zeigte 14.10 Uhr. Sie bemerkte, daß der Innenleiter an seinem Schreibtisch saß. Edwina stand auf. »Mr. Tottenhoe, würden Sie bitte mal mitkommen?«

Verdrossen trottete Tottenhoe hinter ihr her, als sie den großen Schalterraum durchquerte, hier und da kurz einen Kunden begrüßend. Es herrschte reger Betrieb, es waren viele Menschen in dem Raum, wie üblich während der letzten Schalterstunden vor einem Wochenende. Juanita Nünez nahm gerade eine Einzahlung entgegen.

Edwina sagte mit ruhiger Stimme: »Mrs. Nünez, wenn Sie diesen Kunden bedient haben, stellen Sie bitte das Schild >Schalter geschlossen auf und verschließen Sie dann Ihr Geldfach.«

Juanita reagierte nicht, sie sagte auch nichts, als sie die Transaktion beendet und das kleine Metallschild in ihr Schalterfenster gestellt hatte. Als sie sich zur Seite wandte, um das Geldfach abzuschließen, sah Edwina, warum sie nichts sagte. Juanita weinte lautlos, Tränen liefen ihr über die Wangen.

Der Grund war nicht schwer zu erraten. Sie hatte an diesem Tag mit ihrer Entlassung gerechnet, und Edwinas plötzliches Auftauchen hatte ihr die Gewißheit gebracht.

Edwina ignorierte die Tränen. »Mr. Tottenhoe«, sagte sie, »stimmt es, daß Mrs. Nünez seit Beginn der Schalterstunden heute früh Bargeld eingenommen und ausgezahlt hat?«

Er nickte. »Ja.«

Die Zeitspanne war ungefähr die gleiche wie am Mittwoch, dachte Edwina; allerdings hatte heute mehr Betrieb in der Filiale geherrscht.

Sie zeigte auf das Geldfach. »Mrs. Nünez, Sie haben behauptet, daß Sie jederzeit genau wissen, wieviel Bargeld sie haben. Wissen Sie, wieviel Geld jetzt in dem Fach ist?«

Die junge Frau zögerte. Dann nickte sie; sprechen konnte sie wegen der Tränen noch immer nicht.

Edwina nahm einen Zettel vom Schaltertisch und hielt ihn ihr hin. »Schreiben Sie die Summe darauf.«

Wieder sichtliches Zögern. Dann nahm Juanita Nunez einen Bleistift und kritzelte 23765 Dollar.

Edwina gab Tottenhoe den Zettel. »Bitte begleiten Sie Mrs. Nunez und bleiben Sie bei ihr, während sie ihren heutigen Bargeldbestand durchrechnet. Kontrollieren Sie das Ergebnis. Vergleichen Sie es mit dieser Zahl.«

Skeptisch betrachtete Tottenhoe den Zettel. »Ich hab' zu tun, und wenn ich bei jedem einzelnen Kassierer bleiben wollte... «

»Bleiben Sie bei dieser Kassiererin«, sagte Edwina und ging durch die Schalterhalle zu ihrem Platz zurück.

Drei Viertelstunden später erschien Tottenhoe neben ihrem Schreibtisch.

Er machte einen nervösen Eindruck. Edwina bemerkte, daß die Hand zitterte, mit der er ihr den Zettel hinlegte. Die Zahl, die Juanita Nunez darauf geschrieben hatte, war mit einem Bleistift abgehakt.

»Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte«, sagte der Innenleiter, »dann hätte ich es wahrscheinlich nicht geglaubt.« Zum ersten Mal seit langer Zeit verriet seine Miene nicht die gewohnte Niedergeschlagenheit, sondern Erstaunen.

»Die Zahl hat gestimmt?«

»Sie hat genau gestimmt.«

Edwina saß angespannt da und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Mit einem Schlage, das wußte sie, hatte sich fast der gesamte Stand der Untersuchung verändert. Bis zu diesem Augenblick war man fast immer von der Annahme ausgegangen, daß Mrs. Nunez unmöglich habe fertigbringen können, was sie soeben überzeugend und schlüssig vorgeführt hatte.

»Mir ist etwas eingefallen, als ich eben auf dem Weg zu Ihnen war«, sagte Tottenhoe. »Ich habe mal jemanden gekannt, das war in einer kleinen Filiale auf dem Lande im Norden - muß zwanzig Jahre her sein oder länger -, der konnte beim Schalterdienst den ganzen Tag lang im Kopf mitrechnen. Und jetzt erinnere ich mich, von anderen Leuten gehört zu haben, die das auch können. Das ist, als ob die eine Rechenmaschine im Kopf hätten.«